Samstag, 8. August 2009

Es ist Zeit zu gehen

Kaum war ich aus Nikko zurück und hatte mich geduscht, da klopfte es schon an der Tür.
"Bist du endlich fertig?"
"Ja, einen kurzen Moment noch."
Ich hüpfte in meine Hose, streifte mir ein frisches T-Shirt über, machte mir die Haare zurecht und ging zur Tür.
"Kommst du endlich? Wir warten schon."
"Gleich. Ich zieh' mir schon die Schuhe an."
Kurz darauf trat ich zu Milena in die schwüle Dämmerung hinaus und schloss die Tür hinter mir ab. Eilig liefen wir die Treppe hinab und trafen endlich auf Jessica, Dan, Andrew und Lisa.
"Wie war Nikko? Ich hätte auch so gerne alles gesehen!"
Jessica kam freudig auf mich zugelaufen und sogleich begann ich von meinen Eindrücken zu berichten und versprach ihr einige meiner Bilder zu senden. Und dann liefen wir in ein nahgelegenes Restaurant, um zu sechst Dan und Jessicas letzten Abend zu verbringen.
Dicht gedrängt saßen wir um den Tisch und unterhielten uns. Ich und Milena mit Jessica, Dan mit den Kanadiern Andrew und Lisa ("Sazae-san und Maruko-chan & hagoita und shouchuu").
"Kommt Christa noch?"
"Sie muss noch packen. Vermutlich wird sie noch die ganze Nacht durch ihr Hab und Gut hin und her räumen."
"Was ist mit Lee?"
"Sie ist heute Abend mit ihrer Kirchengruppe weg, vermutlich wird sie nicht mehr kommen."
Ich nickte, hielt einen Moment inne und widmete mich mit Milena und Jessica wieder anderen Themen. Ich hätte mir gewünscht, dass auch Lee und Christa da gewesen wären, dass wir alle zusammen unseren letzten gemeinsamen Abend hätten feiern können. Doch es war schließlich nicht meine Einladung gewesen, nicht mein Abschied. Zumindest noch nicht. Ich war nur der Gast, derjenige, von dem man sich verabschieden wollte, da hatte ich wohl kaum das Recht Trübsal zu blasen und der verpassten Chance hinterher zu trauern, dass nicht alle meine Freunde aus dem Wohnheim beisammen waren. Also riss ich mich zusammen und konzentrierte mich auf mein Gespräch, schließlich wollte ich mir später nicht selbst vorwerfen müssen, dass ich am letzten Abend mehr meinen eigenen Gedanken nachgehangen hätte, statt mich mit jenen Personen zu unterhalten, die ich in den letzten Wochen kennenlernen durfte.
Es war der letzte Abend der beiden Briten Jessica und Dan und dennoch hatte ich das Gefühl Jessica erst in jenen letzten Stunden wirklich kennenzulernen. Wir hatten zwar schon öfter miteinander gesprochen, Worte gewechselt, doch wir hatten uns nie wirklich unterhalten. Zumindest nie wirklich zu zweit. Doch dieser Abend im Restaurant schien fast nur uns zu gehören. Darum nutzen wir die Zeit während des Essens und unterhielten uns über Großbritannien, über Deutschland, unsere Hobbys und entdeckten einige überraschende Gemeinsamkeiten.
"Du kennst Westlife?"
"Ja, ich bin ein riesiger Westlife-Fan. Ich war auf jedem Konzert, habe alle Alben und jede DVD."
"Ich habe früher oft ihre Musik gehört, aber in letzter Zeit scheinen sie nicht mehr so medienpräsent zu sein."
"Ja, sie sind ein wenig in Vergessenheit geraten. Aber ich weiß bis heute, dass der Onkel einer Freundin in einem ihrer Musikvideos mitgespielt hat."
"Nein! In welchem?!"
Über eine Stunde lang saßen die Kanadier Andrew und Lisa, Dan, Milena, Jessica und ich in dem Restaurant, bis schließlich nur noch Jessica und ich uns enthusiastisch unterhielten, während alle anderen still auf ihrem Platz versanken.
"Wollen wir langsam gehen?"
Dan stieß Jessica sanft in die Seite.
"Schließlich müssen wir morgen früh raus."
Es herrschte einen kurzen Moment Stille, ehe Jessica ihr Portemonnaie umgriff und in ihrem gewohnt strahlenden Lächeln aufblickte.
"Ja, du hast wohl recht. Es ist Zeit zu gehen."
Und so gingen wir.
Eine Weile standen wir alle gemeinsam im Flur des Wohnheims, während sich die Kanadier Andrew und Lisa von Dan und Jessica verabschiedeten. Ein wenig unsicher stand ich daneben und überlegte, was ich wohl sagen sollte. Ich war nicht gut mit Verabschiedungen, fand nie wirklich die richtigen Worte und fühlte mich sicherer, wenn ich mir zumindest ein paar vorbereitete Sätze zurechtgelegt hatte. Doch das hatte ich diesmal nicht, zu sehr war ich an diesem Abend beschäftigt gewesen: Zuerst der Besuch in Nikko, dann das überstürzte Umziehen und gleich im Anschluss der Besuch im Restaurant. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Und als Andrew und Lisa schließlich verschwanden, stand ich ein wenig nervös und unsicher vor Dan und Jessica.
"Also dann..."
"Was dann?"
Dan schaute mich mit einem dümmlichen Grinsen an.
"Also dann ist es wohl an der Zeit sich zu verabschieden."
"Machst du Witze?!"
Und mit diesen Worten zog er mich am Arm in seine und Jessicas Wohnung.
Ich war wirklich gerührt, dass ich der Letzte war, der am späten Abend noch bei den beiden im Zimmer auf den Bett saß und mit ihnen ihre letzten Stunden in Japan verbrachte. Wir redeten nicht über die Abreise, sondern unterhielten uns wie an jedem anderen Abend auch. Es war einfach ein ganz normaler Abend unter Freunden, denn das waren wir drei in den letzten Wochen geworden: Freunde. Für über eine Stunde saßen wir beieinander, schauten uns Videos an, unterhielten uns über Musik, über Filme. Und noch einmal hatte ich das Gefühl Dan und Jessica neu kennenzulernen, ihnen ganz nah verbunden zu sein.
Was wohl gewesen wäre, wenn ich am nächsten Morgen mit den beiden nach Großbritannien geflogen wäre? Wenn wir uns schon einige Monate früher kennengelernt hätten? Wenn wir noch ein weiteres Semester miteinander verbracht hätten? Das waren die Fragen, die mir im Kopf schwirrten, als ich an diesem Abend in meine Wohnung ging und mich hinlegte.

Um fünf Uhr morgens klingelte mein Wecker. Ich stand auf, zog mich an und verließ die Wohnung. Direkt vor mir standen bereits Milena, Dan und Jessica, im Schlepptau ihr ganzes Gepäck. Und fast zeitlich zu mir kam Lee die Treppe herunter geeilt.
"Ein Glück, ihr seid noch nicht weg. Sonst hätte ich mich gar nicht mehr verabschieden können."
Und so drückte Lee Jessica und begann ihre ganz persönliche Verabschiedung. Sanft packte ich Milena an der Schulter und zog sie zum Aufzug, um das Gepäck der anderen nach unten zu bringen. Das war nicht unser Moment, noch nicht. Zu zweit stellten wir die Koffer und Taschen in den kleinen Aufzug, zwängten uns dazu und fuhren zum Erdgeschoss. Ein einziger Blick genügte, um zu verstehen, dass es Milena ebenso mulmig erging wie mir.
"Was ist mit Christa? Ist sie schon weg?"
"Nein, sie wartet unten."
"Ernsthaft? Ich sehe sie also noch einmal?"
"Na klar! Sie hat irgendwann gegen zwei Uhr morgens sogar an deine Tür geklopft, aber da hast du schon geschlafen."
Freudig zog ich die Koffer aus dem Aufzug, eilte um die Ecke und sah vor mir tatsächlich Christa stehen. Und obwohl sie wie immer strahlte, sah ich doch, wie sich ihr Gesicht noch weiter aufhellte, als sie mich sah.
"Und ich dachte schon ich sehe dich nicht mehr!"
"Ich auch!"
Und so standen wir zu zweit vor dem Wohnheim. Christa und ich. Und obwohl wir uns erst seit so kurzer Zeit kannten, waren wir doch zu engen Freunden geworden. Es waren unsere gleichen Lösungsansätze für Probleme, unser identischer Sinn für Humor und unsere Art die Welt zu betrachten, die uns so dicht zusammengeschweißt hatten. Und es schmerzte Christa nach solch einer kurzen Zeit wieder gehen zu lassen.
"Von Deutschland nach Österreich ist nicht die Welt. Da werden wir uns sicherlich einmal sehen können."
"Na klar. Und es gibt ja auch noch E-Mail. Und Briefe. Heutzutage gibt es so viele Möglichkeiten in Kontakt zu bleiben."
"Ja, da hast du recht. Und außerdem komme ich ja bereits bald nach. In nicht einmal einer Woche bin ich auch wieder in Europa."
"Dann musst du selbst durch den ganzen Stress mit dem Packen und der Reise. Ich wünsche dir jetzt schon einmal viel Spass."
Wir mussten lachen und setzten uns mit den anderen in Bewegung in Richtung der Bushaltestelle nahe des Bahnhofs von Soka. Und während wir liefen, tauschten wir uns über das aus, wovon wir genug hatten: Gemeinsamkeiten. Über das anstehende Einchecken am Flughafen, unsere Panik vor Übergewicht beim Gepäck, unsere grundlose Befürchtung unseren Flug zu verpassen, was eigentlich unmöglich war, und andere Ängste, gegen die unser Kopf, nicht aber der Rest unseres Körpers ankam.
"Ich bin froh, wenn ich einfach nur im Flieger sitze und weiß, dass ich alles hinter mir habe. Dann kann ich endlich entspannen, die Landschaft betrachten und vielleicht sogar schlafen."
"Mir geht es genauso. Aber ich kann im Flugzeug nie schlafen."
"Ach, ich normalerweise auch nicht. Aber da ich heute Nacht die ganze Zeit über meinen Koffer eingeräumt und Pakete für die Post vorbereitet habe, konnte ich kein Auge zumachen. Ich bin also zuversichtlich, dass ich im Flugzeug wenigstens kurz einnicken werde."
Ich kicherte ein wenig, dann herrschte Stille, während wir einige Meter hinter den anderen durch die morgentliche Stille Sokas liefen.
"Ich bin wirklich froh dich kennengelernt zu haben, David. Es gibt viele Menschen, denen man im Leben begegnet, viele Menschen, die ebenso spurlos wieder verschwinden. Aber es gibt einige wenige, die bleiben. Sei es nur in Gedanken, in Erinnerungen, oder gar als tatsächlicher Kontakt. Und du gehörst ganz sicher dazu."
Recht zügig hatten wir das Wohnheim verlassen und relativ schnell waren wir zu fünft durch die Straßen Sokas bis zur Bushaltestelle geeilt, an der der Bus zum internationalen Flughafen von Narita abfahren sollte. Und so mussten wir warten. Warten, bis endlich der Bus kam.
"Du hast den Stock dabei? Den Stock vom Aufstieg?"
Jessica blickte auf das lange Gepäckstück in ihrer Hand.
"Ja klar. Das ist eine tolle Erinnerung an die Bezwingung des höchsten Berges Japans, findest du nicht?"
"Sicher doch. Aber ist er nicht ein wenig sperrig? Ich meine: Gibt es keine Größenbeschränkungen für Gepäckstücke?"
"Ach, das wird schon irgendwie. Ich gebe ihn als Sondergepäck auf. Oder ich finde etwas anderes. Letztlich klappt doch alles irgendwie, findest du nicht?"
Einmal mehr musste ich über Jessicas unerschöpflichen Optimismus lächeln.
"Ich kann immer noch nicht glauben, dass ich auf dem höchsten Berg Japans war. ICH! Das glaubt mir doch niemand!"
"Und du hast sogar gelächelt und gestrahlt als du oben warst."
"Na klar! Ich habe mich ja auch stundenlang abgemüht. Wer würde sich denn da nicht freuen?"
Ich musste daran denken, wie an jenem Tag vor knapp zwei Wochen unsere gesamte Wandertruppe auf den Gipfel des Fuji gestiegen und wie eine Gruppe von Zombies in der dortigen Berghütte gesessen hatte. Alle bis auf Jessica, die es geschafft hatte mit ihrem unerschütterlichen Optimismus und ihrer ansteckenden guten Laune jedem ein Lächeln auf die Lippen zu zaubern. Was für ein Mensch, hatte ich mir damals gedacht. Was für eine Aura. Ganz gleich was wir unternommen hatten, sei es der Aufstieg zum Gipfel, ein Filmabend oder Jogging, es war immer freudiger, unbeschwerter und angenehmer, wenn Jessica anwesend gewesen war. Auch als ich sie noch nicht kannte und das erste Mal traf, brachte sie mir so viel Warmherzigkeit entgegen, dass ich bis heute erstaunt bin.
Und während wir nebeneinander standen und auf den Bus warteten, dachte ich mir dies: Vielleicht bleiben uns nicht alle Menschen mit ihren Taten in Erinnerung. Denn manchmal ist es gar kein einzelner Moment, der uns zu einem Menschen einfällt, kein erinnerungswürdiges Zitat, das uns jemanden vor Augen führt. Manchmal ist es der Mensch selbst, sein Wesen, das uns so fasziniert und uns in Gedanken immer wieder in jene Zeit zurückreisen lässt, die man gemeinsam erlebt hat. Ja, es gibt sie, diese Menschen, die uns ohne große Worte und Taten in Erinnerung bleiben werden.
Knapp eine Viertelstunde verbrachten wir an der Bushaltestelle, tauschten uns ein wenig nervös aus und schossen ein paar Fotos, während wir auf den Bus warteten. Jeder war auf seine Weise angespannt und jeder überspielte es mehr oder weniger gekonnt, bis schließlich der Bus zum Flughafen einfuhr. Noch einmal drückte ich Christa, ein wenig scherzte ich mit Jessica, dann stiegen die beiden ein und zu guter Letzt stand nur noch Dan vor dem Bus.
"Da sind wir nun."
Hinter uns räumte der Busfahrer die Gepäckstücke in den Bus.
"Erinnerst du dich daran, dass ich gestern gesagt habe, dass ich nicht sehr gut mit Verabschiedungen bin? Deswegen mache ich in solchen Situationen lieber Witze. Damit kann man alles gut überspielen."
Ja, das tat ich wirklich. Ich komme mir immer ein wenig komisch vor, wenn ich in Anwesenheit anderer große Emotionen zeigte. Selbst bei der Verabschiedung von guten Freunden scheitere ich dabei mich in Worte zu fassen oder einfach das zu sagen, was ich gerne sagen würde. Ich mag Leute nicht, die ihre Unsicherheiten mit einem Lachen überspielen, doch irgendwie bin ich zu einem gewissen Grad selbst so. Darum hatte ich mir angewöhnt zu scherzen, witzige Bemerkungen zu machen und zu versuchen die anderen zum Lachen zu bringen. Ich will nicht das jemand weint, das jemand schweren Herzens gehen muss. Allerdings nicht der anderen wegen, sondern aus Selbstschutz. Und genau deshalb hatte ich ein künstliches Lächeln aufgesetzt, um nicht zeigen zu müssen, wie es mir wirklich ging.
Einige Augenblicke standen Dan und ich vor dem Bus und scherzten herum, bis es an der Zeit war zu einem Ende zu kommen. Ein kurzer Moment verstrich, während um uns herum die Menschen liefen, die Autos fuhren und der Wind wehte. Und dann griff mich Dan und drückte mich an sich. Und so standen wir für einen Moment, der nur uns gehörte, an der Bushaltestelle vor dem Bahnhof von Soka. Wir tauschten keine großen Worte, keine Floskeln, nur diese eine Umarmung, doch gerade das rührte mich so sehr. Und so musste ich mir ein paar Tränen aus den Augenwinkeln wischen, als ich mich aus der Umarmung löste und brachte nur ein ersticktes "Eine gute Reise." hervor. Wir hatten uns nicht zufällig getroffen, fuhr es mir in diesem Moment durch den Kopf. Nicht zufällig, ja, das war es, was vor wenigen Wochen noch mein Ziel gewesen war. Und ich musste daran denken, wie ich zum Beginn des Semesters immer einem unbekannten blonden Jungen über den Weg gelaufen war. Das war Dan gewesen, ein Unbekannter, eine jener Personen am Rande der Wahrnehmung. Und immer hatten wir uns zufällig getroffen: Im Supermarkt, auf dem Weg zum Bahnhof, beim Filmsehen, beim Joggen. Es war schon zu einem kleinen Dauerwitz geworden, dass wir uns immer nur per Zufall über den Weg gelaufen waren, bis wir uns schließlich bewusst miteinander verabredet hatten ("The story of Dan and Dave"). Nun stand eben jener blonde, hochgewachsene Junge vor mir und ich war der Letzte, der ihn verabschiedet hatte. Hätte ich das damals, vor einigen Monaten wohl erwartet? Hätte ich je gedacht, dass wir wirklich einmal Freunde werden und es mir so schwer fallen würde ihn gehen zu lassen? Vermutlich nicht. Und so ließ ich ihn nicht nur mit Tränen in den Augen, sondern auch mit einem Lächeln voller Stolz gehen. Noch einmal drehte er sich um, lächelte und winkte, dann stieg auch er in den Bus zum Flughafen ein.
Für eine Weile standen Milena und ich alleine an der Bushaltestelle und blickten zu Christa, Jessica und Dan, die im Bus saßen, sich unterhielten und uns abwechselnd zuwinkten und lächelten. Milena weinte und ich drückte sie an mich, während ich meine eigenen Tränen zurückhielt. Freunde. Das waren wir geworden, wir alle. Und es zerbrach mir das Herz sie gehen zu lassen. Jeden Einzelnen von ihnen. Und so drückte ich Milena noch ein wenig fester an mich.


Bild1: Meine Freunde Dan und Jessica zusammen mit Milena.


Bild2: Meine Freudinnen Christa und Milena


Bild3: Das letzte Bild von Christa, Dan und Jessica, bevor die drei mit dem Bus zum Flughafen fuhren.

Als der Bus schließlich losfuhr, rannten Milena und ich ein Stück neben ihm her, winkten wie verrückt und schließlich mussten wir sogar lachen. Und so fuhren Christa, Jessica und Dan mit dem Bild von einer lachenden Milena und einem lachenden David im Kopf davon.
Kurz nach Sechs Uhr morgens standen Milena und ich nahe dem Bahnhof von Soka und schauten dem Bus nach, der in die Ferne fuhr. Als man ihn nicht mehr sehen konnte, ergriff ich schließlich Milena und drückte sie sanft an mich. Ihre Augen waren voller Tränen.
"Es ist Zeit zu gehen."

Nikko - Die schlafende Katze und bunte Dämonen

Der Ausflug mit Milena und Christa nach Nikko war mein Letzter und so genoss ich ihn in vollen Zügen. Schon früh am Morgen waren wir in Soka gestartet, um uns bei der Besichtigung der weitläufigen Anlagen Zeit zu lassen. Was wir nach der Besichtigung des japanischen Gartens, den berühmten drei Affen, dem Grab von Tokugawa Ieyasu und vielen anderen Dingen an diesem Tag noch sahen und erlebten, möchte ich in diesem zweiten Teil meines Berichts über Nikko präsentieren.


Bild28: Die schlafende Katze von Nikko. Sie wurde groß beworben, doch um ehrlich zu sein, habe ich noch nie von ihr gehört. Sie war über dem Tor abgebildet, das den Weg zum Grab von Tokugawa Ieyasu markiert, und ich bin dreimal an ihr vorbeigelaufen, weil sie so klein und unscheinbar direkt unter der Decke klebte.


Bild29: Gigantische Bäume erhoben sich auf diesem Areal, die zurecht als heilig verehrt wurden, wie man anhand der typischen weißen Papierstreifen sehen kann, die an Seilen um die Baumstämme hingen.


Bild30: Wie ich in einem Beitrag einmal beschrieben habe, kann in Japan Vieles als heilig verehrt werden ("Der Gott im Klo"): Nicht nur Bäume sondern auch Statuen und Steine wie man hier sieht.


Bild31: Ich musste ein wenig lachen, als ich das Schild "Keine Münzen in die heilige Quelle werfen" las und direkt daneben zahlreiche Münzen liegen sah. Entweder können einige Leute nicht lesen oder sie haben einen sehr eigensinnigen Humor. Die Quelle war übrigens auch ein heiliger Ort, der von oben vorgestellten typischen Seil mit Papierstreifen umhängt war.


Bild32: Vor dem Eingang zum letzten Gebäude thronten diese riesigen Dämonenstatuen.


Bild33: Es gab einen kleinen Aufstieg bis zum letzte Gebäude, welches sich mitten im Grün eines kleinen Hains befand. Und gerade das mochte ich an Nikko: Trotz der Überladenheit und Masse an Sehenswürdigkeiten, gab es immer wieder natürliche Natur, Pfade durch den Wald und nur wenige Schritte von den Touristenmagneten entfernt erstaunlich abgeschiedene Orte.


Bild34: Nikko ist im Gegensatz zu vielen anderen Anlagen nicht rein buddhistisch oder shintoistisch, weshalb es Ungeübten schwer fällt die Gebäude als Schreine oder Tempel zu identifizieren. Ich kann allerdings mit relativer Sicherheit sagen, dass das Gebäude auf dem Bild ein Tempel ist, da es kein ein torii als Eingang gab und überall Dämonenabbildungen zu finden waren, die im Buddhismus beheimatet sind.


Bild35: Hier sieht man einen der vielen Dämonen, diesmal in grün. Christa und ich fragten uns, ob die Körperfarbe tiefere Bedeutung hat, denn es gab Rote, Grüne, Weiße und Blaue.


Bild36: Der weiße Drache bewachte den Eingang des Tempels.


Bild37: Das letzte Gebäude war ein Meisterwerk für sich. Vielleicht mochte ich es so sehr, weil es nicht mit dutzenden von umstehenden Gebäuden konkurrieren musste, sondern nur für sich mitten im Wald stand.


Film3: Ein kurzes Video, um einen knappen Eindruck von dem Gebäude und der Atmosphäre zu geben.


Bild38: Ein prunkvolles Tor. Wohin es wohl führen mag? Ich weiß es nicht.


Bild39: Man neigt dazu an Mauern ohne Beachtung vorbei zu gehen, doch ich fand die kunstvollen Handarbeiten, die den Tempel umgaben, ebenso beeindruckend, wie den Rest der Anlage. Selbstverständlich befindet sich über jedem Mauersegment eine einzigartige Schnitzerei.


Bild40: Der Weg aus der Anlage war gesäumt von Kies und metallenen Laternen.


Bild41: Zum Abschluss schoss ich ein Bild von einem weiteren roten Dämonen. Danach verließen wir nach knapp fünf Stunden das riesige Tempelareal von Nikko.


Bild42: Auf dem Rückweg zum Bahnhof kamen wir an diesem kleinen Schrein vorbei, den ich unbedingt fotografieren musste, da ich von den vielen Aufklebern ganz angetan war.


Bild43: Christa nickte auf der mehr als zweistündigen Rückfahrt ein, während Milena und ich Bilder von der Landschaft schossen.


Bild44: Kommt man einmal aus Tokyo heraus, sieht man erst wie bergig Japan eigentlich ist. Zudem konnte man ein grünes Reisfeld nach dem anderen betrachten. Nicht umsonst wird der Norden Japans als die "Reiskammer Japans" bezeichnet.


Bild45: Es war einmal eine andere Kulisse: Keine Wolkenkratzer, keine weitläufigen Anlagen, keine Sehenswürdigkeiten, einfach nur ein kleines Dorf neben dem anderen in der Weite Japans.


Bild46: Es war wie Fernsehen, als ich stundenlang am Fenster klebte und nach draußen schaute.


Bild47: Irgendwann näherte sich die Sonne dem Horizont und mein 326. Tag in Japan kam allmählich dem Ende entgegen, während Christa, Milena und ich noch immer im Zug saßen.

Freitag, 7. August 2009

Nikko - Drei Affen, zwei Elefanten und ein Shogun

Als ich noch vor meinem Jahr in Japan überlegte, wo ich überall hinreisen könnte, war Nikko einer meiner ersten Einfälle. Dennoch komme ich erst nun, eine Woche vor meiner Abreise, dazu mir jene kleine Siedlung in den Bergen anzusehen, nach der ich mich schon seit über einem Jahr gesehnt habe. Dabei war mir Nikko keinesfalls entfallen, irgendwie kam mir nur immer irgendetwas dazwischen. Schon während der golden week wollte ich nach Nikko, doch damals war ich abgesprungen, weil ich den begründeten Verdacht hatte, dass mir der Ausflug nicht zusagen würde ("Freitags vom Montag lernen"). Und auch vor einer Woche wäre ich beinahe mit Christa und Milena zusammen hingefahren, letztlich entschieden wir uns wegen des schlechten Wetters aber dagegen ("Willkommen in den Philippinen!"). Doch heute, Tag 326 in Japan, war es nun wirklich so weit. Mit meinen Freunden Milena und Christa fuhr ich in aller Frühe am Bahnhof von Soka ab, durchquerte zwei Präfekturen und erreichte nach mehr als zwei Stunden endlich Nikko.


Bild1: Ein Blick auf das überschaubare Nikko nach dem Verlassen des winzigen Bahnhofs.


Bild2: Es ist eine ziemlich bekannte Brücke, die sich mitten in Nikko über einen kleinen Fluss erstreckt, doch auch wenn ich nichts über sie sagen kann, gibt sie doch ein wunderschönes Fotomotiv ab.


Bild3: Ich mochte die alten, moosbewachsenen Steinmauern, die wir nahe dem Eingang der weitläufigen Schrein- und Tempelanlage fanden.


Bild4: Ein Drachenbrunnen, der auf einem Parkplatz stand.


Bild5: In unserem Ticket war, abgesehen von den normalen Anlagen, der Besuch eines japanischen Gartens inbegriffen, durch den wir auch sogleich spazierten. Hier ein Blick auf ein Teehaus an einem kleinen See.


Bild6: Ich werde die moosbedeckten Böden in Japan vermissen.


Bild7: Eindrücke vom japanische Garten in Nikko.


Bild8: Dies war das torii vor der Hauptanlage. Eigentlich lagen zwischen dem Besuch des Gartens und der Hauptanlage noch zwei andere Gebäude, die wir besuchten, doch dort war das Fotografieren verboten. Ich glaube es war das erste Mal, das ich es in Japan erlebt habe, dass das Fotografieren komplett verboten war.


Film1: Ein Rundblick auf einen Teil des Geländes der Hauptanlage. Man kann die zahlreichen Gebäude sehen, von denen eines kunstvoller ist, als das andere.


Bild9: Ein Blick auf einige der Gebäude. Am First des rechten Gebäudes sieht man die zwei Elefanten (Bild11).


Bild10: Für diese Abbildung ist Nikko weltberühmt geworden: Die drei Affen, die nichts Böses hören, nichts Böses sagen und nichts Böses sehen. Ich denke jeder hat einmal von ihnen gehört.


Film2: Ich frage mich, warum wohl nur eines der fünf Affenbilder so populär geworden ist, denn wie man in diesem Video sehen kann, gibt es noch vier andere.


Bild11: Die zwei Elefanten am First des Speicherhauses. Ich habe sie fotografiert, weil sie mir gefielen, offensichtlich scheinen sie aber ziemlich bekannt zu sein. Es gibt so Vieles zu sehen in Nikko, dass es unmöglich ist, sich auf jede Sehenswürdigkeit vorzubereiten.


Bild12: Der Aufweg zu den inneren Schreinanlagen. Vielleicht gibt dieses Bild einen kleinen Eindruck davon wie weitläufig dieses Gebiet ist, an dem in jeder Ecke ein Kunstwerk nach dem anderen steht.


Bild13: Selbst die Metalllaternen sind kunstvoll verziert, um sich dem Prunk der Umgebung anzupassen.


Bild14: Ein eindrucksvolles, kompaktes Gebäude umringt von moosbewachsenen Steinlaternen.


Bild15: Selbst die Außenmauer waren ein einziges Kunstwerk: Eine Schnitzerei reihte sich an die nächste. Solch ein Prunk ist eigentlich sehr ungewöhnlich für japanischen Kultstätten. Wer noch einmal zu den diversen Beiträgen über Kyoto blättert, sich die Bilder zu Nara oder Kamakura ansieht, wird sicherlich den Unterschied bemerken.


Bild16: Steinerne Abbilder von Löwen an den Wänden des Toushou-Schreins im Herzen der Anlage von Nikko.


Bild17: Unter den Dächern fand man unzählige Schnitzereien und Abbildungen, wie beispielsweise diese drei Herren. Ob sie wohl auf einen japanischen Mythos, eine Erzählung oder ein Sprichwort anspielen?


Bild18: Schon an vielen Orten in Japan ist mir aufgefallen, dass jeweils zwei Löwenstatuen den Eingang zu Schreinen bewachen. Ein Mund ist stets geschlossen...


Bild19: ...und einer stets geöffnet. Ich habe bis heute nicht herausgefunden, was es damit auf sich hat.


Bild20: Eine weitere Schnitzerei unter einem der zahlreichen Dächer. Man könnte Tage damit verbringen jede einzelne Statue, jede Abbildung und jede Schnitzerei zu betrachten oder gar zu fotografieren.


Bild21: Löwen, Drachen und allerlei andere Schnitzereien und Figuren. Die Dächer waren so voller Kunstwerke, dass es für meinen Geschmack schon zu überladen war.


Bild22: Ein Blick auf das gesamte Tor, von dem das vorangehende Foto stammt. Es besteht wirklich nur aus Prunk und Verzierungen wohin das Auge blickt.


Bild23: Dieses Gebäude wird zwar gerade renoviert, dennoch kann man erahnen wie beeindruckend es aussehen muss.


Bild24: mikoshi heißen die tragbare Schreine, die in Japan bei zahlreichen Festivals durch die Straßen getragen werden. Einen Kleinen sah ich in Asakusa, als ich mich mit meiner Freundin Nathalie traf ("Das Wiedersehen").


Bild25: Wozu all den Prunk? Die Antwort befindet sich jenseits des Trubels auf einer kleinen Anhöhe, die man über diesen Weg erreichte.


Bild26: Bewacht von zwei Löwen und verschlossen hinter einem kunstvollen Tor liegt die Antwort.


Bild27: Und hier, jenseits des Trubels, inmitten der Ruhe des Waldes, ruhen die Überreste von Tokugawa Ieyasu, jener Person, die vor rund 400 Jahren Japan einigte und sich selbst zum ersten Herrscher über Gesamtjapan erhob. Ein Name den hier jeder kennt: Tokugawa Ieyasu, der erste Shogun Japans.