Mittwoch, 8. Oktober 2008

A day in the woods

Heute war die Exkursion in die Gegend um den Fuji, bei der sich Ausländer und Japaner näher kennenlernen sollten. Da wir uns bereits um 7.45 Uhr am Hauptgebäude der Dokkyo-Universität treffen sollten, stand ich bereits um 6.30 Uhr auf, um morgens noch schnell ein paar Eier für mein provisorisches Sandwich zu braten, schließlich wollte ich für den 11stündigen Wandertag mit außreichend Nahrung gewappnet sein. Nachdem ich meinen besten Freund, die Trinkflasche, befüllt hatte, traf ich mich mit Yosuke, Lee und Katharina vor dem Wohnheim und gemeinsam liefen wir gen Universität. Vor dem Hauptgebäude standen dann auch schon zwei Busse und eine ganze Horde von wanderwütigen Japanern und Nicht-Japanern. Zunächst wurde ich zu einem Tisch gedrängt, an dem jeder Teilnehmer einen Aufkleber mit seinem Namen abholen musste, um ihn irgendwo auf das T-Shirt zu kleben. Da bei der Willkommensfeier für die ausländischen Studierenden bereits die gleiche Prozedur durchgeführt wurde, war ich es schon gewohnt mich stolz mit meinem Namen auf der Brust zu präsentieren. Bevor ich mich zurechtfinden konnte, standen plötzlich schon zwei Japaner vor mir und reichten mir die Hand. "Wie heiße ich?" fragte der eine sofort auf Japanisch uns wies mich auffällig auf sein Namensschild hin. "Äh, Taka...", "Jaja, das genügt. Nenn mich Tak, so nennen mich alle. Und das ist Shuuhei." Er zeigte auf den Japaner neben sich, der wiederum auffällig auf sein Namensschild zeigte und noch einmal langsam die japanischen Silben wiederholte. "Shu-u-he-i." Dann standen sie beide grinsend da und Tak zeigte auf Katharina, die unsicher hinter mir stand. "Wer ist das? Stell sie uns doch mal vor.  Natürlich auf Japanisch!" Das Grinsen der beiden wurde breiter und ich wurde das Gefühl nicht los, dass mich Tak und Shuuhei absichtlich auf den Arm nahmen. Mit ein paar Fehlern stellte ich Katharina Tak und Shuuhei vor. Nachdem ich fertig war, grinsten die beiden immer noch, schauten sich an und Tak wiederholte einen fehlerhaften Satz von mir, woraufhin beide sich das Lachen verkneifen mussten. Ich fühlte mich ziemlich unbehaglich und malte mir bereits aus, wie es wohl wäre, wenn die beiden während der Busfahrt neben mir sitzen und mich die gesamte Zeit so behandeln würden. Unsicher fragte ich, welchem Bus die beiden denn zugewiesen wurden, woraufhin beide gleichzeitig auf Bus 1 deuteten. Äußerlich enttäuscht und innerlich sehr erleichtert gab ich bekannt, dass ich "leider" Bus 2 zugeteilt wurde. Und da wir uns bereits kurz vor der Abfahrt befanden, drehte ich mich langsam in Richtung Bus und versicherte Ihnen, dass ich mir ihre Namen merken und mich sehr freuen würde sie nach der Hinfahrt wieder zu treffen. Nachdem ich mich in einem sicheren Abstand wägte, klopfte mir bereits wieder jemand auf die Schulter, Ich blickte mich um und stand genau vor Shinya, dem Japaner, der mich an meinem ersten Tag in Japan mit Izumi am Bahnhof abgeholt, zum Wohnheim gebracht und mir schließlich die Universität gezeigt hatte. Ich begrüßte ihn und er war sehr verwundert, dass ich mich sogar noch an seinem Namen erinnern konnte. Wir unterhielten uns kurz und stellten fest, dass er auch im zweiten Bus fuhr. Kurze Zeit später stieg ich dann gemeinsam mit Lee und Katharina in den Bus. Die beiden setzen sich nebeneinander und ich saß davor. Als ich schon befürchtete, dass ich die ganze Fahrt über alleine sitzen müsste, kam Shinya und fragte, ob er sich neben mich setzen könne, was ich glücklich annahm. Dann fuhren wir pünktlich um 8 Uhr vor dem Hauptgebäude der Universität ab.


Bild1: Tak ohne seinen ständigen Begleiter Shuuhei.



Bild2: Shinya muss für das Foto in die Sonne schauen.


Gleich nach der Abfahrt bekamen wir Prospekte für den Ausflug ausgeteilt, schließlich wußte ich bis jetzt immer noch nicht genau, wo es überhaupt hinging. Mit der Unterstützung von Shinya entzifferte ich dann, dass wir im Anschluss an die dreistündige Fahrt zunächst wandern würden, dann auf einer Aussichtsplattform unser Mittagessen verzehren und schließlich wieder den Berg hinabsteigen würden. Im Anschluss ginge es zu einer nahegelegenen Höhle, um letztlich ein traditionelles Dorf zu besuchen. Gegen 15.30 Uhr sollte es dann schließlich wieder zurück nach Soka gehen. Natürlich ließen sich die drei Stunden Hinfahrt nicht nur mit der Lektüre eines Programmheftchens füllen und so kam ich mit Shinya ins Gespräch. Gleich zu Beginn fragte ich ihn, wo denn Izumi sei. Da blickte er etwas verwirrt, zuckte die Schultern und fragte wie ich denn auf Izumi komme. Etwas irritiert erinnerte ich ihn, dass Izumi doch seine Freundin sei, und befürchtete bereits ihn in eine verlegene Situation zu bringen, da er sich möglicherweise von ihr getrennt haben könne. Da schaute er ganz erstaunt und fragte, wer denn behauptet habe, dass er und Izumi zusammen seien. Nach kurzer Zeit klärte sich das Missverständnis auf: Am ersten Tag wollte Izumi nämlich mit ihren bisherigen Englischkenntnissen sagen, dass Shinya ein männlicher Freund von ihr sei. Dies übersetzte sie allerdings irrtümlicherweise mit "boyfriend", weshalb ich stets im Glauben war, dass die beiden ein Paar seien. Über dieses Missverständnis aufgrund der Sprache, kamen wir mit Lee ins Gespräch und unterhielten uns über interkulturellen Austausch zwischen Japan, Deutschland und den USA. Dabei fühlte ich mich wie ein Experte für Deutschland, schließlich waren alle auf mein Wissen angewiesen. Und so erzählte ich bereitwillig über Esskultur, Dialekte oder auch Sport in Deutschland. Zwar studiert Shinya Wirtschaftswissenschaft, dennoch möchte auch er gerne ein Jahr im Ausland verbringen, allerdings in den USA. Bisher war er aber nur für kurze Zeit in Deutschland, am aufregendsten fand er dort die Autobahnen, da diese im Gegensatz zu Japan kein Tempolimit besitzen. Er wußte sogar noch ein paar deutsche Sätze, die ihm letztes Semester ein deutscher Studierender beigebracht hatte, nämlich "Ich kann ohne dich nicht leben.", "Gute Nacht, meine Prinzessin." und "Deine Augen funkeln wie die Sterne." Ich fragte mich wer ihm diese, nun ja, doch recht kitschigen Sätze beigebracht hatte, und bot ihm an einen etwas alltagstauglicheren Ausdruck an, den er auch im Gespräch mit Jungen benutzen könne. Da er ganz erpicht darauf war modernes Deutsch zu lernen, brachte ich ihm "Alter, was geht ab?" bei. Das ist zwar übelster Jugendslang, aber zugegebenermaßen doch eine häufige Begrüßungsformel unter deutschen Jugendlichen. Begeistert gab er seinen neuen Satz an seine Freunde im Bus weiter und bald verbreitete sich mein Begrüsungsformel wie ein Lauffeuer, bis sich schließlich am Ende des Tages fast alle Japaner und Japanerinnen mit "Alter, was geht ab?" anredeten. Möglicherweise habe ich damit ja eine Lawine ausgelöst und eine neue Begrüßung für japanische Jugendliche eingeführt. Im Gegenzug ließ ich mir dann auch bereitwillig das japanische Pendant beibringen.
Als wir schließlich an unserem Zielpunkt ankamen, bekam jeder erst einmal ein Bento in die Hand gedrückt. Das ist ein schön anzusehendes Sammelsurium an Speisen, das man als Mahlzeit für unterwegs kaufen oder auch selbst zubereiten kann. Dann stiegen alle mit ihren Bento im Gepäck auf die nahe liegende Anhöhe, was richtig war anstrengend, da es mitunter eine Steigung von rund 40 Prozent gab. Ich lief den Großteil des Weges gemeinsam mit Lee und Shinya und unter Keuchen und Schnaufen kamen wir auf einer Zwischenhöhe an. Nach einer kurzen Fotopause, ging es gleich weiter den Berg hoch, bis wir nach einer Gesamtzeit von rund einer Dreiviertelstunde die eigentliche Aussichtsplattform erreichten. Dort wurden dann in typischer Touristenmanier von der Umgebung und den Freunden Fotos gemacht. Endlich wurde auch das Bento gegessen und sich dabei wieder ausgetauscht. Ich traf auch wieder auf Tak und Shuuhei, die mir diesmal aber glücklicherweise nicht so forsch entgegentraten, vorallem mit Tak unterhielt ich mich dann doch noch ganz gut. Insgesamt kam ich mit vielen anderen Japanern ins Gespräch (und aufs Bild) und nach einer knappen Stunde stiegen wir den Berg dann auch wieder herab.


Bild3: Der Zwischenstop während des Aufstiegs. Ganz links in grün-weiß steht Yosuke. Alle tragen in den Beuteln ihre Bento.



Bild4: Lee fotografiert die Aussicht.



Bild5: Aussicht nach dem Aufstieg.



Bild6: Mein Bento zum Mittagessen.



Bild7: Eine quirlige Japanerin, die sich auf's Bild geschlichen hat, Tak, Katharina und Shinya. Shinya sagt gerade "Was geht ab, Alter?"


Nachdem wir eine Weile durch den Wald gestiefelt waren und dabei die Super-Mario-Melodie gesummt hatten, fuhren wir zu den Höhlen. Hatte ich eigentlich eine spektakuläre Tropfsteinhöhle erwartet, wurde ich von einem mickrigen Höhlensystem enttäuscht, das stellenweise nur einen halben Meter hoch war. So quetschte ich mich teilweise fast auf allen Vieren durch die feuchten Bergspalten, ganz zur Belustigung der meisten jungen Japanerinnen. Irgendwie verlor ich beim Fotografieren dann Shinya und Lee, und so lief ich erst eine Weile alleine umher, bis ich schließlich von Shuuhei aufgegabelt wurde. Während wir wieder zum Bus liefen und uns unterhielten, fiel mir auf wie schlecht Shuuheis Englisch war. So hielten wir mit einem Mix aus Englisch, Japanisch und sogar Chinesisch eine Konversation aufrecht. Und ich erfuhr, dass Shuuhei statt Englisch, seinen Fokus aufs Chinesische gelegt hatte, was auch ich für ein Semester lang gelernt hatte. Es ist nicht viel, aber wir konnten immerhin drei chinesische Sätze austauschen. Nach kurzer Zeit stiegen wir wieder in den Bus und fuhren schließlich ins traditionelle Dorf.



Bild8: Niedrige Höhlen. Die Japanerin vor mir geht mir bis zur Brust und muss sich dennoch bücken...


Etwa 90 Minute liefen wir zwischen einer einem Dutzend von traditionell errichteten Häusern umher. Was sich spontan nicht unbedingt interessant anhörte, entpuppte sich als ein Paradies für Fotografen. Und so schoss ich ein Bild nach dem anderen, bis zu meinem Erschrecken der Foto auf dem Display "Die Kapazität der Speicherkarte ist erschöpft" anzeigte. Das lies mich in ein fünfminütiges Stimmungstief fallen, wollte ich den Wandertag doch schließlich zum Fotografieren von Land und Leuten nutzen. Nachdem ich dann ein wenig mit Katharina und Tomomi herumgelaufen war, kletterte ich aus dem Stimmugstief heraus und landete schließlich gemeinsam mit Shuuhei, Tak, Shinya, Lee, Katharina und Tomomi auf einem kleinen flachen Feld, auf dem man "Takeuma" laufen konnte. "Takeuma" heißt wörtlich übersetzt Bambuspferd und ist die Bezeichnung für eine japanische Art von Stelzen. Ich kann mich nicht erinnern jemals sonderlich gut im Stelzenlaufen gewesen zu sein, dennoch lies ich mich von Tak und Shuuhei überreden es zu versuchen und stolperte dann auf meinem "Bambuspferd" durch die Gegend. Auch Lee und Katharina erging es nicht viel besser, doch immerhin schaffte ich schließlich 16 Schritte, mein persönlicher Rekord. Davon lies sich aber vorallem Shinya nicht beeindrucken, der mit den Stelzen durch die Gegend lief, als hätte er nie etwas anderes gemacht. Nachdem wir zum Bus zurückgingen entdeckten wir am Wegesrand eine Gottesanbeterin. Bis jetzt bin ich noch vollkommen begeistert eine echte Gottesanbeterin aus nächster Nähe gesehen zu haben, die einmal nicht hinter einer Glasscheibe saß. Katharina hat sie dann auf die Hand genommen und nachdem ich ein paar Fotos gelöscht hatte, versuchte ich Bilder zu machen, aber leider ging es nicht. Wie sich später herausstellte, war mein Foto auf Video eingestellt und so habe ich nun nur ein 1sekündiges, unscharfes Video von der Gottesanbeterin. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob man irgendwas erkennen kann, wenn man nicht weiß, was man zu sehen hat. Nachdem Katharina die Gottesanbeterin auf einen Busch gesetzt hatte, rannten wir zum Bus, stiegen ein und fuhren wieder Richtung Soka.



Bild9: Ausblick auf das traditionelle Dorf.



Bild10: Tomomi lächelt für die Kamera.



Bild11: Blumen am Wegesrand.



Bild12: Eine Toneule betrachtet das Geschehen. Sie hat mich an das Lieblingskuscheltier meines Bruders erinnert, als wir noch Kinder waren.



Bild13: Schönes Steingarten neben dem Haus.



Ersatz für Bild14: Das Minivideo über die Gottesanbeterin. (Ihr Kopf ist rechts im Bild)

Zum Beginn der Busfahrt sprach  ich wieder mit Shinya und erfuhr, dass er einen Nebenjob als Koch habe, weshalb ich ihn einlud, doch einmal für uns alle zu kochen, schließlich bräuchten wir eine professionelle Einführung in die japanische Küche. Irgendwann wurde es dann leiser, viele waren erschöpft und einige schliefen. Ich drückte mein Gesicht an die Scheibe und versuchte so viel von der Landschaft aufzusaugen, wie ich nur konnte. Von den Wäldern, den Bergen, den vorbeiziehenden Dörfern, Felswänden, überholenden Autos, Flüssen, die sich unter mir durch die Ebenen schlängelten. Ein Blick zur Seite verriet, dass Lee das Gleiche tat. Ein kurzer Blick, ein kurzes Lächeln, dann drückten wir wieder unsere Gesichter an die Scheibe. Während ich darüber nachdachte welch einen schönen Tag ich erlebt und wie viele nette Bekanntschaften ich geknüpft hatte, wurde es allmählich dunkel und der Bus fuhr durch die Nacht nach zurück Soka.

4 Kommentare:

Hans Dampf hat gesagt…

Hallo David!
Ist ja wirklich erstaunlich, was du die armen Japaner alles lehrst.
Werde mich jetzt öfter melden, da ich seit heute Urlaub habe.
Gruß Papa
Was geht ab , David

Anonym hat gesagt…

Hallo Papa, was geht ab?
Es freut mich, dass du nun Urlaub hast. Ich bin ziemlich beschäftigt, habe aber nun endlich den Eintrag fertiggestellt.
Und erst am Freitag hat mir ein Japaner gegen die Schulter gestoßen, genickt und gefragt: "Was geht ab?"

Anonym hat gesagt…

Hallo Bruder!
Die Eule sieht wirklich fast so aus wie damals die ICH hatte!
Erstaunlich das sie so weit Fliegen konnte!!!!!!!

Ganz lieber Gruß
Dein Bruder

Anonym hat gesagt…

Ich hätte sie klauen und zu dir nach Deutschland schicken sollen...

Viele Grüße an meinen großen Bruder!