Dienstag, 21. Oktober 2008

Stipendien, Schmetterlinge und Sushi

Nach dem regulären Sprachunterricht ging ich heute ins International Center der Universität, um mich wegen meines Stipendiums zu erkundigen. Nachdem ich Tag um Tag däumchendrehend in meinem Zimmer gesessen hatte und darauf wartete, dass sich mein Geld von alleine vermehren würde, beschloß ich, dass es nun an der Zeit sei die Sache selbst in die Hand zu nehmen. Ich hatte mir extra ein paar Vokabeln und Sätze zurecht gelegt, um möglichst elegant mein Anliegen vorzubringen. Doch kaum trat ich ins International Center, kam eine Bedienstete auf mich zugeeilt und wollte mich wegen des Stipendiums sprechen. Das brachte meine vorbereitete erst-einschmeicheln-dann-nachhaken-Strategie ins Wanken und letztlich stammelte ich doch nur ein paar holprige Sätze vor mich hin. Nichtsdestotrotz konnte die Frau mir glücklich berichten, dass ich ein Stipendium von der Universität erhielt. Mein Herz hüpfte vor Freude und ich war glücklich alleine durch meine guten Leistungen eigenes Geld erwirtschaftet zu haben. Nachdem ich erfuhr, dass das Stipendium etwa 20.000 Yen im Monat umfasste, wurde ich bereits ein wenig stiller. Schließlich sind dies nur etwa 140 EUR, von denen ich die Hälfte an meinen Mitbewohner Yosuke abgeben muss (das wird mir von der Marburger Universität vorgeschrieben). Nun ja, immerhin rund 70 EUR, dachte ich mir. Als mir die Angestellte des International Centers dann aber eröffnete, dass das Stipendium nur für ein halbes Jahr vorgesehen sei, rutschte mein Herz vollends in die Hose. Auf den Monat gerechnet blieben gerade einmal 35 EUR übrig, also grob ein Euro pro Tag. Natürlich bin ich nicht undankbar für das Geld, aber ein wenig mehr finanzielle Unterstützung hätte ich mir doch erhofft. Aber wenigstens kann ich fortan in meinen Bewerbungen immer schreiben, dass ich für meinen Japanaufenthalt ein Stipendium erhalten habe und das kommt ja immer gut an.
Auf dem Rückweg von der Uni, entdeckten Katharina, Lee und ich auf der Straße einen Schmetterling, der nicht mehr fliegen konnte. Da wir Mitleid hatten, nahmen wir ihn und setzten ihn auf eine Pflanze im nächsten Vorgarten. Natürlich erst nachdem wir ihn ausgiebig fotographiert hatten.


Bild1: Der Schmetterling auf Katharinas Hand.


Bild2: Der Schmetterling auf der grünen Pflanze, auf der wir ihn ausgesetzt haben.


Da man ein japanisches Konto benötigt aus welches das Stipendium überwiesen wird, war es für mich und Lee (Sie erhält auch ein Stipendium) unvermeidlich bei einer japanischen Bank ein eigenes Konto zu eröffnen. Dies wiederum geht nur mit einem japanischen Namensstempel, der vergleichbar mit unserer Unterschrift ist. Da wir aber beide sehr unsicher im Umgang mit dem Japanischen sind, und man gerade beim Anfordern eines offiziellen Namensstempel besser keine Fehler machen sollte, planten wir einen Japaner als Dolmetscher in unsere Aktion einzuspannen. Da kam es uns natürlich gerade recht, dass ich mich ohnehin abends mit Shinya und einem seiner Freunde treffen wollte. Und so liefen am späten Nachmittag Lee, Shinya, Katharina, Yuuichi und ich einmal mehr durch das Bahnhofsviertel von Soka um ein Geschäft für Namensstempel aufzusuchen. Mit Shinya als Dolmetscher war die gesamte Bürokratie keine Schwierigkeit und zum Beginn der nächsten Woche konnte ich nun meinen eigenen Namensstempel abholen. Da Yuuichi und Shinya sich entschieden hatten zum Abendessen Okonomiyaki und Sushi zuzubereiten, kauften wir auf dem Rückweg gemeinsam im Supermarkt alle nötigen Zutaten ein. Dabei standen wir dann zwischenzeitlich zu fünft vor dem riesigen Angebot an frischem Fisch in den Kühlregalen und schauten alle nachdenklich. Yuuichi und Shinya, weil sie überlegten welche Fischsorte sie den Ausländern wohl servieren sollten; Katharina, weil sie überlegte wie sie am höflichsten sagen könnte, dass sie gar keinen Fisch aß; Lee und David, weil sie all die Fischsorten nicht unterscheiden konnten und hofften, dass am Abend kein Fisch mit Augen und Flossen auf auf den Sushi lag.


Bild3: Das Geschäft, in dem ich meinen Namensstempel habe anfertigen lassen.


Nachdem wir wieder im Wohnheim waren, machten sich Yuuichi und Shinya sich ans Zubereiten, während ich versuchte möglichst beschäftigt durch die Gegend zu wuseln. Yosuke, der auch mitessen wollte, hatte sich auf sein Zimmer verschanzt, um nicht beim Zubereiten mithelfen zu müssen. Ebenso die beiden Mädchen. Und so stand ich dann ein wenig hilflos neben Yuuichi und Shinya und versuchte mir das ein oder andere abzuschauen. War es zu Beginn noch ein wenig steif und förmlich, entspannte sich die Atmosphäre spätestens nachdem die ersten Okonomiyaki zubereitet waren und sich nach und nach alle Gäste einfanden. Während Shinya mit Yosuke und Michael über Fußball sprach, saß ich mit Lee und Yuuichi vor dem Reis, um ihn mit improvisierten Fächern kaltzuwedeln. Mit Lees Fotoapparat bewaffnet machte ich mich dann daran den amüsanten Abend in Fotos festzuhalten, bis verkündet wurde, dass das Sushi-Buffet nun eröffnet war. Dann durfte jeder der Anwesenden unter Beweis stellen, wie aufgeschlossen er dem kulinarischen Angebot Japans gegenüberstand. Nachdem alle peinlich berührt auf den rohen Fisch äugelten, nahm ich mir ein Herz und aß als Erster den rohen Fisch auf Reis. Und ich muss sagen, dass es gar nicht schlimm war. Der rohe Fisch schmeckte eigentlich nach nichts, weshalb ich auch nicht sagen konnte ob roher Thunfisch, Lachs oder Bonito nun am besten schmecken würden. Vorbildlich steckte ich mir ein halbes dutzend Sushi in den Mund und erntete einen anerkennenden Blick von Yuuichi und Shinya. Als es dann allerdings an die Fischeier ging, verließ mich mein Mut und ich lehnte höflich ab. Lee versuchte ihr Glück an den Fischeiern, stand dann aber ziemlich unglücklich mit vollem Mund mitten im Raum und versuchte vergeblich zu verstecken, dass diese ihr so gar nicht zusagten. Gegen zehn Uhr mussten Shinya und Yuuichi gehen und Katharina, Yosuke und zwei andere Deutsche saßen noch einige Zeit in der Kücke und unterhielten sich. Ich war zu diesem Zeitpunkt bereits wieder in meinem Zimmer und berichtete übers Internet von meinem interessanten Abend.


Bild4: David und Yuuichi beim Kühlen des Reis.


Bild5: Schichtwechsel: Lee und Yuuichi beim Kühlen des Reis.


Bild6: Shinya (links), Michael aus Bremen (mitte) und Yosuke (rechts) beim Gespräch über Fußball.


Bild7: Unser Sushi-Buffet. Ein Pott Reis, dahinter Sojasoße mit Wasabi, die rohen Fischscheiben und die gefürchteten Fischeier.

4 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Heisst das du musst Yosuke dazu zwingen seine Leistungen auf den Punkt vom Stipendium zu verbessern, somit du erstens dein Geld wieder zurückerhälst und zweitens - im zweiten Semester...^^?

Ferner die Fischeier, so wenig geliebt von deiner Wenigkeit sehen ausgesprochen nach rotem Kaviar, roh, aus (die Alternative wäre gesalzen, wie Papa's Mitbringsel zu meinem Geburtstag, leider nur eine recht begrenzte Menge, ausgesprochen schmackhaft). Zudem ist mir schon bei deinen früheren Klagen aufgefallen, dass ich im Sinne des Multikulti etwas voraus habe, sei es auch die nicht filetiert erhältliche Fischsorten... der Normalfall in Ukraine.

Ferner ist es 7 Uhr morgens, und ein weiterer Uni Tag beginne (Seminarbesprechung mit Partner, andere Seminararbeitbesprechung mit Professorin, Semesterarbeit Besprechung mit Prof, anderer. Kopien, Vorlesung, zu Hause müd zusammensinken und alles auf morgen früh schieben...)

Was für Interessen hat ein DurchschnittsUnijapaner deines Alters?

K.

Anonym hat gesagt…

Hi K.,

Das Stipendium ist vollkommen unabhängig von Yosuke, ich teile es nur mit ihm, weil unsere Uni es so vorschreibt. Was im zweiten Semester ist, nun darüber schreibe ich noch...
Und es ist interessant, dass es in der Ukraine einige ähnliche Spezialitäten gibt, wie in Japan. Ich hätte dir die übrigen Fischeier ja gesendet, aber...naja...Kaviar habe ich sie bewußt nicht genannt, da sie für mein Empfinden viel größer waren als der normale rote Kaviar, den man bei uns kennt.
Und vielleicht schreibe ich einmal etwas über die Interessen, des Durchschnittsjapaners, obwohl du dir ja schon einiges anhand der bisherigen Beiträge zusammenreimen kannst...

Viele Grüße nach Deutschland

Anonym hat gesagt…

Aber sollte die gleiche Forschrift nichts auch für Yosuke gelten, d.i. im Falle er bekäme ein Stipendium - was wohl zur Zeit nicht der Tatsache entspricht - müsste er diesen ebenfalls zur Hälfte weiter leiten, also an Dich. Somit bitte ich dich meine Überlegung doch zu überdenken. Obschon dein Mitbewohner eher lässig wirkt...

Kaviar(russisch "Ikra") ist meines Wissens nach alles kleine Runde was herauskommt wenn man dem Fische entsprechenden Geschlechts den Bauch aufschlitzt. Die Größen, auch die Farben mögen dabei variieren, es bleibt köstlich.

Aber wie das Wetter und Finanzen stehen bin ich zur Zeit am Suppen verzehren. Sei es die 29-59 Cent Instant Zeug made not in Germany, oder die aufwändigere fürwahr Kochen Variante.

Einen Beitrag zum Thema "Interessen des Durchschnittsjapaners im Studentenstatus", ausführlich und sachgetreu, habe ich allerdings noch nicht entdecken können. Wie wäre es als ein Halloween Geschenk für die Liebe arme Freundin weit weg?

Zusätzlich: Herzlichen Glückwunsch zum erfolgreichen Vortragen! Ich würde dich bitten mir den Vortrag zuzuschicken, doch ich fürchte nichts verstehen zu können:( Nur ein weiterer Beweis wie toll Du bist!

(Ich denke ich werde dich irgendwann später beauftragen mir eine Manga-Serie aus Japan zu schicken, aber es ist noch Zeit...)

Und ich habe ein Semesterarbeitthema, at last! Ultrasonic vocalisation in rat pups. In sweetish, cutish little white rat pups. Though I am supposed to merely statistically evaluate the already gathered experiment data and of course read tones of literature. Anyway I am happily relaxed and everything shall be good.

Greetings, glomp, hug to the best David in the world.

Kath.

Anonym hat gesagt…

Hi Kath.,

Du hast Recht: Wenn Yosuke ein Stipendium bekäme, müsste er es auch mit mir teilen. Der Haken hierbei ist, dass jeweils nur einem Marburger Student ein Stipendium zusteht. Somit bringt es nichts, wenn Yosuke als totaler Überflieger alle anderen Auslandsstudierenden in den Schatten stellen würde, denn dann bekäme er zwar ein Stipendium, ich aber nicht mehr.

Oh, und man glaubt gar nicht wie viel Zeit die beschriebenen Clubs und Zirkel in Anspruch nehmen: http://david-in-soka.blogspot.com/2008/09/hippe-hip-hopper.html
Mitunter treffen sich einige Clubs jeden Wochentag für zwei Stunden, das läppert sich schon zusammen. Nichtsdestotrotz, werde ich noch einmal genauer auf deine Bitte eingehen. ; )

Vielen Dank für deine Glückwünsche. Ich wünsche auch dir viel Erfolg bei deiner Semesterabschlussarbeit.

Alles Liebe aus Japan