Freitag, 15. Mai 2009

Hier kommt die Maus

Eben noch in den Ferien, plötzlich schon wieder mitten im Semester. So ging es mir heute, als ich nach nicht einmal zwei Wochen Unterricht bereits meine Präsentation halten musste. Während andere die Zeit hatten sich allmählich an das neue Semester zu gewöhnen, hatte ich die letzten Wochen durchgearbeitet und meine freie Zeit in das Erstellen meiner Präsentation gesteckt. Lange hatte ich überlegt welches Thema sich wohl eignen würde, bis ich mich schließlich für "Die Sendung mit der Maus" entschieden hatte. Allerdings nicht nur aus reiner Nostalgie und Interesse, sondern aus recht nahliegenden Gründen: Die orangene Maus aus der Bildungssendung für Kinder ist nämlich das Maskottchen der Dokkyo-Universität, an der ich studiere. Schon als ich das erste Mal das Universitätsgebäude betreten hatte, waren mir die vielen Plakate mit der Maus aufgefallen, die zum Stromsparen oder zur Mülltrennung aufriefen, und ich hatte mich immer gefragt, warum unsere deutsche Maus wohl so verbreitet war. Das schien mir ein interessantes, viel versprechendes Thema zu sein und so hatte ich in den letzten zehn Tagen meine Zeit mit Recherche verbracht und meine kleine Präsentation zusammengebastelt, die ich heute mit einem guten Gefühl dem Sprachkurs samt meiner Lehrerin Frau Takeda präsentierte.


Bild1: Die Maus aus der Sendung mit der Maus zeigt der Verschwendung von Strom die Rote Karte. Diese Plakate findet man überall in der Dokkyo-Universität.


Bild2: An unserem ersten Tag an der Dokkyo-Universität erhielt jeder neue Student diese schicke Dokkyo-Tragetüte mit dem Aufdruck des Maskottchens, der Maus.


Ich kann ja bereits ein Lied von den technischen Schwierigkeiten beim Halten eines Vortrages singen ("Tage, an denen man im Bett bleiben sollte"), insbesondere wenn es darum geht meinen Laptop von Apple mit der technischen Ausrüstung der Universität zu verbinden, die für gewöhnliche Rechner von Windows gedacht sind. Um nicht wieder in die gleichen Fettnäpfchen vom letzten Semester zu treten, hatte ich diesmal wohlweisslich meine Präsentation schon am Vorabend auf den Windows-Laptop meines Kommilitonen Marvin geladen, der am gleichen Tag wie ich seine Präsentation halten würde. Fast eine halbe Stunde lang hatten wir an seinem Laptop gesessen und versucht irgendwie meine Präsentation zum Laufen zu bringen, bis wir schließlich eine nicht optimale, aber doch passable Lösung gefunden hatten. Somit hatte ich im Vorfeld schon einmal jegliche Komplikationen mit meinem eigenen Laptop ausgeschlossen und geschickt die Verantwortung zum Anschluss der Technik Marvin aufgelastet. Und wie zu erwarten gab es auch Probleme mit der Technik, denn niemand wusste so recht wie man das Bild vom Laptop an die Wand bringen sollte. Und so standen Marvin, ich und Frau Takeda eine Weile lang unschlüssig vor einem Kabel- und Knopfwirrwarr und wussten nicht so recht was zu tun, während der Rest des Kurses vor sich hin döste oder sich angeregt unterhielt. Letztlich rief Frau Takeda eine Dame vom technischen Hilfsdienst der Universität, die denn gemeinsam mit uns ratlos vor dem Laptop stand, denn mit einem deutschsprachigen Gerät konnte auch sie nicht so viel anfangen. Irgendwie klappte es dann doch, nachdem alle Stecker herausgezogen und wieder hineingesteckt und alle Tasten noch einmal gedrückt worden waren. Rund eine halbe Stunde hatte das Theater gedauert, doch wirklich stören tat mich dies nicht, denn insgeheim war ich froh über jede Minute, die von der möglicher Zeit zur freien Diskussion abgingen.
Insgesamt lief meine Präsentation recht gut. Natürlich ist man selbst stets sein größter Kritiker und findet zahlreiche Fehler und verbesserungswürdige Punkte, aber letztlich muss man sich auch eingestehen können, wenn man etwas im Großen und Ganzen ziemlich gut gemacht hat. Da uns am Beginn des Semesters groß verkündet worden war, dass wir unsere Präsentation frei, ohne Skript zum Ablesen, halten sollten, war mir der Atem gestoppt, weil ich insbesondere in Stresssituationen Schwierigkeiten habe flüssig und betont zu sprechen, da ich dazu neige zu haspeln, mich zu versprechen und Satzteile oder mitunter ganze Abschnitte einfach auszulassen. Dass ich Angst vor dem freien Vortrag hatte, ist somit kein Wunder und ich wusste, dass ich es nicht ganz frei schaffen würde. Darum hatte ich mir wie sonst auch immer ein Skript ausgedruckt und dieses versucht möglichst simpel zu formulieren, damit ich oft die Möglichkeit hatte aufzublicken und einen Satz mit Blick in die Klasse beenden können würde. Die Rechnung ging auch ganz gut auf, denn wenn man die Bilder einbezieht, die ich vollkommen frei erläuterte, war mein Vortrag zu rund einer Hälfte frei gesprochen und einer Hälfte abgelesen. Für meinen ersten Versuch eines freien Vortrags eine recht gute Bilanz. Natürlich lies es sich nicht vermeiden, dass ich mich gelegentlich versprach, eine Silbe verschluckte oder in der Aufregung mal ein wenig falsch betonte, doch im Großen und Ganzen war ich sehr zufrieden. An der freien Diskussion zum Ende beteiligte sich kaum jemand, was aber weniger an meinem Vortrag, als an der Vor-Wochenends-Trägheit der Kursteilnehmer lag. Und so lies ich mich schließlich erleichtert auf meinen Sitz fallen und folgte gelassen den restlichen Präsentationen.
Die Präsentation von Marvin war über schwarze Löcher im Weltraum. Und obwohl ich anfangs befürchtete so gar nichts zu verstehen, war ich sehr überrascht, dass ich recht flüssig folgen konnte. Vielleicht lag dies an Marvins Talent zum freien Sprechen, vielleicht aber auch nur daran, dass wir Deutschen ähnliche Gedankengänge beim Satzbau und der Wortwahl im Japanischen haben und ich somit einen Text vorfand, wie ich ihn wohl auch selbst formuliert hätte. Insgesamt war ich sehr beeindruckt davon, dass Marvin wirklich sehr frei formulierte und belohnte seine Leistung mit reger Teilnahme an seiner Diskussion, was für mich eigentlich eher untypisch ist. Die dritte und letzte Präsentation an diesem Tag hielt eine Koreanerin namens Chu. Aus dem Unterricht kannte ich sie als sehr redegewandt und aufgeweckt, weshalb ich sehr überrascht war, als sie ihre Präsentation nur undeutlich vor sich hin stotterte. Sie hatte weder eine Einleitung, noch eine Visualisierung in irgendeiner Form vorbereitet, weshalb ich nicht einmal richtig verstand worüber sie referierte. Ich denke es ging um die Verbindung von Gefühlen und Jahreszeiten, oder so ähnlich. Sie blickte unsicher in den Raum und stammelte einen Satz nach dem anderen, während sie in ihren Händen ihr Skript zerknitterte und nervös von einem Bein aufs andere trat. Irgendwann wurde sie still und so breitete sich im gesamten Raum eine peinliche Stille aus. Niemand hatte wirklich verstanden worum es gegangen war und hätte Fragen stellen können, weshalb alle Zuhörer möglichst gebannt auf das minimalistische Handout blickten. Schließlich räusperte sich Frau Takeda, warf einen langen Blick auf das Handout und begann zu reden: "Sie haben auf dem Handout sechs Unterpunkte für ihren Vortrag angegeben. Warum haben Sie nur über die ersten drei geredet?". "Nun, äh, ich bin gestern nicht mehr fertig geworden mit meinem Text. Deswegen habe ich nur über die ersten Punkte geredet.", antwortete Chu beschämt. Die sonst so lebensfrohe und freundliche Frau Takeda schaute ein wenig zerknirscht und entgegnete: "Eigentlich reicht man dem Lehrer sein Manuskript im Vorhinein ein, damit dieser es korrigieren kann. Und man schreibt es schon gar nicht am Vortag. Herr Kraft und Herr Brendel haben mir ihre Manuskripte bereits letzte Woche zugesandt, das hätten Sie auch machen sollen.". Die Koreanerin blickte beschämt auf den Boden und murmelte Entschuldigungen vor sich hin. "Dann hätte Sie vermutlich auch mehr Zeit zum Vorbereiten ihres Vortrages gehabt. Mit Ihrem Gestammel war es dem Publikum sehr schwer zu folgen, weshalb es nicht verwunderlich ist, dass niemand eine Frage stellen kann.". "Ich dachte wir müssten frei sprechen, das haben die beiden anderen auch so gemacht. Deswegen habe ich versucht meinen Text aus dem Gedächtnis aufzusagen.", versuchte sich Chu zu retten und hielt zur Untermalung das Manuskript hoch, das sie während ihres Vortrages zwischen ihren Händen zerknittert hatte. Eine kurze Weile diskutierten Frau Takeda und Shu noch herum, bis Frau Takeda letztlich mit ihrem gewohnten Lächeln den Vortrag beendete: "Der Vortrag war nichts. Darum strengen Sie sich bitte das nächste Mal um so mehr an. Haben wir uns verstanden?". "Ja.", sagte Chu kleinlaut und lief zu ihrem Sitzplatz.
Nach dem regulären Unterricht traf ich mich noch mit Lee und gab ihr Hilfestellung bei ihrer ersten Präsentation, schließlich ist Lee dieses Semester bereits im Mittelkurs und muss darum ebenso wie ich zwei Präsentationen während des Semesters halten. Und da sie dies noch nie vorher machen musste und die japanischen Erklärungen der Lehrer zum Beginn des Semesters nicht wirklich verstanden hatte, nahm ich mir eine halbe Stunde Zeit und erzählte von meinen bisherigen Präsentationen. Da kam es mir auch gerade recht, dass ich von meinem Beitrag zur Sendung mit der Maus noch ein paar übrig gebliebene Handouts und mein Manuskript mit mir herumtrug, und Lee somit gleich schonmal ein Muster einer recht guten Präsentation in die Hand drücken konnte. Und da ich noch genau wusste wie aufgeregt ich vor meiner ersten Präsentation war und welche Fragen und Ängste mich gequält hatten, traf ich wohl auch die richtigen Töne mit meinen Ratschlägen und Lee war merklich erleichtert nach unserem Treffen.
Als ich dann Mittags endlich zu Hause war, fiel ich erst einmal müde in mein Bett und starrte an die Decke, während aus meinem Laptop Musik dudelte. Die ersten zwei Wochen waren anstrengend gewesen und ich war so gar nicht zur Ruhe gekommen: Lernen bis spät in die Nacht, meine ersten Tests und natürlich meine erste Präsentation. An meinem ersten Wochenende hatte ich kaum Zeit zum Entspannen gefunden und so lag ich nun, da der schlimmste Stress von mir abgefallen war, einfach nur da und genoss es einmal nichts machen zu müssen. Natürlich hätte ich das gesamte Wochenende den Lernstoff lernen, vor- und nachbereiten können, doch manchmal braucht man auch einmal eine Auszeit. Und so verbrachte ich den Rest des Tages sowie einen Großteil des Wochenendes in meinem Zimmer, spielte Computer, las Bücher, schaute Filme und hörte entspannt Musik, ohne mich aus der Ruhe bringen zu lassen.

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