Freitag, 27. Februar 2009

Japan in Bildern (4)

Ich habe sie lieb gewonnen, meine ausgiebigen Spaziergänge durch Soka. Man kann so viele Dinge erleben und entdecken, wenn man sich nur ein paar Stunden Zeit nimmt und einfach durch die Gegend läuft. Nicht auf der Suche nach etwas, nicht an einer Route orientiert, sondern einfach der Nase nach, mal links, mal rechts und dann wieder eine Weile lang geradeaus. Ob man dabei durch Wohngebiete läuft, durch Parks, vorbei an Einkaufshäusern, Industriegebieten oder Feldern, es ist ganz egal, denn was man sieht ist einfach nur eine ganz normale Vorstadt in Japan. Keines jener Zentren, die man aus den Reiseführern kennt, und auch keine Gegend, die an den Besuch von Ausländern gewohnt ist. Und so hat man jedes Mal das Gefühl etwas Neues zu entdecken, Japan ganz nah zu erleben.
Mittlerweile ist bereits Tag 152 in Japan und schon den ganzen Vormittag schien die Sonne strahlend in mein Fenster hinein, weshalb ich den Mittag nicht einfach nur in meinem Zimmer sitzen konnte. Und so zog ich mir meine Schuhe an, schlüpfte in meine Jacke, zog meine Mütze auf und ging hinaus in die frühlingshafte Frische, um dorthin zu laufen, wo mich meine Nase hinführte. Über Kreuzungen, durch kleine Gässchen, entlang an Häuserketten. Und so fotografierte ich einfach das, was mir vor die Linse kam, keine Sehenswürdigkeiten und auch keine gestellten Szenerien, einfach nur eine gewöhnliche japanische Vorstadt zur Mittagszeit. Hier sind einige der Bilder von meiner Erkundungstour durch Soka:


Bild1: Eine Straße irgendwo in Soka. Die Häuser zur Rechten sehen so aus, als würden sie jeden Moment zusammenfallen. Es gibt nicht nur Prunk und Glanz, sondern auch Verfall und Armut. Im Gegensatz zu deutschen Vorstadtgebieten wirkt hier vieles sehr ländlich.


Bild2: Das Huhn unter dem Korb. Eine ganze Weile lang hörte ich Gegacker, als ich durch die Straßen und Gässchen lief, bis ich in dem kleinen Vorhof eines Hauses eine kleine Hühnerzucht entdeckte. Rund eine Handvoll Hühner waren in ihren Holzkäfigen, die man im Hintergrund sehen kann, eingesperrt, während ein Huhn ganz prominent in der Mitte der Einfahrt unter einem wahrscheinlich selbstgebastelten Korb gefangen war und besonders laut gackerte.


Bild3: Hin und wieder kommt man auch an solchen Häusern vorbei: Traditionelle Bauten von reicheren Familien, die oftmals von gepflegten Gärten umgeben sind.


Bild4: Das Wohngebiet war von zahlreichen engen Fußwegen durchzogen, die Abkürzungen zu nahliegenden Einkaufsmärkten oder Hintereingänge zu verschiedenen Häusern boten. Menschen sah ich in diesen Gassen an diesem Tag nur selten. Dafür aber sah ich einige Katzen herumstrolchen, die aber immer das Weite suchten, sobald ich mich näherte.


Bild5: Auch in Japan gibt es Wahlwerbeplakate der verschiedenen Parteien und Kandidaten. Ich fand es amüsant, dass die beiden Parteien Koumeitou (in der Mitte) und Minshutou (rechts) fast mit dem gleichen Wahlspruch warben. Während die Koumeitou nämlich mit dem Spruch "Die Koumeitou steht für die Absicherung des Lebensstandards ein." warb, stand auf dem Plakat der Minshutou direkt daneben."Der Lebensstandard hat oberste Priorität.". Ganz links wirbt übrigens die Kommunistische Partei Japans mit dem wenig konkreten Slogan "Den Inhalt der Politik ändern.".


Bild6: Es ist noch Mitte Februar, doch einige Bäume stehe bereits in voller Blüte. Vor allem die kräftigen Farben der Blüten dieses Baumes habe es mir angetan. Welche Baumart dies genau ist, weiß ich allerdings nicht.


Bild7: Ein Blick in eine Straße in einem japanischen Wohngebiet. Jedes Haus versucht die paar Quadratmeter Gartenfläche bestmöglich zu nutzen. Jeder pflanzt ganz nach einigen Vorlieben, weshalb man erst an einem Laubbaum, dann an einer Palme und schließlich an einem Nadelbaum vorüberläuft. Ich bin jedes Mal von neuem fasziniert von diesen Kombinationen. Es ist erstaunlich wie grün bereits alle Vorgärten sind.


Bild8: Diese japanischen Verkaufsautomaten sieht man überall in Japan: Vor Supermärkten, an Straßenecken in Wohngebieten oder sogar auf dem Unigelände. Angeboten wird allerlei, aber vor allem Getränke wie hier im Vordergrund. Einige Male habe ich aber auch schon Automaten für Zigaretten und Snacks gesehen. Im Sprachunterricht hat eine Lehrerin einmal lachend über all jene Arten von Automaten erzählt, die sie während ihrer Reisen durch Japan entdeckt hat. Darunter Automaten für Medikamente oder auch Blumensträuße.


Bild9: Ein wunderschön blühender Pflaumenbaum in einem japanischen Vorgarten.


Bild10: Diese Bäume sieht man oft in japanischen Gärten. Häufig sieht man im Geäst Stangen, die die Äste des Baumes in die gewünschte Richtung drücken oder einfach nur stützen, damit der Baum mit den Jahren die gewünschte Form annimmt.


Bild11: Und auch hier, wie schon in einigen Beiträgen zuvor angemerkt: Mitten in den Wohngebieten erstrecken sich brachliegende Felder, manchmal mit kleinen Beeten oder Äckern, doch öfter ungenutzt und verwildert.


Bild12: Manchmal bin ich überrascht wie neben einer heruntergekommenen Schabracke ein großes, wohlgepflegtes Gut liegt, daneben wiederum ein gewöhnliches Reihenhaus, dann ein kleines Geschäft und zu guter letzt ein Acker. Hier eines der wenigen Häuser mit einem großen Garten, welches inmitten einer Menge von Reihenhäusern lag. Die Hecken, Bäume und Sträucher sind sorgfältig geschnitten und alles wirkt überaus gepflegt.


Bild13: Ist dies eine Zitrusfrucht, die ich nicht kenne, oder nur eine verschrumpelte Orange? Ich weiß es nicht.


Bild14: Auf dem Rückweg kam ich an jenem Supermarkt vorbei, der in unmittelbarer Nähe des Wohnheims liegt. Es ist Y-Value, der Supermarkt, den ich immer gerne als japanischen tegut bezeichne, da er ein wenig teuer ist als die anderen Einkaufsmärkte, aber stets frisches hochqualitatives Gemüse und Obst im Angebot hat. Hier kaufe ich mir abends manchmal meine Sushi-Sets ein.

Wettrennen mit Yosuke

Dass ich nicht viel von meinem Mitbewohner Yosuke schreibe, heißt nicht, dass wir uns nicht gut verstehen. Eigentlich verstehen wir und nämlich ziemlich gut. Zugegebenermaßen unternehmen wir nichts zusammen, gehen nicht aus, schauen uns keine Sehenswürdigkeiten an und sind während der Vorlesungszeit nicht einmal gemeinsam zur Universität gelaufen, dennoch gehen wir uns auch nicht bewusst aus dem Weg. Manchmal gibt es Tage, da läuft man einfach immer aneinander vorbei, da weiß man, dass noch jemand anderes in der Wohnung ist, aber man stört den anderen nicht und bleibt auch selbst ungestört ("Der unsichtbare Mitbewohner"). Dann gibt es aber auch Tage an denen Yosuke und ich uns jedes Mal über den Weg laufen, wenn wir in die Küche gehen. Dann unterhalten wir uns über seltsame Rechnungen, die wir per Post bekommen haben, die Dinge, die wir unter der Woche erlebt haben, darüber wer die nächste Box mit Waschmittel holen muss oder zeigen uns Fotos von Sehenswürdigkeiten, bei denen wir waren. Wir kochen nicht gemeinsam, wünschen uns aber immer einen guten Appetit, wir gehen nicht zusammen weg, verabschieden und grüßen den anderen aber immer, wir erzählen uns nichts über unser Privatleben, diskutieren aber über unser Studium und Berufsaussichten, wir lernen nicht zusammen, schicken uns aber Links von Internetseiten zu, die sich zum Lernen anbieten. Als Freund würde ich Yosuke nicht beschreiben, aber sicher auch nicht als Fremden. Und so ist er jemand, den ich recht treffend mit "Mitbewohner" umschreiben würde. Und damit meine ich nicht jene Art von Mitbewohner, die sich so verkriecht und abschottet, so dass es ein Fremder ist, aber auch nicht jenen Mitbewohner, mit dem man seine Probleme bespricht, abends gemeinsam Filme schaut oder zusammen Freunde einlädt. Nein, er ist einfach nur ein ganz normaler Mitbewohner, mit dem man manchmal abends in der Küche steht und sich unterhält, den man ans Fenster ruft, wenn es einen schönen Sonnenuntergang gibt, mit dem man gemeinsam über einem verstopften Abfluss grübelt, dem man ein paar Süßigkeiten aus Deutschland gibt, wenn man mal wieder ein Paket erhalten hat und den man mal um Rat fragt, wenn man Hilfe braucht.
Nach meinem anstrengenden Tagesausflug am Wochenende war ich am Montag, Tag 150 in Japan, immer noch vollkommen erschöpft und hatte Muskelkater in Rücken und Beinen, weshalb ich den Tag recht bequem in Jogginghose und T-Shirt in der Wohnung verbrachte und keine Fuß vor die Tür setzte. Was macht man an solchen Tagen? Nun, man lernt, sitzt am Computer, kocht und schreibt für das Blog. Zumindest tat ich dies bis Yosuke und ich beschlossen gegeneinander Autorennen zu fahren. Wie? Ganz einfach: Da Yosuke seinen eigenen Nintendo DS hatte, konnten wir seine tragbaren Spielekonsolen mit meinem Nintendo DS, den ich mir zu Weihnachten gekauft hatte ("NintendoMania"), verlinken und gegeneinander Mario Kart für den Nintendo DS spielen. Und so standen wir fast eine Stunde lang in der Tür von Yosukes Zimmer und fuhren mit unseren kunterbunten Karts durch tropische Dschungel, über Inselketten, durch Geisterhäuser durch Hafenstädte. Und obwohl Yosuke das Spiel schon seit Monaten hatte und ich das erste Mal spielte, lieferten wir uns oftmals ein spannendes Kopf-an-Kopf-Rennen um den ersten Platz. Letztlich gewann Yosuke unser kleines Tunier, doch darauf kam es am Ende gar nicht an, denn in Erinnerung geblieben sind mir keine Bestzeiten, keine erreichten Punkte und kein Platz auf dem Siegertreppchen, sondern ein amüsanter Nachmittag mit meinem Mitbewohner Yosuke.

Donnerstag, 26. Februar 2009

Downtown Medley - Harajuku, Shinjuku und zurück

Ausgerüstet mit Essen, Trinken, Reiseführer und Kamera war ich am Vormittag meines 148. Tages in Japan mit der Bahn quer durch Tokyo bis zum Stadtteil Omotesandou gefahren. Von dort aus lief ich in die überfüllten Gassen von Shibuya, einem der bekanntesten Vergnügungsviertel in Tokyo. Nach dem anstrengenden Trubel besichtigte ich jene Teile Shibuyas, die man als Tourist eher selten zu Gesicht bekommt: Die engen, menschenleeren Gässchen, die Parkanlagen, in denen Obdachlose hausen, Sportplätze oder das Gebäude, in dem sich die Studios von NHK, dem bekanntesten Fernsehsender Japans, befinden. Daraufhin genoss ich einen ausgiebigen Spaziergang durch den weitläufigen Yoyogipark, der wie eine ruhige Insel inmitten der Geschäftigkeit Japans schwimmt, bevor ich mich einmal mehr auf den Weg in das kunterbunte Treiben Tokyos machte. Dieser dritte und letzte Beitrag beschreibt meines Ausflugs durch die Einkaufs- und Vergnügungszentren Tokyos: Harajuku und Shinjuku, bis die Nacht hereinbrach und ich erschöpft nach Soka zurückkehrte.


Bild36: Willkommen in Harajuku. Die Straßen sind bereits merklich voller und die Menschen um mich herum sind wieder vermehrt bewusst stylisch gekleidet.


Bild37: Man erahnt bereits wie gefüllt die Straßen noch werden, doch interessanter ist die vermehrte Werbung, die man sieht, ähnlich wie in Shibuya. Allerdings sind es diesmal nicht die auffälligen Leuchtreklamen oder riesigen Banner, die Werbung ist eher dezenter und wirbt vorallem mit Labels und Markennamen. Insgesamt wirkt Harajuku somit ein wenig gehobener als noch Shibuya.


Bild38: So gestaltete sich ein Großteil meiner Zeit in Harajuku: Dem zähen Fluss von Menschen folgen, der sich bis zum Horizont erstreckte, während ich gelegentliche Blicke in die Geschäfte oder Läden warf. Zeit zum Stehenbleiben und Fotografieren blieb mir nicht, weshalb ich nur während des Laufens versuchsweise ein paar Bilder schoss, die oftmals aber verwackelten. Und so ist dies eine der wenigen Erinnerungen an die überfüllten Gehwege Harajukus.


Bild39: Ein wenig abseits in den kleineren Seitenstraßen sieht Harajuku dann wieder so aus wie man es bereits aus den Seitenstraßen Shibuyas kennt: Wege gesäumt von Geschäften, die versuchen mit knalligen Werbeschildern und Bannern auf sich aufmerksam zu machen. Und da sich somit nichts viel Neues bot, lief ich eine ganze Weile lang zu Fuß durch Tokyo in Richtung des Stadtteils Shinjuku, der den Abschluss meiner Tour bilden sollte.


Bild40: Einer meiner ersten Blicke auf Shinjuku, nachdem ich rund eine halbe Stunde lang entlang einer Hauptstraße gelaufen war, die die beiden Zentren Harajuku und Shinjuku miteinander verband. Nach dieser endlos scheinenden Wanderung durch ein menschenleeres und vollkommen uninteressantes Stadtgebiet Tokyos, war ich erleichtert endlich wieder auf Menschen zu treffen. An den Lichtverhältnissen kann man bereits erahnen, dass die Sonne bereits sehr tief stand und schon bald die Nacht hereinbrechen würde.


Bild41: Während ich durch Shinjuku lief, kam ich an genau jenem Kino vorbei, in dem ich mir vor wenigen Monaten mit der Deutschstudentin Ayano die Filme "Clara Schumann" und "Krabat" angesehen hatte. Mittlerweile studiert Ayano im Ausland an einer Universität in Wien.


Bild42: In Shinjuku werden Distrikte nach Häuserblocks (choume) benannt, weshalb ich auf dem Weg zum Bahnhof durch Shinjuku-3-choume, Shinjuku-2-choume und schließlich Shinjuku-1-choume lief. Das Bild zeigt Shinjuku-2-choume, das auch gerne als Schwulen- und Lesbenviertel bezeichnet wird, aufgrund der hohen Konzentration von Schwulenbars oder einfach nur Sexshops. Aber obwohl ich dies wußte und mit offenen Augen durch die Straßen gelaufen bin, habe ich nichts davon gemerkt. Möglicherweise war es noch zu früh für ein Viertel, das eher attraktiv für Nachtschwärmer ist, möglicherweise lag es auch daran, dass Homosexualität in Japan zwar toleriert wird, sich aber fast ausschließlich abseits der Öffentlichkeit abspielt, hinter verschlossenen Türen. Das gilt allerdings für alle Formen von Liebesbekundungen, weshalb ich in meiner Zeit in Japan nur sehr selten Paare gesehen habe, die Händchen halten oder sich küssen. Man muss allerdings anmerken, dass heutzutage, im Zuge der Verwestlichung, einige jugendliche Paare geradezu rebellisch in der Öffentlichkeit küssen.


Bild43: Je näher man dem Bahnhof kommt, um so auffälliger wird die Reklame, dichter das Gedränge und lauter der Lärm von Werbeträgern, die Kunden für Geschäfte, Bars und Restaurants anwerben.


Bild44: Es wird dunkel in Shinjuku und schon bald ist es Nacht. Doch gerade diese Dunkelheit lässt die unzähligen Leuchtreklamen zu einem riesigen, eindrucksvollen Lichtermeer verschwimmen. Fast minütlich steigt die Zahl der Menschen, die sich auf den Gehwegen drängen, und man hat das Gefühl dabei zu sein, während der Stadtteil zum Leben erwacht.


Bild45: Zur Linken erstreckt sich das gigantische Gebäude des Bahnhofs von Shinjuku, der den Weltrekord für den größte Anzahl an Reisenden hält, die hier täglich ein-, um- und aussteigen. Eine Weile lang lief ich zwischen den Menschenmassen dort umher, doch zu diesem Zeitpunkt war der Akku meiner Kamera leider bereits leer. Nicht weniger eindrucksvoll sind die Menschenmassen, die die große Kreuzung vor dem Bahnhof alle paar Minuten überqueren, ähnlich der großen Kreuzung in Shibuya. Und hier ist es nun so, wie man es immer hört: Man spürt förmlich das Eigenleben dieses Stadtteils, wenn die Menschenmassen durch die Straßen strömen, wie Blut das durch die Adern gepumpt wird. Es lässt sich schwer beschreiben, aber man hat wirklich das Gefühl, dass alles um einen herum auf eine seltsame Art und Weise lebt.


Bild46: Mit ein wenig Trickserei habe ich meiner Kamera noch ein paar letzte Bilder entlockt, bevor der Akku vollkommen leer war. Beispielsweise ein Blick auf die riesigen Hochhäuser, die man immer im Kopf hat, wenn man an Tokyo denkt. Und auch wenn es auf dem Bild nicht so scheinen mag: Diese Hochhäuser waren wirklich gigantisch.


Bild47: Ein letzter Blick auf Shinjuku, bevor ich mich durch die vom Licht Tokyos erleuchtete Nacht auf den Rückweg machte. Es war ein seltsames Gefühl im Dunklen an so vielen Orten vorbeizulaufen, die ich bereits zuvor noch bei Tageslicht gesehen hatte. Vorbei an belebten Vergnügungsvierteln, durch totenstille Gässchen, entlang an nun überfüllten Autobahnen, durch leere Geschäftsviertel bis hin zu einem Bahnhof in der Nähe des Yoyogiparks.


Als ich von dort aus mit dem Zug zurück nach Soka fuhr, merkte ich erst in den Sitzen der Bahn wie erschöpft ich war, wie sehr mir mein Rücken und meine Füße schmerzten und wie sehr ich mich nach meinem weichen Bett sehnte. Als ich am Abend zu Hause war, aß ich eine Suppe, duschte mich und telefonierte noch kurz mit Freunden, dann legte ich mich endlich schlafen. Acht Stunden war ich an diesem Tag unterwegs gewesen von meiner Abfahrt am Vormittag bis zu meinem Ankunft am Abend. Ich war durch die Stille des Yoyogiparks spaziert, durch das Gedränge am größten Bahnhof Japans geeilt, hatte die Wolkenkratzer in Omotesandou bestaunt, war durch die engen, überfüllten Gässchens Shibuyas gelaufen, hatte das pulsierende Leben in den Straßen Shinjukus erlebt, die Armut abseits des Trubels gesehen und bin mit der Masse durch Harajuku geschwommen. Der Tag war anstrengend, ganz ohne Frage, aber ich würde ihn jederzeit wiederholen, denn so viele verschiedene Gesichter von Tokyo, wie ich heute erlebt habe, sehen manche Touristen in ihren gesamten Urlaub nicht. Und ich denke das gehört dazu, wenn man sich ein Bild von Japan machen möchte, ein Blick für alles zu haben: Für den Trubel, das Bunte, das Schrille, für das Stille, das Besinnliche und Entspannende, aber auch für die Armut, das Leid und die Kehrseite dessen, was in den Medien immer so gerne beworben und gezeigt wird.

Dienstag, 24. Februar 2009

Downtown Medley - Spaziergang durch den Yoyogipark

Ausgerüstet mit Essen, Trinken, Reiseführer und Kamera war ich am Vormittag meines 148. Tages in Japan mit der Bahn quer durch Tokyo bis zum Stadtteil Omotesandou gefahren. Zwischen den Wolkenkratzern folgte ich der Hauptstraße vorbei an Universitäten, Geschäftsgebäuden und einigen Läden in Richtung des lebhaften Stadtteils Shibuya. Mit staunenden Blicken lief ich sowohl entlang der großen, überfüllten Straßen als auch durch die kleinen, gedrängten Gässchen dieses lebhaften Vergnügungsviertels. Nachdem ich mich insgesamt fast eine Stunde lang mit dem Strom der Menschenmassen bewegt hatte, entschied ich, dass ich abseits der Hektik in den Nebenstraßen ein wenig Ruhe finden wollte. Dieser zweite Beitrag beschreibt meine Erkundungstour durch die Straßen und Gassen Shibuyas jenseits des großen Trubels und den weitläufigen Yoyogipark, der wie eine ruhige Insel inmitten der Geschäftigkeit Tokyos schwimmt.


Bild16: Man mag kaum glauben, dass zwischen den überfüllten Straßen Shibuyas aus dem letzten Beitrag und diesem Bild lediglich rund einhundert Meter Entfernung liegen. Durch eine Bahnlinie voneinander getrennt, könnte man nach dem Durchlaufen der Unterführung denken, man wäre an einem ganz anderen Ort in Tokyo. Übrigens: Der geschäftige Teil Shibuyas befindet sich in diesem Bild auf der linken Seite.


Bild17: Auch das ist Shibuya nur knapp einhundert Meter von den hippen, jungen und vergnügungswütigen Menschenmassen entfernt: Obdachlose am Straßenrand, in den Parks oder unter Brücken. Solche Bilder sieht man seltener von Shibuya.


Bild18: Shibuya, wie man es selten sieht: Kaum Autos, kaum Menschen. Statt Menschenmassen sieht man Bäume und kleine Grünanlagen. Auf der rechten Seite kann man jenseits der Grünflächen die Hochhäuser sehen, die die überfüllten Straßen säumen.


Bild19: Durch kleine, steile Straßen machte ich mich auf den Weg in die Richtung des Yoyogiparkes. Man mag kaum glauben, dass diese ausgestorbenen Gassen mit den heruntergekommenen, graffitibeschmierten Häusern in unmittelbaren Nachbarschaft des bunten Treibens sind. Ich war selbst überrascht, dass mir in diesen Straßen wirklich fast niemand begegnet ist. 


Bild20: In unmittelbarer Nähe des Yoyogiparks stehen die Gebäudes von NHK, dem größten und bekanntesten Fernsehsender Japans. Ich habe sogar mehrere Fernsehteams getroffen, die vor dem Gelände live-Berichte machten. Es war einmal interessant zu sehen, wie Reporter tatsächlich an einer Kreuzung stehen und berichten, während ein Hilfsarbeiter, für das richtige Licht sorgt und ein Kameramann alles filmt. Diese Gegend Shibuyas war geprägt von großen Gebäuden und weitläufigen Plätzen. Nichts erinnert an die kleinen, heruntergekommenen Seitengassen oder die überfüllten Vergnügungsviertel nur wenige Minuten entfernt.


Bild21: Ein wenig hilflos lief ich eine Weile lang an einer Autobahn entlang. Auf der linken Seite ist bereits der Yoyogipark, doch wie man sieht, gab es keine Möglichkeit dorthin zu gelangen. So lief ich eine Weile lang an den Autos vorbei, bis ich zu einigen Sportanlagen kam, von denen aus eine Brücke über die Autobahn direkt in den Yoyogipark führte.


Bild22: Ein großer Sportplatz, der zwischen den Filmstudios von NHK und dem Yoyogipark lag. Unzählige Sportler trainierten dort, vor allem Leichtathleten. Angrenzend befand sich ein etwas heruntergekommener Basketballplatz, an dem viele japanische Jugendliche mit Kopftuch, Baseballcap, Baseballshirts und Baggypants spielten, sich mit ihren Freunden trafen, Hip-Hop hörten und schreiend durch die Gegend rannten, was auf mich einen recht US-amerikanischen Eindruck machte.


Bild23: Nahe der Sportanlagen wieder das gleiche Bild: In den Grünanlagen haben Obdachlose ihre Behausungen errichtet und regelrechte Siedlungen gegründet. Es rührte mich sehr, als ich ein wenig abseits auf einem Grasstreifen einen Obdachlosen sah, der mit einem imaginären Golfschläger seinen Abschlag trainierte. Offensichtlich hatte er früher viel Golf gespielt, ehe er alles verlor.


Bild24: Ein letzter Blick auf Shibuya, mit seinen vielen Gesichtern. Man sieht vor dem Hintergrund vieler größerer, eindrucksvoller Gebäude, einen der vielen großen Plätze, an denen Leute in der Sonne saßen, Händler an kleinen Ständen ihre Waren darboten, Jugendliche Tanzchoreographie übten oder einfach nur Bilder schossen.


Bild25: Mein erster Blick auf den Yoyogipark. Im Hintergrund sieht man die Kulisse Tokyos, die die Größe des Parks erahnen lässt.


Bild26: Fast an jeder Ecke des Parks hörte man Menschen, die Instrumente übten oder kleine Vorführungen gaben. Saxophonspieler, die Tonleitern übten, Gitarrenspieler, die zu ihren eigenen Lieder sangen, oder wie hier eine Jazzcombo, die mit ihren Melodien die Besucher des Parks begeisterte. Für einige Minuten setzte auch mich auf eine der vielen Bänke, genoss die Sonne, hörte den Musikern zu und entspannte mich von dem bisherigen Fußmarsch.


Bild27: Straßenkünstler traf man überall im Yoyogipark. Beispielsweise diese Jongleure, die interessante Kunststücke mit ein paar Bällen machten.


Bild28: Der Junge links im Bild beherrschte wirklich unglaubliche Kunststücke mit seinem Jojo. Weiter vorne spielten Federballspieler, rechts warfen sich zwei Jungen einen Baseball hin und her. Während man über die Wege spazierte und all den Leuten zusah, hatte man das Gefühl durch einen kleinen Zirkus zu gehen, der an jeder Ecke etwas anderes anbot, dem man minutenlang hätte zusehen können. Da waren Musiker, Artisten, Künstler, Gruppenchoreographen, Fotographen und Zeichner. Und jeder schien vollkommen vertieft in sein Hobby zu sein. Es lässt sich schwer in Worte fassen welch eine lebhafte, interessante Atmosphäre sich mir hier bot. 


Bild29: Von einem Weg zwischen den Bäumen aus, warf ich einen Blick auf die großen Rasenflächen, auf denen Japaner allerlei Freizeitsportarten mehr oder weniger professionell nachgingen. Da warf man sich Bälle zu, spielte diverse Spielarten mit Schlägern, rannte um die Wette, kickte einen Ball über die Wiese oder tanzte. Oder man saß einfach nur auf einer ausgebreiteten Decke irgendwo herum und las, spielte mit den Kindern, picknickte oder döste.


Bild30: Für die Vierbeiner gab es zwei große Gehege, in denen sie ausgiebig rennen durften. Eines für große und mittlere, eines für mittlere und kleine Hunde. Die kleinen Hunde waren mitunter nur so groß wie eine Kokosnuss und dreimal hätte ich sogar beinahe einen dieser winzigen Hunde zertreten.


Bild31: Diese Menschen taten, was auch ich am liebsten gemacht hätte: Einfach auf einer Bank platz nehmen und dem regen Treiben überall im Park zusehen, wie beispielsweise dem Jogger, der gerade durch das Bild rannte.


Bild32: Einige Bäume blühten schon, was einen Vorgeschmack auf die in Japan sehr populäre Kirschblütenzeit gab. Ich denke diese Bäume waren allerdings Pflaumenbäume.


Bild33: Die niedrig hängenden Äste einiger Bäume gingen mir manchmal nur bis zur Brust. Dennoch genoss ich es auf dem weichen ebenen Boden unter den Bäumen umherzuwandern. Überall fand man Pavillions mit Sitzgelegenheiten oder einfach nur Bänke zum Ausruhen.


Bild34: In einem Bereich des Yoyogiparkes standen zwei Japaner, die sich lauthals anschrieen, was ich ein wenig verwunderlich fand, da man Vergleichbares eher selten in Japan erlebt. Als dann aber einer der Japaner innehielt, von einem Dritten etwas gesagt bekam und daraufhin wieder von vorne anfing zu schreien, war klar, dass es sich um Schauspieltraining handelte. Und so entdeckte ich unzählige kleine Grüppchen von aufstrebenden Talenten, die abseits der Wege auf dem Gras und unter Bäumen standen und ihre Texte auswendig lernten. Ob hier ein Zusammenhang zu den Filmstudios des NHK gibt?


Bild35: Ein letzter Blick auf den Yoyogipark, nachdem ich dort für ein bis zwei Stunden spazieren war. Ich befand mich in unmittelbarer Nähe des Meiji-Schreins, allerdings stand die Sonne schon etwas tiefer und ich hatte noch einen langen Weg vor mir, weshalb ich den Besuch des Meiji-Schreins für ein andermal aufhob und mich nach dem entspannenden Besuch des Yoyogiparks einmal mehr auf den Weg hinein in eine der überfüllten und pulsierenden Trendmetropolen Tokyos machte: Harajuku.

Montag, 23. Februar 2009

Downtown Medley - Von Omotesandou nach Shibuya

An meinem 148. Tag in Japan bin ich nach Tokyo gefahren, um mir einige der Orte anzusehen, für die Tokyo, wenn nicht sogar ganz Japan, im Ausland so berühmt ist. Es sind jene Stadtteile, die vor Menschenmassen nur so überquellen, an denen sich ein Hochhaus ans nächste reiht und man aus allen Richtungen von Leuchtreklame umworben wird. Das dies ein ziemlich langer und anstrengender Tag werde wird, war mir bereits im Vorhinein klar, weshalb ich schon zeitig aufstand, mich fertig machte und mir ein Lunchbox zubereitete. Mit Essen, Trinken, Reiseführer und Kamera bewaffnet machte ich mich dann trotz der strahlenden Sonne dick eingemummt auf den Weg zum Bahnhof und fuhr gen Omotesandou, dem Startpunkt meines Tagesausfluges, von wo aus ich dann die kommenden acht Stunden quer durch die Innenstadt Tokyos lief, die Kamera immer im Anschlag, um alles in Bildern festzuhalten. Was ich dort in den menschenüberfüllten Straßen und abseits der bekannten Wege gesehen und erlebt habe, möchte ich in den nächsten Beiträgen schildern. Aufgrund der enormen Menge von Bildern, habe ich den Beitrag in drei Teile geteilt. Dies ist der erste Beitrag, der meinen Weg vom Bahnhof Omotesandou durch den gleichnamigen Stadtteil, bis hin in die überfüllten, engen Straßen eines der pulsierenden Herzen Japans, dem Stadtteil Shibuya, beschreibt.


Bild1: Ein Blick auf Omotesandou mit seiner breite Hauptstraße und den vielen Hochhäusern.


Bild2: Ein eindrucksvolles Bild von einem Hochhaus aus der Perspektive der Fußgänger.


Bild3: Eine gute Idee: In der Wüste aus Stahl und Beton findet man immer wieder kleine grüne Inseln zum sitzen und entspannen.


Bild4: Entlang dieser Straße bin ich durch Omotesandou gelaufen. Es gibt zwar einige Geschäfte entlang der Fußgängerwege, aber man sieht kaum Werbetafeln oder große Schilder und Banner an den Gebäuden. Dies wird sich in späteren Stadtteilen noch drastisch ändern.


Bild5: Ich bin immer wieder erstaunt von einigen architektonischen Kunstwerken. Beispielsweise dieses seltsam geformte Hochhaus.


Bild6: Ich hatte mich nie sonderlich für Hochhäuser interessiert, aber in Omotesandou gab es viele interessant gestaltete Wolkenkratzer zu beschauen. Oftmals blieb ich einen Moment stehen, um mir die Häuser auf der anderen Straßenseite anzusehen.


Bild7: Ein Kuchen ist nicht gleich Kuchen: Kunstvolle Arrangements in der Auslage eines Kuchengeschäfts.


Bild8: Die Universität der Vereinten Nationen (UN). Ob hier die Söhne und Töchter der Diplomaten studieren? Wer weiss.


Bild9: Ab dieser Kreuzung begann Shibuya. Im Straßenbild ließen sich auch deutliche Veränderungen feststellen: Die Straßen und Fußwege wurden enger, die Läden zahlreicher und die Anzahl der Fußgänger stieg beständig. Zudem sieht man an den Häuser bereits weitaus mehr bunte Werbung hängen, als noch in Omotesandou. Während in Omotesandou viele junge und älter Geschäftsmänner in Anzügen und mit Aktentaschen umhereilten, sah man auf dem Weg zum Zentrum Shibuyas immer häufiger modisch gekleidete junge Männer und Frauen. Auch waren verhältnismäßig eher jüngere Leute auf den Straßen.


Bild10: Willkommen in Shibuya.


Bild11: Zunächst stand ich an einer gigantischen Kreuzung, an der hunderte, wenn nicht sogar tausende Menschen die Straße überquerten. Vor allem im Hintergrund kann man die Menschenmassen erahnen, die sich durch Shibuyas Straßen schieben.



Film1: In einem kurzen Video habe ich aus sicherem Abstand einmal aufgenommen was passiert, wenn die Ampeln auf grün schalten. Viel näher konnte ich leider nicht an die Kreuzung gehen, da ich von den Menschenmassen einfach weggespült worden wäre. Man muss bedenken, dass sich dieses Bild rund alle drei Minuten wiederholt.


Bild12: Nachdem ich mich geraume Zeit durch die Menschen entlang der Hauptstraßen gekämpft hatte, erkundete ich ein wenig die engen Seitenstraßen. Auch hier gab es Läden en masse.


Bild13: Diese Parfümerie nutzte die kleine Ladenfläche bis auf den letzten Zentimeter. Und so machte es jedes Geschäft. Alles war vollgestopft und eng. Selbst die Gehwege wurden von vielen Geschäften noch als zusätzliche Auslagen genutzt.


Bild14: Nachdem ich durch die kleinen Gässchen geschlendert war, kam ich wieder an der Hauptstraße an. Es war nicht mehr ganz so voll, wie noch an der Kreuzung, aber doch beschwerlich einen Moment für ein Foto innezuhalten.


Bild15: Die vielen Geschäfte in Shibuya erstreckten sich wie in Akihabara ("Mit Ninja durch Akihabara") auf mehrer Stockwerke der Hochhäuser. Man fand viele Geschäfte für Videospiele, aber auch Modegeschäfte, Bars und Banken. Insgesamt kann man sagen, dass Shibuya ein offensichtliches Vergnügungsviertel ist, das zum Geld ausgeben einlädt.