Samstag, 20. Dezember 2008

See ya, Shinya!

Der erste Japaner, dessen Bekanntschaft ich hier in Japan gemacht habe, war Shinya ("So ist Soka") Unser erstes Treffen lieg mittlerweile drei Monate zurück und allmählich rückt die Zeit des Abschieds immer näher. Denn nach den Feiertagen geht Shinya ab dem Dritten Januar in die U.S.A. und kehrt vermutlich erst wieder nach Japan zurück, wenn ich mich bereits wieder in Deutschland bin. Bevor Shinya ins Ausland geht, wollte er sich aber unbedingt noch einmal mit mir treffen und mein Angebot vom letzten Treffen einlösen, als ich ihm versprochen hatte ein deutsches Gericht für ihn zuzubereiten ("Meisterkoch"). Vor rund einer Woche hatten wir unser Treffen vereinbart ("Stiller Kampf im IC") und seitdem hatte ich stets gegrübelt welch "typisch deutsches Gericht" ich zubereiten solle. Das Problem war, dass ich keinen Ofen hatte, kein Fleisch aß und viele deutsche Zutaten überhaupt nicht im Sortiment der Supermärkte fand. Als dann der Tag des Treffens näher und näher rückte, entschied ich mich schließlich ein recht simples Mahl zuzubereiten, dass aber in meinen Augen typisch deutsch war: Kartoffeln mit Ei und Bohnen. Da mir dies aber doch ein wenig banal erschien, wollte ich wenigstens noch eine Suppe und einen Nachtisch reichen und plünderte das Paket meiner Mutter, die mir Markklösschen und Vanillepudding geschickt hatte.
Den gesamten Samstag war ich damit beschäftigt mein Zimmer aufzuräumen, die Wohnung zu putzen und die Kochnische mit all ihren Kochutensilien zu reinigen. Und als ich dann schon einmal den Vanillepudding zubereitet, die Wäsche gemacht, mich geduscht und rasiert hatte, war bereits 17 Uhr, also eine halbe Stunde bevor Shinya kommen wollte. Ich setzte mich an den Küchentisch und begann schon einmal die Kartoffeln zu schälen, was sich mit dem unhandlichen japanischen Schäler als weitaus zeitaufwendiger als erwartet herausstellte. Somit schnitzte ich die kommende halbe Stunde an den Kartoffel herum und ließ die Bohnen auftauen, die ich in der Tiefkühlabteilungen gefunden hatte. Als Shinya kurz nach der vereinbarten Zeit noch nicht da war, überprüfte ich mein E-Mailkonto und fand eine E-Mail von ihm, in der er ankündigte erst gegen 18 Uhr zu kommen und seinen Freund Yuuichi mitzunehmen, der bereits schon einmal zu unserem gemeinsamen Kochen gekommen war (Stipendien, Schmetterlinge und Sushi). Glücklicherweise hatte ich genug Lebensmittel da, um noch einer dritten Person Essen anzubieten und so begann ich die Kartoffeln zu kochen sowie die Bohnen und die Suppe zuzubereiten. Um 18 Uhr war Shinya aber immer noch nicht da und allmählich kam ich in Bedrängnis alle Speisen gleichzeitig warm zu halten. Letztlich kamen Shinya und Yuuichi erst um 18.30 Uhr an und entschuldigten sich sofort für ihre Verspätung. Ohne viele Worte zu verlieren, bat ich die beiden herein, dirigierte sie an ihren Platz und servierte ihnen Suppe.


Bild1: Meine aufgeräumte Küchenecke.


Ich muss gestehen, dass ich keine große Resonanz auf eine klare Brühe mit Markklösschen erwartet hatte, weshalb ich um so überraschter war, als Shinya und Yuuichi staunend auf meine bescheidene Suppe starrten, ihr Fotohandy zückten und begannen Bilder zu machen. Als ich mir dachte, sie reagierten ja so, als hätten sie noch nie in ihrem Leben eine klare Brühe mit Klösschen gesehen, wurde mir bewusst, dass sie möglicherweise wirklich noch nie eine klare Brühe mit Klösschen gesehen hatten. Als ich ihnen dann mein Hauptgericht servierte, waren sie total begeistert und konnten gar nicht aufhören mein Ei mit Kartoffeln und Bohnen mit Ahs und Ohs zu kommentieren. Ganz begeistert fotografierten sie das exotische Mahl und verlangten begeistert Nachschlag. Der Vanillepudding, den ich ihnen vorsetzte war dann nicht ganz so spektakulär, schließlich kannte sie so etwas bereits, dennoch meinte Shinya, dass Pudding in Japan eine ganz andere Konsistenz und einen gänzlich anderen Geschmack hatte. Als ich mich schließlich setzte und auch meinen Teller leer aß, war ich sehr erleichtert, dass mein doch recht bescheidenes Mahl so gut angekommen war. Shinya meinte, dass es ihm sogar ein wenig peinlich wäre, dass er im Vergleich zu mir nur recht simple Gerichte zubereitet hätte, woraufhin ich erwiderte, dass ihm seine japanischen Speisen möglicherweise genauso banal vorkämen, wie mir meine deutschen Gerichte. Und so hatte jeder vom anderen das Bild eines professionellen Kochs, obwohl jeder für sich doch der Meinung war, dass er nichts Großes gemacht hätte.


Bild2: Klare Brühe mit Markklösschen. Ein "exotisches Gericht" für Shinya und Yuuichi.


Bild3: Shinya und Yuuichi waren hell begeistert von meinen Kartoffeln und Bohnen auf Ei.


Nach dem Essen unterhielten wir uns dann über Shinyas Auslandssemester in den U.S.A. und seine Gestaltung der Feiertage. Voraussichtlich wollte er über Weihnachten mit seinen besten Freunden nach Hokkaido zum Snowboarden fahren und das Neujahrsfest mit seiner Familie feiern. Shinya meinte, dass seine Mutter zur Zeit sehr traurig wäre, weil sowohl er in die U.S.A. verschwand, als auch sein älterer Bruder Anfang des Jahres graduieren würde und dann ins Ausland ginge. Somit waren diese Feiertage für die nächsten Monate, möglicherweise sogar Jahre, das letzte gemeinsame Familientreffen und Shinya's Mutter müsse sich nun daran gewöhnen alleine für sich zu kochen, schließlich sei sein Vater bis spät Abends in der Firma und mit seinen Kollegen unterwegs. Für Shinya nahm ich an diesem Abend die Rolle des "Reiseexperten" ein, weshalb er mich ausgiebig über meinen Vorbereitungen für Japan befragte. Wieviel Gepäck ich mitnehmen durfte, was ich den Flug über gemacht hatte, wie es sich anfühlte sich von den Freunden zu verabschieden und wie ich Kontakt mit meiner Familie halten würde. Also erzählte ich von meinen Erfahrungen und wie es mir ergangen war, während Shinya aufmerksam lauschte, kurze Fragen einwarf und hin und wieder ein paar meiner deutschen Plätzchen aß, die ich auf den Tisch gestellt hatte.


Bild4: Die Plätzchen meiner Mutter, die ich Shinya und Yuuichi anbot.


Später bot ich Shinya an Lee einzuladen, damit sie ihm jene Fragen über die U.S.A. beantworten könne, auf die ich keine Antwort wußte. Dankbar nahm er an und so saßen kurze Zeit später Lee und Katharina mit am Tisch und sprachen mit Shinya. Ich denke Shinya war sehr gerührt von unsere Hilfsbereitschaft, insbesondere als Lee und ich ihm anboten, dass er uns jederzeit kontaktieren könne, wenn er Hilfe oder Unterstützung benötigen. Es wurde dann recht spät, und schließlich gingen Shinya und Yuuichi erst gegen Mitternacht zum Bahnhof. Es war ein wenig seltsam Shinya an der Tür zu verabschieden, wußte ich doch, dass ich ihn hier in Japan höchstwahrscheinlich nicht mehr sehen würde. Ich war am Abend dann ein wenig bedrückt, weil ich einerseits realisierte, dass es nun eine Person weniger gab, mit der ich mich treffen konnte und ich andererseits daran erinnert wurde, wie ich mich gefühlt hatte, als ich mich in Marburg von meinen Freunden verabschieden musste. Zumindest hoffe ich, dass Shinya seine Zeit in den U.S.A. genießen kann und unser Kontakt nicht abbricht. Vielleicht sehen wir uns ja eines Tages wieder in Japan, oder sogar in Deutschland und können wieder zusammen kochen.
See ya, Shinya!


Bild5: Yuuichi (oben-links), Shinya (oben-rechts), Lee und Katharina am späten Abend in ein Gespräch über die U.S.A., Auslandsaufenthalte und Reisen vertieft.



Film1: Ein kurzer Ausschnitt des Abend: Shinya und Lee reden über amerikanische Universitäten.


Film2: Ein weiterer Ausschnitt des Abends: Shinya fragt interessiert nach Ausländern, die nach Japan reisen würden.

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