Montag, 29. Dezember 2008

Sazae-san & Maruko-chan, hagoita & shouchuu

Es ist Tag 96 in Japan und bereits beim Aufstehen musste ich daran denken, dass mich heute die zwei Präsentationen erwarteten, zu denen ich mich vor rund drei Wochen angemeldet hatte (Ausländer ködern). Bereits kurz nach der Anmeldung hatte ich mich gefragt, ob ich es nicht bereuen würde einen ganzen Nachmittag jenen Präsentationen zu widmen, über deren Werbung ich mich bereits im Vorfeld aufgeregt hatte. Aber nun war es zu spät und ich musste in den sauren Apfel beißen.
Nachdem ich mich fertig gemacht hatte, lief ich aus dem Wohnheim und traf auf dem Weg zur Uni auf Andrew. Andrew? Das ist ein Kanadier, der ebenfalls in meinem Wohnheim wohnt. Ich habe ihn ein paarmal getroffen und er ist immer sehr freundlich, aber wirklich viel zu tun miteinander, hatten wir dennoch nie. Erst auf dem Weg zur Uni unterhielten wir uns zum ersten Mal. Wie sich herausstellte, musste auch er heute zu den Präsentationen gehen, obwohl er mittlerweile genauso wenig Lust hatte, wie ich. So liefen wir zusammen zur Dokkyo-Universität und ließen uns ein wenig über die anstehende Präsentation, sowie unseren Sprachkurs aus.


Bild1: Ein Bild von Andrew, dem Kanadier, hier rechts im Bild.


Heute hat offiziell die letzte Unterrichtswoche begonnen, da wir nur noch bis einschließlich nächste Woche Dienstag Unterricht haben und danach in die Winterferien entlassen werden. Da wir heute somit das letzte Mal Unterricht bei Frau Sakatani am Mittwoch hatten, ließ sie es sich nicht nehmen den Lernstoff ein wenig schneller und oberflächlicher durchzuarbeiten, um in der dritten Stunde gemeinsam mit uns eine japanische Zeichentrickserie zu schauen. Erwartungsvoll blickte sie in die Runde, als sie uns fragte, ob denn schon einmal jemand von "Chibi Maruko-chan" (Die kleine Maruko) oder "Sazae-san" (Frau Sazae) gehört hätte. Stille. Frau Sakatani war ein wenig verblüfft, waren "Chibi Maruko-chan" und "Sazae-san" doch schließlich japanische Kultserien, wobei erstere seit über zwanzig Jahren, letztere sogar seit fast siebzig Jahren im Fernsehen läuft. Und so zeigte sie uns begeistert zwei Episoden von "Chibi Maruko-chan", einer Serie, die sich um das Alltagsleben eines kleinen Mädchens namens Maruko dreht, und eine Episode von "Sazae-san", welche um das Alltagsleben der jungen Mutter, Frau Sazae, kreist. Es waren beides eher Kinderserien, dennoch war das Hörverstehen sehr schwer. Vielleicht auch gerade WEIL es Kinderserien waren. Im Großen und Ganzen habe ich aber dennoch das Geschehen verfolgen können und musste einige Male herzhaft lachen. Frau Sakatani schien sehr zufrieden zu sein uns ein wenig japanisches Kulturgut näher gebracht zu haben und entließ uns schließlich freudig mit den besten Wünschen fürs nächste Jahr aus dem Unterricht.


Bild2: Ein Bild zur Serie "Chibi Maruko-chan", welche wir im Unterricht von Frau Sakatani sahen. Die kleine Maruko ist ganz vorne.


Bild3: Die Familie von Frau Sazae aus der Serie "Sazae-san", welche bereits seit den 40er Jahren in Japan läuft und über 1900 Episoden hat. Frau Sazae ist ganz links im Bild.


Nach dem Unterricht hatte ich mich mit Lee vor der Bibliothek verabredet, um gemeinsam zu den beiden Präsentationen zu gehen, auf die wir uns beide nicht wirklich freuten. Während ich dort stand, traf ich wieder auf Andrew und plaudernd warteten wir gemeinsam inmitten von herum eilenden japanischen Studenten auf Lee. Als sie kam, gingen wir gemeinsam zu dem Raum, in welchem die Präsentationen stattfanden, schrieben unseren Namen auf ein Namensschildchen und setzten uns erwartungsvoll hin. Ich hatte erwartet einer von vielen Gästen bei dem Vortrag zu sein, aber zu meiner Überraschung kamen lediglich ein paar andere ausländische Studierende, die sich scherzend hinter Lee und mich setzten. Japanische Zuhörer gab es keine. Nachdem man uns alle ein wenig warte ließ, begann schließlich gegen 15.15 Uhr die erste Referentin ihren Vortrag über shouchuu.
Auf der einleitenden Folie prangte groß der Untertitel "spirit of Japan" und Lee und ich hatten uns auf Präsentation bezüglich irgendeines religiösen Themas eingestellt, schließlich wussten wir beide nicht so recht, was shouchuu eigentlich genau war. Um so überraschter waren wir, als die Referentin eine Flasche japanischen Schnaps auf den Tisch knallte und sagte: "Das ist shouchuu!". Denn "spirit of Japan" hieß nämlich nichts anderes als "japanische Spirituosen". Das Mädchen gab eine knappe Einführung in das Thema. Eigentlich nicht schlecht, aber für eine Abschlusspräsentation, was es ja sein sollte, doch ziemlich mager. Irgendwann unterbrach sie ihren Vortrag für eine Schnapsprobe, um all die vorgestellten Spirituosen einmal praktisch vorzuführen. Lee und ich saßen peinlich berührt vor den kleinen Schnapsgläschen, die uns ausgeteilt wurden, und versuchten sie möglichst unauffällig an die nächstbeste Person weiterzugeben, um nicht selbst den Alkohol trinken zu müssen. Irgendwie klappte es auch und nachdem fünf Runden Schnaps ausgegeben wurden, saßen wir beide immer noch vollkommen nüchtern auf unseren Plätzen. Ein wenig peinlich wurde es dann, als die Referentin mich und Lee fragte, welchen shouchuu wir denn am besten fanden. Da drucksten wir ein wenig herum, und taten so als wären wir uns unschlüssig. Das schien aber auch zu genügen, denn sie wendete sich von uns ab und begann die anderen Studenten zu befragen.
Der zweite Vortrag handelte von hagoita, einer Art Federballspiel, welches mit kleinen Holzschlägern gespielt wird. Insgesamt wurde die Präsentation von der Referentin wie ein großes Quiz gestaltet, denn alle paar Minuten wurde eine Frage gestellt, bei deren richtiger Beantwortung man einen Punkt erhielt, weshalb ich während des Vortrages fleißig zuhörte und eifrig Punkte (immerhin zwei von drei) sammelte. Es wurde erzählt, dass es in Japan als ein Zeichen von Pech gilt, wenn man etwas fallen lässt. Dieses Pech wendet man dadurch ab, dass man den Menschen, die vom Pech verfolgt sind, Tinte ins Gesicht schmiert. Auf hagoita übertragen, hieß dies, dass der Verlierer sich Tinte ins Gesicht schmieren lassen musste, wenn er den Ball fallen ließ. Und natürlich mussten wir Zuhörer dies alles auch einmal selbst erleben, um alles richtig verstehen zu können. Darum saßen wir eine Zeit lang am Tisch und bastelten unseren eigenen Schläger, indem wir Bildchen, und farbiges Papier auf einen kleinen Pappschläger klebten. Das Ergebnis wurde dann von den anderen bewertet und man konnte erneut Punkte erhalten, wenn andere den gestalteten Schläger als "schönsten Schläger" bewerteten. So erhielt ich sogar zwei Punkte, jeweils von Lee und Andrew, bevor ich mit Lee gemeinsam hagoita spielte. Glücklicherweise durften wir anstellen von Tinte blaue Aufkleber ins Gesicht kleben, wenn uns der Ball herunterfiel. Nichtsdestotrotz stellten Lee und ich fest, dass wir vom Pech verfolgt sein müssen, da uns der Ball in den etwa fünf Minuten genau 32mal herunterfiel. Und so hatte schließlich jeder von uns exakt sechzehn blaue Punkte im Gesicht kleben, als der Vortrag schließlich vorbei war.



Bild4: Mein prämierter Schläger für das hagoita-Spiel.


Bild5: Ich habe den Ball 16mal fallen gelassen, darum habe ich 16 Punkte im Gesicht.



Video1: Lee präsentiert mit sechzehn Punkten im Gesicht ihren selbstgestalteten Schläger.

2 Kommentare:

H. hat gesagt…

Haha, das sind ja mal kreative Präsentationen gewesen mit voller Einbeziehung des Publikums :-)
So wurde es euch wenigstens nicht langweilig.

David Kraft hat gesagt…

Haha, für meinen Geschmack hätte es auch ein wenig weniger Einbeziehung des Publikums sein können, vor allem bei dem ständigem Nachfragen zu dem Geschmack des Alkohols.
Aber an sich waren es ja ganz nette Präsentationen. Manchmal wünschte ich mir, dass einige Professoren ihre Zuhörer auch ein wenig mehr einbeziehen würden...