Ich war nie wirklich sportlich. Nun ja, vor der Grundschule war ich in einer Turngruppe, aber abgesehen von diesen fernen Erinnerungen, habe ich nie regelmäßig Sport getrieben, sieht man einmal vom Schulsport ab. Ich war weder in einem Verein, in irgendwelchen freiwilligen Gruppen, noch hatte ich von mir aus die Motivation mich körperlich zu ertüchtigen. Zu Schulzeiten habe ich manchmal mit Freunden Fahrradtouren unternommen, Fangen gespielt und nebenbei ein paar Tanzkurse belegt, doch das war es auch schon. Jeder andere war entweder in einem Fußballverein, spielte regelmäßig Tennis, schwamm, ging Joggen, spielte in seiner Freizeit Basketball oder betrieb eifrig Muskelaufbau im Fitnessstudio. Wirklich neidisch war ich darauf nie, ich hatte einfach nie das Bedürfnis mich groß zu bewegen.
Doch irgendwann war die Schulzeit vorbei und ich zog nach Marburg. Und durch schlechte Ernährung und mangelnde Bewegung, ging ich auf wie ein Hefekloß. Es fehlte mir an Sport, es mangelte an gesunder Ernährung und nicht zuletzt an Motivation etwas daran zu ändern. Und so keuchte ich, wenn ich nur eine Treppe hochsteigen musste, lag abends faul mit einer Fertigpizza und Billiglimonade vor dem Computer und war unglücklich. So zogen fast zwei Jahre vorüber, dann ging ich nach Japan. Und hier eröffnete sich mir die Chance mein ganzes Leben neu zu gestalten. Eine neue Esskultur, neue Umgebungen, neue Menschen. Und schon nach wenigen Wochen wurde ich merklich dünner. Anfangs maßgeblich durch die fettarme, japanisch Küche, später dann auch durch mehr Bewegung: Ich ging spazieren, reiste mit dem Rucksack durch Tokyo und Umgebung und lief jeden Tag von Raum zu Raum, zur Mensa, zum Wohnheim, zum Supermarkt und anderen Orten. Und allmählich begann ich mich fit zu fühlen. Ich bekam Lust mich wieder zu bewegen, stieg freiwillig Treppen, hüpfte durch die Wohnung, lief immer größere Runden und fühlte mich unwohl, wenn ich nur tatenlos herumsaß. Und schließlich verabredete ich mich mit einer Freundin Lee zum Joggen. Früher hätte ich es mir nie vorstellen können freiwillig Joggen zu gehen, doch nun hatte ich Spass daran einfach nur zu rennen. Es waren keine regelmäßigen Treffen und irgendwann endeten sie wieder, aber es war doch einer der ersten Schritte in ein gesünderes Leben.
Mittlerweile neigt sich mein Japanjahr dem Ende zu und kaum eines der Kleidungsstücke, das ich mit mir nach Japan genommen habe, passt mir noch. Insbesondere meine Hosen sind so schlabberig und weit, dass ich sie gar nicht mehr tragen kann, selbst mit Gürtel. Mein Speiseplan ist vollkommen umgestellt, mein Verlangen nach Bewegung viel größer. Ich laufe immer Treppen, habe kein Verlangen mehr den Fahrstuhl zu benutzen, ich freue mich an der frischen Luft zu laufen und gelegentlich mache ich einfach Turnübungen in meiner Wohnung oder laufe auf der Stelle. Es ist nicht mehr der Zwang sich bewegen zu müssen, es ist die Lust Sport zu treiben, sich auszupowern und danach glücklich zu sein. Ich bin sicher kein Muskelprotz geworden und auch nicht fit wie ein Turnschuh, aber ich habe Spass am Bewegen gefunden.
Und so kam es, dass eines Tages die Idee vom gemeinsamen Sportreiben wieder ausgegraben wurde. Allerdings nicht nur von Lee und mir, sondern auch von den Briten Dan und Jessica ("Anderssein"). Zu viert trafen wir uns am Abend und joggten in unserer Vierergruppe quer durch Soka. Zugegeben, ich war der Unsportlichste, machte als Erster schlapp und lief mit Seitenstechen hinter den anderen her, aber dennoch fühlte ich mich gut bei dem, was ich tat. Und so saßen wir nach unserem Joggen zu viert auf einem verlassenen Spielplatz und unterhielten uns. Lee mit Jessica, ich mit Dan. Nicht nur über das Sporttreiben, auch über anderes. Endlich hatte ich eine Beschäftigung gefunden, an der ich Spass fand, die ich mit anderen teilen konnte, über die man sich näher kam. Und so trafen wir uns fortan immer wieder abends, um gemeinsam Sport zu treiben. Mal nur zu zweit, mal zu dritt, mal alle zusammen, je nachdem wer Zeit fand.
Ich hoffe, dass ich einen Teil meiner Bewegungsfreude mit nach Deutschland nehmen kann. Schon seit Wochen werbe ich unter meinen Freunden in Deutschland ununterbrochen für gemeinsame, sportliche Unternehmungen: Lasst uns gemeinsam Badminton spielen, lasst und Joggen gehen, lasst und ins Fitnessstudio gehen. Hauptsache wir bewegen uns und können gemeinsam Zeit verbringen. Und ich hoffe wirklich, dass es klappt, dass auch andere die Freude an der Bewegung finden. Es war eine Chance noch einmal neu zu starten hier in Japan, und ich bin froh, dass ich sie genutzt habe.
2 Kommentare:
Das ist doch ein guter Plan :-). Ich erinnere mich noch, wie wir einmal bei uns im Feld "joggen" waren...es war dann letztendlich mangels Power doch eher ein Spaziergang ;-).
Echt? Das weiß ich gar nicht mehr. Ich weiß aber, dass wir mal eine Fahrradtour unternehmen wollten, mein Rad aber einen Platten hatte und wir letztlich nur einige dutzend Meter rumeierten und dann einen Spaziergang unternahmen. : )
Übrigens gehe ich immernoch Joggen. Ich bin stolz, dass ich es wirklich durchgezogen habe. Mit ein wenig Motivation geht doch alles.
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