Ich habe noch nie viel von jenen Tagen gehalten, die den symbolischen Beginn einer Jahreszeit markieren sollen. Denn wozu braucht man symbolische Anfänge, wenn in der Realität jeder komplett subjektiv entscheidet, wann der Winter in den Frühling, oder der Sommer in den Herbst umschlägt. Obwohl ich mich laut offizieller Festlegung schon seit September im Herbst befand, war für mich die Zeit in Japan größtenteils Sommerzeit gewesen, schließlich schien die Sonne, man konnte im T-Shirt durch die Straßen laufen und gelegentlich musste man sogar die Klimaanlage auf Kühlen einstellen. Auch wenn es in den letzten Woche des öfteren zu Regenschauern und Gewittern kam, hatte ich doch nie das Gefühl verloren mich im Sommer zu befinden. Zumindest bis heute, denn eine einfache Handlung läutete für mich heute ganz persönlich den Beginn der Herbstzeit ein: Das Einschalten der Heizung.
Wer nun aber denkt, dass das Einschalten der Heizung dem einfachen Aufdrehen einer Leitung gleichkommt, irrt sich. Denn obwohl ich schon seit meinem ersten Tag in Japan immer wieder an der Fernbedienung der Klimaanlage herumgespielt habe, muss ich eingestehen nie wirklich verstanden zu haben, was ich eigentlich mache. Irgendwann habe ich mich dann damit zufrieden gegeben, dass meine Klimaanlage auf Knopfdruck mein Zimmer auf 22° kühlen konnte und habe mich seitdem davor gehütet die Einstellungen zu ändern. Da kam es mir heute gerade recht, dass heute Yosuke nach dem Aufstehe, erst einmal laut fluchend über die Kälte in unserer Wohnung duschte und sich daraufhin sogleich in sein Zimmer verzog, um so lange an seiner eigenen Klimaanlage herumwerkelte, bis sie begann sein Zimmer zu heizen. Nur leider war das Heizen weniger Ergebnis eines grundsätzlichen Verständnisses der Funktionsweise, als vielmehr ein Glückstreffer, weshalb Yosuke kurz darauf mit mir gemeinsam vor der Fernbedienung meiner Klimaanlage saß und versuchte zu rekonstruieren, wie er es geschafft hatte auf Heizen umzustellen. Mit Bedacht auf verschiedene Tasten der Fernbedienung drückend, standen Yosuke und ich vor meiner Klimaanlage, bis uns endlich ein Schwall warmer, stinkender Luft ins Gesicht blies. Seitdem kann ich mein Zimmer bei jeder Gelegenheit binnen weniger Minuten auf die Temperatur eine Sauna aufheizen.
Um die kalte Jahreszeit angemessen zu begrüßen, habe ich mir mittags "Zenzai" gekocht. Zenzai ist eigentlich nichts anderes als Bohnen mit Wasser, Zucker und Mochi. Wobei Mochi wiederum nichts anderes ist, als klebrige Reismasse, die man wieder getrocknet hat. Die Zubereitung erforderte nur minimalen Aufwand und so saß ich mittags glücklich vor einer dampfenden Schüssel Zenzai und zelebrierte den Herbstanfang. Da Zenzai eientlich eine Nachspeise ist, war mein Mittagessen zwar sehr lecker, aber auch ziemlich süß. Deshalb bereitete ich mir abends dann ganz unspektakulär eine Schüssel Spaghetti mit Tomatensoße zu. Die waren zwar nicht kulinarisch ausgefeilt oder dem Beginn des Herbstes besonders nahestehend, dafür aber simpel in der Zubereitung, zeitsparend und magenfüllend. Und irgendwie hatte es dann auch etwas Nostalgisches nach zwei Monaten wieder einmal einfach nur gute, alte Spaghetti zu essen.
Bild1: Eine Süßspeise aus Bohnen, Wasser, Unmengen an Zucker und Mochi: Zenzai.
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