Dienstag, 30. Dezember 2008

Einzelkämpfer

Heute hatten wir in einem der vielen Computerräume der Dokkyo-Universität Unterricht. Man könnte sagen, dass dies das Weihnachtsgeschenk von unserer Lehrerin Frau Nomura an uns war, denn bisher hatten wir noch nie Unterricht in einem Computerraum. Der Anlass hierfür war eine Sammlung von nützlichen Internetlinks, die Frau Nomura für uns zusammengestellt hatte, um uns das Durchforsten des japanischsprachigen Internets zu erleichtern. Nachdem sie die ersten Internetseiten geöffnet hatte und uns zeigte, wie man effektiv japanisch lernen oder sich japanische Seiten bequem mit einer Vokabelliste anzeigen lassen konnte, lernte ich ihre Linksammlung sofort zu schätzen. Während die anderen sonstwo im Internet surften und sich nicht einmal Mühe gaben interessiert zu schauen, folgte ich begeistert den Ausführungen von Frau Nomura und notierte mir alles, was ich für nützlich hielt. Und so war ich wohl der Einzige, der an diesem Mittag in der letzten Unterrichtsstunde von Frau Nomura aufpasste. Beim Verlassen des Computerraums merkte ich mir die Worte, die sie benutzte, um uns ein gutes, neues Jahr zu wünschen und richtete sie von da an an jeden, den ich das letzte Mal vor den Festtagen traf.
Kurz nachdem ich im Wohnheim angekommen war, traf Yosuke mit einem Freund von ihm ein, der für die nächsten zwei Tage bei uns in der Wohnung wohnen sollte. Vielleicht hatte ich ihn in Marburg schon einmal gesehen, denn er kam mir irgendwie bekannt vor, aber seinen Namen wußte ich nicht. Er hatte ihn mir genannt, als er sich vorstellte, aber leider habe ihn wieder vergessen. In der kurzen Zeit, in der wir uns unterhielten, merkte ich aber, dass er ein sehr netter, aufgeschlossener Mensch war. Mit seinem Studium war er bereits fertig und reiste nun durch Japan, um sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser zu halten. Eine interessante Lebensweise dachte ich mir, war ich doch bisher immer von dem leicht verklärten Bild ausgegangen, dass jeder nach dem Studium irgendwo einen halbwegs festen Job findet. Yosukes Freund hingegen reiste mehr oder weniger auf sich alleine gestellt durch Japan, schaute sich an was er mochte, tat was ihm gefiel und begann immer wieder dann zu arbeiten, wenn sein Geld knapp wurde. Wir unterhielten uns ein wenig über dieses Leben und er meinte, dass es praktisch wäre, um viel in Japan herumzukommen, vieles zu sehen, Land und Leute kennenzulernen. Andererseits könne er sich solch in Dasein nicht mehr lange vorstellen, da er immer von heute auf morgen lebe und stets darum bangen müsse einen weiteren Job oder eine Unterkunft zu finden. Insgeheim hoffte er bald eine feste Anstellung zu finden, doch im Moment genoss er noch sein freies, individuelles Leben.
Irgendwann musste ich mich dann aus dem Gespräch stehlen, da ich für den Rest des Abend noch Postkarten für Freunde und Verwandte schreiben wollte. Seit Tagen hatte ich es vor mir hergeschoben, doch allmählich drängte die Zeit, schließlich war es nur noch knapp eine Woche bis Weihnachten und meine Karten sollten doch wenigstens noch vor Neujahr ankommen. Bis spät in die Nacht saß ich dann in meinem Zimmer und schrieb mit viel Eifer all die Karten, die ich versenden wollte, um sie am nächsten Tag zur Post zu bringen und abzusenden. Mit einem Lächeln schrieb ich sogleich jene Worte auf die Karten, die ich heute Mittag von Frau Nomura gelernt hatte:

メリークリスマス と 良いお年を!
Frohe Weihnachten und ein gutes, neues Jahr!

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