Sonntag, 7. Dezember 2008

Ausländer ködern

Als Student ist man es gewohnt, dass an der Universität hin und wieder spezielle Veranstaltungen angeboten werden. So gibt es eine reichhaltige Palette an Zusammentreffen, die von ausschweifenden Parties, über politische Hetzveranstaltungen von extremen Burschenschaften bis hin zu speziellen Gastvorträgen von berühmten Professoren reichen. Aufmerksam auf solche Veranstaltungen wird man durch Aushänge, Flugblätter, Plakate, Ankündigungen von Dozenten oder Mundpropaganda. Und wer Interesse an einem Vortrag über die wirtschaftlichen Auswirkungen der Globalisierung auf Kleinunternehmen, einer Ausstellung über Bildnisse Buddhas in Indien oder einer Filmreihe über Menschenrechte in verschiedenen Ländern hat, der geht aus Interesse dort hin.
Entgegen meiner Erfahrungen in Deutschland, ergeht es mir als ausländischer Student an der Dokkyo-Universität ein wenig anders. Bisher wurde nämlich weniger mit dem Inhalt geworben, sondern vollkommen offensichtlich mit dem Drumherum geködert. So wird nicht wie in Deutschland üblich eine breite Palette an Angeboten offeriert, aus der sich jeder nach Interesse dann etwas herauspickt, sondern ganz platt mit Belohnungen geködert, um ein möglichst großes Publikum anzulocken. So erinnere ich mich noch an die Willkommensfeier an der Dokkyo-Universität (Mein erster Schultag) oder an die "Lasst uns japanisch sprechen"-Party (Pakete, Partys, Peinlichkeiten), zu der wir vollkommen offensichtlich mit Essen geködert wurden. Niemand warb damit, dass sich die Möglichkeit bot japanisch zu sprechen oder Freunde zu finden, sondern nur damit, dass es freien Eintritt und ein kostenloses Buffet für uns Ausländer gäbe. Nun könnte man sagen, dass dies vielleicht an der Art der Veranstaltung lag, da Partys nicht unbedingt besonders inhaltsreiche Veranstaltungen sind, doch als heute zwei junge Japanerinnen in unserem Unterricht kamen, um für eine Vortragsreihe über japanische Kultur zu werben, war die plumpe Köderung der ausländischen Studenten nur allzu offensichtlich.
Als die beiden Mädchen den Raum betraten, wirkten sie noch recht normal, nämlich so wie man sich zwei Studentinnen vorstellt, die sich in der finalen Phase ihres Studiums befinden und für einen ihrer abschließenden Vorträge um eine große Zuhörerschaft bitten. War ich anfangs sehr positiv überrascht, dass die beiden Mädchen zunächst nur mit dem Inhalt ihrer Themen warben, so sanken meine Mundwinkel binnen weniger Sekunden nach unten, als die Mädchen plötzlich kundgaben, dass jeder Zuhörer auch gratis Kostproben japanischen Alkohols erhalten würde. Ich fragte mich warum sie denn nicht einfach nur den Vortrag ankündigen konnten, als die Mädchen weiterredeten und gleich noch zu einer anschließenden Party einluden, bei der sich Japaner und Ausländer bei einem feucht-fröhlichen Trinkgelage (es wurde mal wieder der japanische Alkohol beworben) näher kommen sollten. Und so degradierten die Mädchen ihren eigenen Vortrag immer mehr, bis es letztlich nur noch den Anschein hatte, dass es eine Party gäbe, der noch ein unwichtiger Vortrag vorangestellt sei, den man sicher aber mit Alkohol schön trinken könne. Ich warf einen Blick zu Katharina, die mich anschaute und nur meinte, das der Vortrag an sich ja interessant klinge, das Drumherum nur eben vollkommen überbetont sei.
Ein wenig verärgert über diese offensichtliche Köderung war ich schon, denn unweigerlich fühlt man sich als ausländischer Studierender auf einen alkoholsaufendes, partysüchtiges Hormonbündel reduziert, dass keinerlei Interesse an Land und Kultur hat. An allen Enden und Ecken wird man mit Partys, Essen und Alkohol geködert, obwohl man doch genauso gut mit interessanten Themen werben könnte. Aber die Vorstellung, dass man Ausländer nicht mit Inhalt, sondern nur mit Materiellem anlocken kann, scheint leider schon sehr verbreitet zu sein und ich frage mich, ob es hier jemals ein offizielle Angebot geben wird, bei dem ich nicht offensichtlich mit einem kostenlosen Buffet oder hübschen Japanerinnen geködert werde. Vielleicht geschieht es ja noch, allerdings sinkt meine Hoffnung mit jeder neuen Veranstaltung zu der wir ausländischen Studierenden lediglich mit Äusserlichkeiten und Banalitäten gelockt werden.

3 Kommentare:

michi hat gesagt…

Beim Dokkyo-Festival ging es doch auch nur darum mit möglichst auffälligen Kostümen, Ständen oder Werbesprüchen möglichst viele Kunden anzulocken, ne?
Das scheint also kein Bild zu sein, was sie nur von ausländischen Studierenden haben und keine Masche die sie nur bei ihnen benutzen, oder?
Und mal Hand aufs Herz: Wenn du dich und vlt. noch 10 bis 30% der Bevölkerung ausblendest, ist dann nicht der Rest auch genauso wie dus beschreibst? Das mag vlt. traurig sein, aber angenommen du wuerdest hier bei uns in einen großen Hörsaal mit 500 Leuten gehn und sagen dass nach der Vorlesung draußen Freibier verteilt wird, dann würden doch mind. 400 Leute gröhlen, applaudieren und schon vor dem Vorlesungsende rausrennen. Das ist die Sache mit der kollektiven Dummheit ;)

David Kraft hat gesagt…
Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.
David Kraft hat gesagt…

Es ging mir ja eher darum zu zeigen, dass hier an der Dokkyo bei vielen Veranstaltungen das Drumherum beworben wird, anstelle des Inhalts. Aus Marburg kenne ich das gar nicht. Da wird höchstens gesagt "Dieser Professor hat wirklich einen sehr mitreißenden Vortragsstil!".
Aber natürlich konnte ich nur aus der Sicht von uns ausländischen Studierenden berichten, da dies die einzige Perspektive ist, die ich hier einnehmen kann. Vielleicht werden all die Veranstaltungen zu denen ich eingeladen wurde vor japanischen Studenten viel sachlicher und inhaltsbetonter beworben, wer weiß...