Samstag, 8. November 2008

Frau Sakatani blüht auf

Am Anfang des Semesters habe ich die ersten Eindrücke meiner Lehrer beschrieben. Nach einigen Wochen Unterricht haben sich all jene Lehrer ins Positive oder ins Negative verändert. Und ich frage mich, ob sich nur meine Sichtweise oder die Lehrer an sich verändert haben.
Meine unbeliebteste Lehrerin ist mittlerweile Frau Ezoe, die den Montagsunterricht leitet: Da sie die ganze Zeit nur alleine redet und die Studierenden kaum zu Wort kommen lässt, hängt fast der gesamte Kurs eingeschlafen in den Stühlen und bemerkt nur am Rande ihre unverständlichen Erklärungen, die sie mit ihrem typischen "Wardasverständlichjadaswarverständlich." beendet. ("Der schlafende Chinese")
Dicht gefolgt wird sie von Frau Fukuda, der überstrengen Lehrerin vom Dienstag, die zur Vorbereitung meiner Präsentation aber doch eine andere, sensiblere Seite durchschimmern ließ. In den letzten Wochen ist sie ein wenig freundlicher geworden und ihre offensichtliche Abneigung gegen unseren Kurs ist in eine hohe Erwartungshaltung umgeschlagen, mit der jeder zu kämpfen hat. ("Die Ultrahand wirkt Wunder...")
Die Mitte in meinem privaten Ranking belegt Frau Nomura. War sie in den ersten Semesterwochen noch eine meiner Lieblingslehrerinnen, so ist ihr Unterricht mit der Zeit doch ein wenig einschläfernd und ermüdend geworden. Ohne Frage ist sie nett und aufgeschlossen, aber man sitzt in ihrem Unterricht oftmals doch nur einfach seine Zeit ab. ("Frau Nomura und Tomomi")
Den ersten Platz belegen Frau Takeda, die ältere, lustige Dame vom Freitag, und Frau Sakatani, die etwas konfuse Lehrerin vom Mittwoch. Habe ich schon des Öfteren beschrieben wie amüsant und unterhaltsam der Unterricht von Frau Takeda ist ("Von Planungen, Vorbereitungen und Wagnissen"), überrascht es mich selbst wie sehr ich mich mittlerweile auf den Unterricht von Frau Sakatani freue. War sie zu Beginn noch jene Lehrerin, die viel zu spät in den Unterricht kam, orientierungslos in einem Wust von Blättern herumstöberte und hektisch durch das Lehrbuch blätterte, während sie unverständliche Erklärungen von sich gab, hat sich ihr Unterricht Woche um Woche verbessert und sie hat es geschafft eine gute Beziehung zu unserem Kurs aufzubauen.
Ein wichtiger Meilenstein für die enge Verbundenheit unseres Kurses zu Frau Sakatani war sicherlich der Unterricht an meinem 47. Tag in Japan. Einer der ausländischen Studierenden verkündete vor Beginn des Unterrichts, dass er gehört habe Frau Sakatani würde den Unterricht früher beenden, wenn man schnell genug das nötige Lernpensum für einen Tag hinter sich gebracht hätte. Und da jeder von der Möglichkeit eines früheren Unterrichtendes motiviert war, wurde vereinbart das der Kurs heute geschlossen dem Tagesziel "Das Pensum möglichst schnell erfüllen" entgegenarbeiten solle. Nachdem Frau Sakatani das Zimmer betreten, ihr Lehrbuch aufgeschlagen und mit der ersten Aufgaben begonnen hatte, war sie mehr als nur verwundert, als plötzlich alle Studierenden fieberhaft mitarbeiteten. Vorallem weil sich insbesondere jene Studierenden hervortaten, die sonst nur däumchendrehend oder gelangweilt an ihrem Tisch saßen. Frau Sakatani konnte das Glück, das ihr wiederfuhr, gar nicht fassen und blühte unter der Mitarbeit aller Studierenden vollends auf. Mit Elan, Witz und Charme führte sie durch den Unterricht und konnte gar nicht aufhören lachend Anekdoten zu erzählen, denen alle lauschten, oder lächelnd Erklärungen zu geben, auf die alle eifrig nickend reagierten. Und von der Freude des Lehrers ließ sich auch der Kurs anstecken, was wiederum Frau Sakatani zu noch mehr Freudensprüngen und begeisterten Anekdoten antrieb. In dieser lockeren Atmosphäre zeigte sich deutlich, dass Frau Sakatani jene Lehrerin war, die den Studierenden am nächsten stand, nicht nur vom Alter, sondern auch vom Humor. So wurden die Grammatikübungen nicht nur zu einem bloßen Erfüllen des "Solls", sondern zu einem Wettbewerb, um die originellste und witzigste Satzkonstruktion. 
Letzten Endes beendeten wir den Unterricht doch pünktlich. Aber ich denke, dass dies niemanden der Anwesenden störte und viele an diesem Tag mit einem Lächeln den Klassenraum verließen, insbesondere Frau Sakatani.

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