Ausgerüstet mit Essen, Trinken, Reiseführer und Kamera war ich am Vormittag meines 148. Tages in Japan mit der Bahn quer durch Tokyo bis zum Stadtteil Omotesandou gefahren. Von dort aus lief ich in die überfüllten Gassen von Shibuya, einem der bekanntesten Vergnügungsviertel in Tokyo. Nach dem anstrengenden Trubel besichtigte ich jene Teile Shibuyas, die man als Tourist eher selten zu Gesicht bekommt: Die engen, menschenleeren Gässchen, die Parkanlagen, in denen Obdachlose hausen, Sportplätze oder das Gebäude, in dem sich die Studios von NHK, dem bekanntesten Fernsehsender Japans, befinden. Daraufhin genoss ich einen ausgiebigen Spaziergang durch den weitläufigen Yoyogipark, der wie eine ruhige Insel inmitten der Geschäftigkeit Japans schwimmt, bevor ich mich einmal mehr auf den Weg in das kunterbunte Treiben Tokyos machte. Dieser dritte und letzte Beitrag beschreibt meines Ausflugs durch die Einkaufs- und Vergnügungszentren Tokyos: Harajuku und Shinjuku, bis die Nacht hereinbrach und ich erschöpft nach Soka zurückkehrte.
Bild36: Willkommen in Harajuku. Die Straßen sind bereits merklich voller und die Menschen um mich herum sind wieder vermehrt bewusst stylisch gekleidet.
Bild37: Man erahnt bereits wie gefüllt die Straßen noch werden, doch interessanter ist die vermehrte Werbung, die man sieht, ähnlich wie in Shibuya. Allerdings sind es diesmal nicht die auffälligen Leuchtreklamen oder riesigen Banner, die Werbung ist eher dezenter und wirbt vorallem mit Labels und Markennamen. Insgesamt wirkt Harajuku somit ein wenig gehobener als noch Shibuya.
Bild38: So gestaltete sich ein Großteil meiner Zeit in Harajuku: Dem zähen Fluss von Menschen folgen, der sich bis zum Horizont erstreckte, während ich gelegentliche Blicke in die Geschäfte oder Läden warf. Zeit zum Stehenbleiben und Fotografieren blieb mir nicht, weshalb ich nur während des Laufens versuchsweise ein paar Bilder schoss, die oftmals aber verwackelten. Und so ist dies eine der wenigen Erinnerungen an die überfüllten Gehwege Harajukus.
Bild39: Ein wenig abseits in den kleineren Seitenstraßen sieht Harajuku dann wieder so aus wie man es bereits aus den Seitenstraßen Shibuyas kennt: Wege gesäumt von Geschäften, die versuchen mit knalligen Werbeschildern und Bannern auf sich aufmerksam zu machen. Und da sich somit nichts viel Neues bot, lief ich eine ganze Weile lang zu Fuß durch Tokyo in Richtung des Stadtteils Shinjuku, der den Abschluss meiner Tour bilden sollte.
Bild40: Einer meiner ersten Blicke auf Shinjuku, nachdem ich rund eine halbe Stunde lang entlang einer Hauptstraße gelaufen war, die die beiden Zentren Harajuku und Shinjuku miteinander verband. Nach dieser endlos scheinenden Wanderung durch ein menschenleeres und vollkommen uninteressantes Stadtgebiet Tokyos, war ich erleichtert endlich wieder auf Menschen zu treffen. An den Lichtverhältnissen kann man bereits erahnen, dass die Sonne bereits sehr tief stand und schon bald die Nacht hereinbrechen würde.
Bild41: Während ich durch Shinjuku lief, kam ich an genau jenem Kino vorbei, in dem ich mir vor wenigen Monaten mit der Deutschstudentin Ayano die Filme "Clara Schumann" und "Krabat" angesehen hatte. Mittlerweile studiert Ayano im Ausland an einer Universität in Wien.
Bild42: In Shinjuku werden Distrikte nach Häuserblocks (choume) benannt, weshalb ich auf dem Weg zum Bahnhof durch Shinjuku-3-choume, Shinjuku-2-choume und schließlich Shinjuku-1-choume lief. Das Bild zeigt Shinjuku-2-choume, das auch gerne als Schwulen- und Lesbenviertel bezeichnet wird, aufgrund der hohen Konzentration von Schwulenbars oder einfach nur Sexshops. Aber obwohl ich dies wußte und mit offenen Augen durch die Straßen gelaufen bin, habe ich nichts davon gemerkt. Möglicherweise war es noch zu früh für ein Viertel, das eher attraktiv für Nachtschwärmer ist, möglicherweise lag es auch daran, dass Homosexualität in Japan zwar toleriert wird, sich aber fast ausschließlich abseits der Öffentlichkeit abspielt, hinter verschlossenen Türen. Das gilt allerdings für alle Formen von Liebesbekundungen, weshalb ich in meiner Zeit in Japan nur sehr selten Paare gesehen habe, die Händchen halten oder sich küssen. Man muss allerdings anmerken, dass heutzutage, im Zuge der Verwestlichung, einige jugendliche Paare geradezu rebellisch in der Öffentlichkeit küssen.
Bild43: Je näher man dem Bahnhof kommt, um so auffälliger wird die Reklame, dichter das Gedränge und lauter der Lärm von Werbeträgern, die Kunden für Geschäfte, Bars und Restaurants anwerben.
Bild44: Es wird dunkel in Shinjuku und schon bald ist es Nacht. Doch gerade diese Dunkelheit lässt die unzähligen Leuchtreklamen zu einem riesigen, eindrucksvollen Lichtermeer verschwimmen. Fast minütlich steigt die Zahl der Menschen, die sich auf den Gehwegen drängen, und man hat das Gefühl dabei zu sein, während der Stadtteil zum Leben erwacht.
Bild45: Zur Linken erstreckt sich das gigantische Gebäude des Bahnhofs von Shinjuku, der den Weltrekord für den größte Anzahl an Reisenden hält, die hier täglich ein-, um- und aussteigen. Eine Weile lang lief ich zwischen den Menschenmassen dort umher, doch zu diesem Zeitpunkt war der Akku meiner Kamera leider bereits leer. Nicht weniger eindrucksvoll sind die Menschenmassen, die die große Kreuzung vor dem Bahnhof alle paar Minuten überqueren, ähnlich der großen Kreuzung in Shibuya. Und hier ist es nun so, wie man es immer hört: Man spürt förmlich das Eigenleben dieses Stadtteils, wenn die Menschenmassen durch die Straßen strömen, wie Blut das durch die Adern gepumpt wird. Es lässt sich schwer beschreiben, aber man hat wirklich das Gefühl, dass alles um einen herum auf eine seltsame Art und Weise lebt.
Bild46: Mit ein wenig Trickserei habe ich meiner Kamera noch ein paar letzte Bilder entlockt, bevor der Akku vollkommen leer war. Beispielsweise ein Blick auf die riesigen Hochhäuser, die man immer im Kopf hat, wenn man an Tokyo denkt. Und auch wenn es auf dem Bild nicht so scheinen mag: Diese Hochhäuser waren wirklich gigantisch.
Bild47: Ein letzter Blick auf Shinjuku, bevor ich mich durch die vom Licht Tokyos erleuchtete Nacht auf den Rückweg machte. Es war ein seltsames Gefühl im Dunklen an so vielen Orten vorbeizulaufen, die ich bereits zuvor noch bei Tageslicht gesehen hatte. Vorbei an belebten Vergnügungsvierteln, durch totenstille Gässchen, entlang an nun überfüllten Autobahnen, durch leere Geschäftsviertel bis hin zu einem Bahnhof in der Nähe des Yoyogiparks.
Als ich von dort aus mit dem Zug zurück nach Soka fuhr, merkte ich erst in den Sitzen der Bahn wie erschöpft ich war, wie sehr mir mein Rücken und meine Füße schmerzten und wie sehr ich mich nach meinem weichen Bett sehnte. Als ich am Abend zu Hause war, aß ich eine Suppe, duschte mich und telefonierte noch kurz mit Freunden, dann legte ich mich endlich schlafen. Acht Stunden war ich an diesem Tag unterwegs gewesen von meiner Abfahrt am Vormittag bis zu meinem Ankunft am Abend. Ich war durch die Stille des Yoyogiparks spaziert, durch das Gedränge am größten Bahnhof Japans geeilt, hatte die Wolkenkratzer in Omotesandou bestaunt, war durch die engen, überfüllten Gässchens Shibuyas gelaufen, hatte das pulsierende Leben in den Straßen Shinjukus erlebt, die Armut abseits des Trubels gesehen und bin mit der Masse durch Harajuku geschwommen. Der Tag war anstrengend, ganz ohne Frage, aber ich würde ihn jederzeit wiederholen, denn so viele verschiedene Gesichter von Tokyo, wie ich heute erlebt habe, sehen manche Touristen in ihren gesamten Urlaub nicht. Und ich denke das gehört dazu, wenn man sich ein Bild von Japan machen möchte, ein Blick für alles zu haben: Für den Trubel, das Bunte, das Schrille, für das Stille, das Besinnliche und Entspannende, aber auch für die Armut, das Leid und die Kehrseite dessen, was in den Medien immer so gerne beworben und gezeigt wird.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen