Wenn man so richtig krank ist, gibt es nicht viel, was man tun kann. Und so verbrachte auch ich zweieinhalb Tage tatenlos im Bett. Ich bekam Kopfschmerzen, wenn ich einen Film schauen oder Musik hören wollte, mir wurde schwindelig, wenn ich umherlief, um aufzuräumen oder zu kochen, und ich konnte mich nicht konzentrieren, um zu schreiben oder zu lesen. Nicht einmal richtig denken konnte ich, weil es mich zu sehr anstrengte. Darum lag ich wie ein Stein in meinem Bett, stand nur auf, um zu trinken, essen und aufs Klo zu gehen und verbrachte den Rest mit meiner Zeit damit an die Decke zu starren, zu dösen und zu schlafen. Einerseits genoss ich es nicht zu machen, aber andererseits drehte ich durch, wenn ich daran dachte, wie eine Lektion nach der anderen an mir vorüber zog, der nächste Test immer näher rückte und ein Berg an Arbeit sich vor mir auftürmte. Doch krank ist krank, dachte ich mir und lag zweieinhalb Tage lang brav in meinem Bett ohne irgendetwas zu machen.
Ich glaube ich hatte eine Grippe. Genau weiß ich es aber nicht, denn mit Krankheiten kenne ich mich nicht aus. Ich kann immer nur Symptome schildern, den Rest müssen dann fachkundigere Leute erledigen. Aber weil niemand hier war, der eine Diagnose vor Ort hätte stellen können, und ich auch keinen großen Wert darauf legte meine Leiden zu benennen, sondern nur wollte, dass sie vorüber gingen, begnügte ich mich damit Tee zu trinken, gelegentlich ein Aspirin zu mir zu nehmen und jede Frage nach meinem Wohlbefinden mit "Ich habe Grippe." zu beantworten. Es wunderte mich ein wenig, dass niemand in Panik verfiel und mein Krankheit mit der Schweinegrippe in Verbindung brachte, die seit geraumer Zeit auch hier in Japan grassierte, denn angesichts der Wellen, die diese in den Medien schlug, wäre das durchaus vorstellbar gewesen. Ich muss gestehen, dass die Schweinegrippe, oder "neue Influenza" wie sie in Japan genannt wird, recht klanglos an mir vorüber gezogen war. Ebenso auch die Vogelkrippe, die Maul- und Klauenseuche, BSE und all die anderen Krankheitswellen, die in den letzten Jahren nicht nur um die Welt, sondern auch durch die Medien geschwappt waren. Ganz anders verhielt sich da mein Mitbewohner Yosuke, der sich gerne ein wenig in die Risiken und Auswirkungen der Schweinegrippe hineinsteigerte und nicht müde wurde darauf hinzuweisen, dass man sich immer die Hände waschen, einen Mundschutz tragen und öffentliche Plätze meiden sollte. Ich lächelte ein wenig über seine Belehrungen, musste schmunzeln, wenn er in Panik verfiel, weil der Vorrat an Mundschutzen im nahliegenden Supermarkt erschöpft war, und lies mich in meinem regulären Tagesablauf nicht beirren. Und so taten es auch die meisten. Einige meiner Lehrer machte sich sogar lustig darüber, dass jeder dritte Japaner einen Mundschutz in der U-Bahn trug, die nationalen Vorräte an Mundschutzen zur Neige gingen und einige Leute sich ohne Sicherheitsvorkehrungen gar nicht mehr aus dem Haus trauten. Alle Mitglieder meines Sprachkurses lachten über diese Anekdoten, bis auf Ma, der überwichtig mit seinem Mundschutz im Klassenraum saß und hoffte einen guten Eindruck auf die Lehrer zu machen.
"Sie wissen schon, dass sie den Mundschutz falsch tragen, oder? Sie müssen nicht nur den Mund, sondern auch die Nase bedecken, sonst ist es ja sinnlos."
Glücklich darüber, dass ein Lehrer auf ihn aufmerksam geworden war, schob sich Ma seinen Mundschutz vom Mund nach oben und bedeckte vorschriftsmäßig sowohl Mund, als auch Nase. Dass es ihm aber nicht wirklich im Gesundheitsvorsorge ging, zeigte sich aber bereits, als er nicht einmal fünf Minuten später den Mundschutz wieder heruntergezogen hatte. Und nicht einmal zwei Tage später hatte er das Interesse an der Benutzung eines Mundschutz gänzlich verloren. Ja, es gab die Leute die auf der Panikwelle mitritten, und jene, die am Strand des Geschehens standen und aus der Distanz zuschauten.
Letztlich war ich nun aber doch krank geworden. Ironischerweise aber nicht durch mangelnde Vorsichtsmaßnahmen, sondern höchstwahrscheinlich durch meinen übereifrigen Mitbewohner Yosuke selbst, denn der war gerade ein Woche zuvor krank gewesen und hatte Nacht um Nacht in seinem Zimmer gehustet und mich in den Wahnsinn getrieben. Nun war ich an der Reihe, doch ich verlebte mein Kranksein recht ruhig, nur Schlafen und Herumliegen. Davon aber reichlich. Und bereits nach wenigen Tagen fühlte ich mich gesünder, stand wieder auf, arbeitete wieder am Computer und begann ein wenig das Chaos zu beseitigen, das sich in den letzten Tagen in meinem Zimmer angehäuft hatte. Und so war schließlich fast eine ganze Woche vergangen.
3 Kommentare:
Ich wusste ja gar nicht, dass in Japan so viele Fälle von Schweinegrippe aufgetreten sind. Und dass die Leute tatsächlich mit Mundschutz rumlaufen...also ich fände das ja unheimlich, wenn die alle mit Mundschutz in der U-Bahn ständen ;-)
Dieses Wochenende war ich wieder einmal in Tokyo und ich muss sagen, dass mir niemand mit Mundschutz aufgefallen ist. Die große Panik wegen der Schweinegrippe hat wohl nachgelassen.
Wäre dem nicht so gewesen, hätte ich ja berichten könne, wie man sich in einem Waggon voller Mundschutze fühlt. : )
Ist die Schweinegrippe in Europa überhaupt noch ein Thema oder haben die Medien in Deutschland mit dem Tod von Michael Jackson und der anstehenden Bundestagswahl das Interesse an der Seuche schon wieder verloren?
Ich glaube, Schweinegrippe ist kein großes Thema mehr. Allerdings kann ich das nicht so gut beurteilen, da ich schon ewig kein Fernsehen mehr geschaut habe. Ab und zu hört man mal was im Radio von einem neuen Fall in Deutschland. Aber da sich die Schweinegrippe ja nicht zu der tödlichen Pandemie entwickelt hat, wie zunächst befürchtet, hat das Interesse doch nachgelassen. Schließlich gibt es irgendwann auch nichts mehr Neues darüber zu berichten.
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