Es gibt einige Dinge, die ich hier in Japan vermisse und ganz oben auf dieser Liste findet man Früchte. Dabei wäre es nicht so, dass es in den hiesigen Supermärkten kein Angebot an Früchten gäbe. Genau genommen wird man mit einer bunten Palette an allen nur erdenklichen Früchten überschwemmt. Und sogar noch mehr. Schon manches Mal habe ich vor der Auslage gestanden und mit einem neugierigen Blick etwas betrachtet, das ich nur der Gruppe der Früchte zuordnen konnte, weil es umringt von Grapefruits, Kiwis und Melonen war. Doch sobald mein Blick auf das Preisschild fiel, blieb mir nichts anderes übrig als mit den Schultern zu zucken, noch einmal tief einzuatmen, den Geruch von frischen Erdbeeren und Orangen aufzunehmen und schließlich schweren Herzens zum Wühltisch mit den Bananen mit den Druckstellen zu gehen. Die bekommt man nämlich hinterhergeworfen. In einem Land, in dem man für eine Kiwi einen Euro, eine kleine Schale Erdbeeren fast drei Euro und eine Honigmelone fast acht Euro hinblättern muss, denkt man zweimal darüber nach, was man sich in den Einkaufskorb legt. Wer gerne Früchte isst, ist in Japan falsch, meinte auch Ayano, die selbst auch nur Bananen kauft, weil der Rest für den Otto-Normal-Verbraucher unerschwinglich ist. In der traditionellen, japanischen Küche finden Früchte keine große Beachtung, weil ursprünglich nicht sehr viele Früchte auf dem Inselstaat wuchsen. Und auch heute noch werden Früchte größtenteils importiert und gelten zwar nicht als Luxusgut, sind aber auch nicht für jedermann erschwinglich. "Hier verarmt man, wenn man einen Fruchtsalat essen möchte.", lachte Ayano und ließ sich von mir auf einen Fruchtsalat einladen, sollte sie irgendwann einmal nach Deutschland kommen. So ganz verzichten wollte ich dennoch nicht auf meinen Fruchtkonsum und leiste mir hin und wieder einmal einen herabgesetzten Beutel Zitrusfrüchte, Melonen, einen Apfel oder sogar irgendetwas unbekanntes Exotisches, wenn mich der Hunger überkam. Doch am Ende des Tages blieb mir meist nicht mehr als ein sehnsüchtiger Blick auf die saftigen Früchte, die mich von der Auslage aus anlachten.
Bild1: Hier habe ich mir eine jener Früchte gekauft, die ich vorher noch nie gesehen habe: "Biwas". Zum Größenvergleich habe ich meine Hand daneben gelegt. Geschmeckt hat die Biwa wie eine Mischung aus Pflaume und Kaki. Ich war ein wenig enttäuscht, dass im Inneren drei große Kerne waren und letztlich kaum Fruchtfleisch an den ohnehin nicht sehr großen Früchten zu finden war.
Heute, an meinem 232. Tag in Japan, kam ich beim Einkaufen dann auf eine ganz findige Idee, um doch meinen Fruchtbedarf zu stillen: Ich könnte einfach Fruchtkonserven kaufen. Das ist zwar kaum zu vergleichen mit einer frischen Frucht, aber doch besser als nichts. Und so kaufte ich mir eine Dose mit einem Fruchtmix und eine mit eingelegten Mangos. Im Wohnheim angekommen packte ich meine Konserven dann freudig aus, stellte sie vor mir auf den Boden, starrte eine Weile lang an und dann fiel mir ein, dass ich gar keinen Dosenöffner hatte. An so etwas Simples hatte ich gar nicht gedacht, als ich das Fruchtparadies in greifbarer Nähe geglaubt hatte. Und so lief ich zu Lee und borgte mir einen Dosenöffner. Zumindest war es das, wonach ich sie fragte. Was ich letztlich in die Hand gedrückt bekam, war ein metallisches Instrument, das irgendwo eine Klinge hatte. "Das soll ein Dosenöffner sein?", fragte ich argwöhnisch und blickte auf das metallische Instrument hinab. "Wie soll man das denn benutzen?". "Frag mich nicht.", erwiderte Lee und erhob schützend die Hände, um sich in jeglicher Weise von dem Werkzeug, das sie mir gegeben hatte, zu distanzieren. "Ich habe nur gesehen, dass Katharina damit einmal eine Dose aufgemacht hat. Also muss es ja ein Dosenöffner sein. In den U.S.A. benutzen wir so etwas nicht.". "In Deutschland auch nicht.", entgegnete ich lachend und drehte das Instrument in meiner Hand von einer Seite auf die andere. "Aber irgendwie wird es sicher funktionieren.". Und mit diesen Worten und der festen Überzeugung, dass ich die Dose wirklich öffnen können würde, verließ ich mit dem merkwürdigen Werkzeug Lees Wohnung und setzte mich in meinem Zimmer an die Konserve mit den Mango.
Bild2: Ein altmodischer Dosenöffner, den ich mir von Lee ausgeliehen hatte. Wirklich umgehen konnte ich damit allerdings nicht.
Es war schon faszinierend: Nur eine dünnes Blech trennte mich von den Früchten und trotzdem kam ich nicht heran. Ich hatte zwar ein Werkzeug, das irgendwie zum Öffnen von Konserven gedacht war, aber wirklich Erfolg hatte ich damit nicht. Letztlich saß ich fast eine halbe Stunde lang an der Konserve mit den Mango und stach immer und immer wieder mit der Klinge in die Dose, bis ich schließlich in einer Pfütze aus Fruchtsaft auf dem Boden saß und vor mir eine verbeulte, scharfkantige, aber geöffnete Konserve stand. Triumphierend fischte ich mit den Fingern die glitschigen Mangostücke aus dem restlichen Fruchtsaft und schob sie mir mit Genugtuung in den Mund, dabei war es mir mittlerweile egal, dass sie gar nicht wirklich schmeckten. Danach schrubbte ich erst einmal den Boden, warf alles, was etwas von dem Fruchtsaft abbekommen hatte in die Wäsche und ging in die Dusche, um mich von dem klebrigen Gefühl an meinen Händen zu befreien. Und so hatte mich der Kampf um das bisschen, schwabbelige, aufgeweichte Fruchtfleisch letztlich über eine Stunde gekostet. Seufzend schüttelte ich den Kopf, als ich die leere, klebrige Konservendose sah, und fragte mich: War die Mango das wert?
Bild1: Die Konserve mit den eingelegten Mangostücke, die alles ins Rollen brachte. Als Andenken an meinen Kampf steht sie jetzt auf meinem Schreibtisch, natürlich ausgespült und nicht mehr klebrig.
8 Kommentare:
Ich muss das leider etwas korrigieren ;)
Doch, in Deutschland benutzen wir solche Öffner. Zumindest irgendwer. Es soll Leute geben, die noch so einen haben und ihn auch benutzen können ;) Habs irgendwo mal gesehn. Aber ich kanns nicht.
Aber ich glaube wenn du dir im 100yen shop einen besseren kaufen wuerdest, dann waer die mango das durchaus wert. dann dauerts nur eine minute die dose zu oeffnen und besser ne matschige als garkeine mango.
Matschige muss man wenigstens auch nicht kauen ;)
Eine lustige Anmerkung, die im Haupttext leider keinen Platz mehr gefunden hat:
"Es soll Leute geben, die noch so einen haben..."
In meinem Post hatte ich ja bereits erwähnt, dass Katharina mit dem Öffner eine Dose geöffnet hatte und Lee dieses Wissen an mich weitergab.
"...und ihn auch benutzen können"
Allerdings hatte Katharina keine Ahnung, wie man den Öffner zu bedienen hatte und hat Lee somit ganz zielstrebig etwas vollkommen Falsches gezeigt. Das habe ich dann natürlich probiert anzuwenden, weswegen mein Vorhaben dementsprechend problematisch verlief. Als ich mich dann von dem Pseudowissen befreit hatte, ging es auch besser und ich habe mittlerweile auch eine zweite Dose geöffnet, sogar schnell und mit wenig Geschlabber.
Ob es die schwabbelige Mango das letztlich wert ist, nun, das kannst du ja in ein paar Monaten selbst entscheiden. ; )
aber besser schlabbelige vitamine als garkeine ;)
Ich wollte mir letztens tatsächlich wieder die schwabbeligen Mango kaufen, aber leider wurde der Preis hochgesetzt. Damit ist mein toller Plan günstig an Vitamine zu kommen gescheitert.
Aber vielleicht hole ich einfach aus Spass irgendwann wieder eine Dose und öffne sie im livestream, damit die ganze Welt zuschauen kann. : )
Ein ähnliches Dosenöffner-Erlebnis hatte ich auch mal am Anfang meiner Studienzeit. Ich hatte diese Dosen mit Fertiggerichten entdeckt und mir eine Dose mit Linsensuppe geleistet. Natürlich hatte ich schon daran gedacht, den Dosenöffner gleich mitzukaufen. Allerdings das billigste Modell, was sich als fataler Fehler erwies. Vom Prinzip her funktionierte der Öffner wie die normalen, die man hier kennt... mit dem Unterschied, dass er nicht funktionierte.
Nach einer Stunde, einem verzweifelten Anruf bei meinen Eltern und mehreren Gewaltattacken gegenüber der Dose, hatte ich sie dann schließlich geöffnet.
Die Linsenuppe hat im übrigen fürchterlich geschmeckt, ich habe die Hälfte weggeschmissen und seit dem nie wieder so eine Dose mit Fertiggerichten gekauft. Der Dosenöffner liegt seit dem unbenutzt in meiner Schublade.
Du weiß schon, dass ich bei meinem nächsten Besuch in Gießen ganz bewusst eine Dose mitnehmen werden, die du dann vor meinen Augen öffnen musst, oder? Ich lasse mir doch nicht entgehen, wie du vollkommen aufgelöst und wütend mit einer Metalldose interagierst.
Aber mach dir keinen Kopf drum, schlimmer als bei mir kann es kaum werden. : )
JAAAAA die kleinen orangenen Früchte gibt's hier auch!! Sie heißen Nisperos, sind billig und schmecken so-la-la!
Und das Dosenöffnermodell ist in Fronkreisch auch sehr verbreitet. Und es ist super praktisch!
Wollte ich loswerden :-))
Ich habe gegoogelt und es stimmt: Nisperos = Biwa
Es scheint so eine Art orangene Pflaume zu sein. Bei dir scheinen sie ja wenigstens günstig zu sein für den so-la-la-Geschmack, hier muss man ein Vermögen hinblättern.
Und wenn du wieder mal nach Deutschland kommst, musst du Dosenöffner mitbringen und Helene, Michi und mich besuchen. Dann machen wir so ein Tagesseminar: "Dosenöffnen mit Kniff - Ein Kurs für Unerfahrene mit anschließendem Fruchtsalat aus eingelegten Dosenfrüchten".
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