Es hat mich schon immer fasziniert wie sich Sprache an Kultur anpasst. Irgendwann als ich noch ein kleines Kind war, dachte ich, dass man beim Erlernen einer fremden Sprache immer nur Pendants zu den deutschen Worten suchen müsse. Darum verwirrte es mich, als ich irgendwann einmal aufschnappte, dass die Inuit rund ein dutzend verschiedene Ausdrücke für unser Wort "Schnee" hätten, oder dass es in einigen afrikanischen Sprachen gar keinen Ausdruck für "Schnee" gäbe. Irgendwann ist meine Verwirrung in Neugierde umgeschlagen und seitdem fand ich es immer faszinierend wie eng eine Sprache an die Kultur jener Menschen gebunden ist, von denen sie gesprochen wird.
Zugegebenermaßen sind viele Wörter doch eins zu eins zu übersetzen, wie beispielsweise das Wort "Baum". So sagt man im Englischen tree, im Französischen l'arbre und im Japanischen ki. Viel interessanter waren für mich immer jene Worte, die sich nicht so simpel in eine andere Sprache übertragen lassen. Manchmal sind es Worte zu denen es einfach kein Pendant gibt, wie beispielsweise "kimono". Jeder weiß jetzt, dass traditionelle japanische Kleidung gemeint ist, aber da wir kein eigenes Wort in unserer Sprache haben, benutzen wir einfach das japanische Wort in unserer Sprache. Machmal fehlt in anderen Sprachen auch einfach nur eine Differenzierung bestimmter Begriffe. So haben wir in Deutschland ein recht ausgeprägtes Bäckereihandwerk, weshalb wir für verschiedene Arten von Gebäck verschiedene Ausdrücke haben, zum Beispiel Brot, Brötchen oder Toast. Da es aber in Japan nie ein eigenes Bäckereihandwerk gab und man keine großen Unterschiede zwischen all unseren feinen Differenzierungen sieht, nennt man pauschal einfach alles "pan". Darunter versteht man dann je mach Situation "Sonnenblumenkernbrot", "Vollkorntoast", "Baguette", "Milchbrötchen" oder einen "Hefezopf". Das macht es für uns Ausländer kompliziert, wenn wir über etwas reden wollen, was es in dieser Form in der japanischen Sprache nicht gibt, andererseits haben Japaner Schwierigkeiten Dinge zu differenzieren, die für uns scheinbar offensichtlich zu unterscheiden sind. So erzählte mir Tak vor einigen Tagen, dass er immer Schwierigkeiten hatte zwischen den Ausdrücken "beschämt" und "schüchtern" zu unterscheiden, da es im Japanischen nur das Wort "hazukashii" gibt, das beide Bedeutungen beinhaltet. Natürlich kann man nun große Reden halten, um den himmelweiten Unterschied zwischen diesen beiden Worten zu erläutern, letztlich muss man aber einsehen, dass diese Unterscheidungen aus japanischer Sicht unbedeutend sind.
Natürlich gibt es das gleiche Phänomen auch umgekehrt, nämlich wenn man im Japanischen feine Differenzierungen hat, die wir im Deutschen alle mit ein und dem selben Wort ausdrücken. Dann versuchen einem die Japaner den aus ihrer Sicht himmelweiten Unterschied zwischen einigen Begriffen zu erklären, während man dasitzt und sich denkt, dass doch ein einziges Wort genügen würde. Genauso ist es mir heute ergangen, als ich mit meinem Lernbuch in die ICZ ging, um mir eine Reihe von Begriffen zum Themenfeld Kochen erklären zu lassen, deren Bedeutung mir im Unterricht unverständlich blieb. Während Tak an einer kommenden Präsentation arbeitete saß ich mit seinen Freundinnen Nobuko und Ayano (Pakete, Partys, Peinlichkeiten) an einem Tisch und diskutierte über die folgenden drei Verben: "taku", "niru" und "yuderu", denn laut Wörterbuch lautete die Übersetzung zu allen Verben "kochen". Erst erklärten sie mir recht plausibel, dass "taku" zum Kochen von Reis, "niru" zum Kochen von Gemüse, Fleisch und Fisch und "yuderu" zum Kochen von Nudeln benutzt wird. Doch bereits als ich fälschlicherweise annahm, dass man beim Kochen von Kartoffeln "niru" benutzen würde, begannen sie zu lachen und verwiesen mich auf "yuderu". "Aber sind Kartoffeln, denn nicht so etwas wie Gemüse?", dachte ich mir und notierte mir, dass man bei Kartoffeln "yuderu" benutzen würde. Als ich dann dachte, man würde Eier in die Kategorie "tierische Lebensmittel" zählen und daher "niru" benutzen, lachten Ayano und Nobuko erneut und meinten, dass man beim Kochen von Eiern ganz eindeutig "yuderu" benutzen müsse. Und als Ayano dann selbst über die Kategorisierung nachzudenken begann, wies sie mich darauf hin, dass man auch bei Brokkoli "yuderu" benutzen würde. "Aber Brokkoli ist doch ganz eindeutig ein Gemüse", protestierte ich und Nobuko und Ayano begannen selbst nachzugrübeln wie sie mir den Unterschied zwischen den beiden Verben erklären sollten. Schließlich lieferte Nobuko eine Erklärung, die mich vorerst zufriedenstellte: Wenn man etwas kocht und es danach aus dem Wasser holt, benutzt man "yuderu" (also Nudeln, Eier oder Kartoffeln), wenn man aber etwas kocht und schließlich eine Suppe hat, die man direkt isst, benutzt man "niru". Um zu testen, ob ich alles verstanden hatte machte ich ein simples Beispiel: Wenn ich Kartoffeln als Beilage esse, benutze ich "yuderu", wenn ich aber Kartoffelsuppe mache, dann benutze ich "niru". "Genau." stimmte mir Ayano zu und glücklich schrieb ich meine neue Erkenntnis nieder.
Als ich später zu Tak ging, um meine neuen Japanischkenntnisse zu präsentieren, schrieb ich auf einen Zettel: "Misosuppe kochen" und benutzte "niru", schließlich aß ich die Suppe ja direkt. Da schaute er mich an und sagte nur: "Das ist falsch, hier benutzt man kein 'niru'. Hier musst du etwas ganz anderes sagen. Schließlich 'kocht' man Suppe ja nicht..."
"Im Deutschen schon.", dachte ich mir und schüttelte den Kopf darüber wie kompliziert es doch war so ein simples Wort wie "kochen" ins Japanische zu übersetzen.
2 Kommentare:
*g* aus dir spricht wieder total der gesellschaftswissenschaftler.
das mit hazukashii unterstreicht das, was ich letztens mal meinte, dass die ausdrucksmaechtigkeit der sprache die art, wie man denkt, beeinflusst. anscheinend gilt das fuer alle formen von sprachen.
dein problem mit "kochen" hatte ich gestern mit "anziehen". wir haben vier woerter fuer "anziehen" gelernt. fuer hosen, fuer pullis, fuer muetzen und fuer brillen. ich hab nur den unterschied zw. muetzen und brillen nicht verstanden. es sind doch eigentlich beides accesoires.
ahoi
Oh ja, für das Wort "anziehen" gibt es unzählige Verben. Und ich tendiere immer dazu alle durcheinander zu würfeln. Man lernt sie, beherrscht sie eine Woche oder sogar einen Monat, aber irgendwann sind sie wieder einfach weg. Ayano gestand ein, dass es kompliziert ist in der japanischen Sprache auszudrücken einfach nur etwas anzuhaben. Sei es ein Hemd, eine Hose eine Mütze, ein Paar Handschuhe oder Sandalen...
Ahoi, Landratte!
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