Freitag, 7. November 2008

Lee und der Zahn der Weisen

Lee gehört nicht zu jenen Mädchen, die gerne von sich selbst sprechen. Sie ist eher ruhig und lauscht dem Gespräch der anderen. Nichtsdestotrotz laufen wir jeden Morgen gemeinsam zur Universität haben und haben fast immer interessante Gespräche. Auch wenn sie manchmal nicht viel sagt, ist sie doch immer höflich, hört interessiert zu und lächelt. Am Montagmorgen war Lee aber ruhiger als sonst, machte den Mund kaum auf und wirkte ziemlich mürrisch. Als ich der Sache auf den Grund ging, stellte sich heraus, dass Lee seit gestern unter Zahnschmerzen litt und ihr im wahrsten Sinne des Wortes ihr Weisheitszahn aufs Gemüt drückte.


Bild1: Ein Bild von Lee beim Verlassen ihrer Wohnung. Damit auch jeder vor Augen hat, wer Lee eigentlich ist.

Als wir uns mittags in der Mensa trafen, war Lee noch immer schlecht gelaunt und so kam keines unserer interessanten Tischgespräche zustande. Als sie dann auch noch zwanzig Minuten lang lustlos in ihrem Essen herumstocherte und kaum einen Bissen hinunter bekam, wurde es mir zu bunt und ich schleppte Lee zum Health Center der Universität. Das Health Center liegt genau gegenüber vom International Center und bietet medizinische Hilfe aller Art für kranke oder verletzte Studenten an. Obwohl Lee sich zunächst versuchte herauszureden, da sie kaum Japanisch sprach und Angst hatte sich zu blamieren, konnte ich sie schnell überreden sich ein Herz zu nehmen und die Dame am Schalter anzusprechen. Zu ihrer Unterstützung baute ich mich neben ihr auf und war bereit jederzeit einzugreifen, sollte das Gespräch aus dem Ruder laufen. Mit ein paar Brocken Japanisch, Händen und Füßen und ein wenig Englisch machte Lee der Dame am Schalter schließlich klar, dass sie Zahnschmerzen hatte und sofort erhielten wir die Adresse einer Zahnarztpraxis in Soka, in der Lee schnellstmöglich vorbeischauen sollte. Wir bedankten uns bei der Dame am Health Center und bevor Lee wieder versuchen konnte dem Unvermeidlichen aus dem Wege zu gehen, vereinbarte ich für den Nachmittag einen Termin zu dem wir uns treffen und gemeinsam zum Zahnarzt gehen wollten.
Nach dem Unterricht machten wir uns dann zu der Zahnarztpraxis auf, die in der unmittelbaren Nähe des Bahnhofs von Soka lag. Hatte am Vormittag die Sonne noch geschienen, zog sich der Himmel allmählich zu, bis kurz vor der Zahnarztpraxis ein lautes Donnern das Wetter für unseren Heimweg besiegelte. Noch trocken kamen wir in der Zahnarztpraxis an und waren angenehm überrascht, dass die Sprechstundenhilfe perfektes Englisch sprach. Schon nach kurzer Zeit hatte Lee einen Termin für den nächsten Tag vereinbart und so blieb uns nichts anderes übrig als nach draußen in das unvermeidliche Unwetter zu treten. Schnellen Schrittes rannten wir zum Bahnhof und hofften dort bis zum Ende des Unwetters verweilen zu können. Doch wie wir bereits aus Erfahrung wussten, dauerten Unwetter in Japan meist bis spät in die Nacht, wenn nicht sogar bis zum nächsten Morgen an. Und so blieb uns letztlich nichts anderes übrig, als lachend über unser eigenes Pech Richtung Wohnheim zu rennen und einmal mehr mit durchweichten Schuhen und vollgesogenen Hosen im Fahrstuhl zu stehen. Und so stand ich am Abend wieder mit meinen nassen Schuhen vor dem Gasherd und hielt sie über die Flamme. Um den Abend doch noch halbwegs positiv ausklingen zu lassen, bereitete ich mir am Abend eine große Schüssel Sahnepudding zu und lag vollgefressen aber glücklich in meinem Bett.


Bild2: Das Schild von der Zahnarztpraxis "Smile" bei der wir waren. Anhand des Schildes habe ich Lee die Schriftzeichen für Zahnarzt beigebracht.


Bild3: Nachdem man eine steile, enge Treppe hochgestiegen ist, steht man vor der Praxis.


Bild4: Auf der anderen Seite der Tür: Die Rezeption der Praxis.


Bild5: Ein Schwenk nach links zur Spielecke für die Kinder. Die Praxis sieht genauso wie eine Zahnarztpraxis in Deutschland aus.

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