Montag, 1. Dezember 2008

Gaidai-Symphonie

Nach meinem grauen Freitag war ich glücklich diesen Samstag die Möglichkeit zu haben aus meinen vier Wänden zu entkommen, denn an der Universität meiner Freundin Ninja fand derzeit ein Universitätsfestival statt, das sich mit dem Dokkyo-Festival von vor einigen Wochen vergleichen lässt. Schon vor einigen Wochen hatten wir vereinbart, dass ich dieses Festival nutzen würde, um sie einmal auf der anderen Seite Tokyos besuchen zu kommen, und nun war es endlich so weit.
Nach letzten Planungen am Samstagmorgen machte ich mich gegen Mittag zum Bahnhof von Soka auf. Meine Fahrtroute hatte ich mir bereits zurechtgelegt und so konnte ich, von den Erfahrungen meinen vorangehenden Bahnfahrten profitierend, recht zielstrebig quer durch Tokyo bis nach Tama fahren, dem Ort in dem Ninja studiert. Dabei musste ich auch im Bahnhof von Shinjuku umsteigen, der der größte Personenbahnhof der Welt ist. In den zehn Minuten, die ich dort verbrachte, bemerkte ich davon allerdings nicht viel, nur an den Treppen gab es ein wenig Gedränge. Überraschenderweise hatte ich auf meiner gesamten Fahrt kein einziges Mal das Problem den Weg oder die richtige Bahn nicht zu finden, offensichtlich hatte ich mich schneller an das japanische Bahnsystem gewöhnt, als ich selbst von mir erwartet hätte.
Nach etwa eineinhalb Stunden Reise und viermaligem Umsteigen kam ich im Bahnhof von Tobitakyu an, wo mich Ninja bereits freudig erwartete. Da es bereits spät am Mittag war, kauften wir uns in einem nahliegenden Laden unser Mittagessen und liefen einige Minuten durch "Ninjas Soka" bis zu ihrer Universität. Im Gegensatz zu dem Haus, in dem ich hier in Soka wohne, ist Ninjas Wohnheim Bestandteil des Universitätsgeländes und liegt somit direkt am Campus. Auf ihrem Einzelzimmer mit Kochnische und kleiner Toilette bereiteten wir uns schnell unser Essen zu, um gleich danach auf das Universitätsfestival zu gehen, bevor die Sonne untergehen würde und ich keine Fotos mehr hätte schießen können.


Bild1: Ein Blick auf Tama. Im Vordergrund sieht man den Sportplatz der Universität.


Bild2: Ein Blick auf die Gaidai-Universität an der meine Freundin Ninja studiert.


Bild3: Unser Mittagessen: Udon mit Gemüse und Soße. Udon sind nichts anderes als sehr dicke Nudeln.  


Mit meinem Foto im Anschlag lief ich mit Ninja über das Festival und machte Bilder von all den verschiedenen Ständen, die sich über das weitläufige Gelände verteilten. Für jede Sprache, die an der Gaidai-Universität, so der Name von der Universität, an der Ninja studiert, unterrichtet wird, gab es einen Stand, an dem landestypische Gerichte und Getränke angeboten wurden. Und die Anzahl dieser Stände war enorm: Sie reichte von typischen Sprachen, wie Chinesisch, Deutsch, Französisch oder Spanisch, über seltenere Sprachen, wie Polnisch, Arabisch oder Portugiesisch, bis hin zu Sprachen, von denen ich noch nie zuvor gehört hatte und deren Namen ich nicht einmal lesen konnte. Abgesehen von diesen mehreren dutzend von liebevoll gestalteten Ständen, gab es eine lange Allee, an deren Rand von den studentischen Clubs unzählige kleine Buden errichtet wurden, an denen die zuständigen Studenten versuchten auf möglichst kreative Weise auf sich aufmerksam zu machen, um Geld in die Clubkassen zu spülen. Nach einiger Zeit trafen wir auch auf Ninjas Freundin Elisabeth und zu dritt liefen wir spaßend über das Festival. Hier einige Eindrücke:


Bild4: Ein Bild von all den verschiedenen, liebevoll geschmückten Ständen. Jede Sprache, die man an der Universität lernen konnte, hatte einen eigenen Stand.


Bild5: Ein weiteres Bild von all den Ständen, an denen nationaltypische Gerichte und Getränke angeboten wurden.


Bild6: Es hat mich überrascht, dass der deutsche Stand die längste Schlange von allen hatte. Deutsches Essen scheint sehr beliebt zu sein. Vielleicht war es aber auch nur das deutsche Bier, das in Japan sehr bekannt ist und vielerorts geschätzt wird.


Bild7: Ein Blick auf den Hauptplatz, auf dem sich hunderte von Menschen gedrängt haben. Die Stände waren kreisförmig um diesen Platz angeordnet.


Bild8: Ninja (links) und ihre Freundin Elisabeth (rechts) aus Österreich, ein unschlagbares Team.


Bild9: Die lange Allee an dessen Rand die verschiedenen Clubs ihre Buden aufgebaut haben.


Bild10: An der Bude des Clubs für Manga (japanische Comics) hatten sich die Studenten als Charaktere aus bekannten japanischen Serien und Büchern verkleidet. Ich habe es mir nicht nehmen lassen mit Ninja ein gemeinsames Foto mit einem Studenten zu machen, der sich als Zoro aus meiner Lieblingsserie "One Piece" verkleidet hatte.


Bild11: Im Zentrum des Platzes stand eine große Bühne, auf der verschiedene Bands und Solokünstler ihre Stücke und Lieder darboten.


Bild12: Die Musik dieses Solokünstlers war überdurchschnittlich gut, weshalb wir für rund eine Viertelstunde seinem Auftritt lauschten.


Film1: Ein Ausschnitt aus dem Auftritt des Solokünstlers.


Bild13: Ein Gebäude der Gaidai-Universität.


Bild14: Ein weiterer Eindruck vom Gelände der Gaidai-Universität.


Der Tag war recht kühl, weshalb wir nach unserer Erkundungstour für einige Zeit auf Ninjas Zimmer zurückgingen und uns wieder aufwärmten. Als wir gemeinsam mit Elisabeth ein zweites Mal aufbrachen, war es bereits dunkel. Und als wir zwischen den Buden umherliefen und von allen Seiten beworben wurden, sah ich plötzlich eine bekannte Person vor mir stehen: Yosuke. Als ich ihn antippte und fragte, was er denn hier mache, sah ich regelrecht wie es in seinem Kopf ratterte und er erst nach einer viel zu langen Pause auf mich reagierte. Noch bevor mir einen Schwall Alkoholdunst aus seinem Mund entgegengeweht kam, schloss ich bereits aus der leeren Dose in seiner Hand, dass er bereits ziemlich angetrunken war. Bevor wir ein paar Worte wechseln konnten, kam eine kleine quirlige Japanerin angelaufen und stellte sich neben ihn, offensichtlich war er nicht alleine. Wie sich herausstellte, gab es ein Treffen von Marburger Japanwissenschaftsstudenten, die nach dem Erhalt ihres Abschlusses wieder nach Japan gegangen waren. Und so gesellte sich Yosuke nach einigen zusammenhangslosen Sätzen zu einer Traube von Deutschen, die etwas abseits auf dem Rasen standen. Ninja, Elisabeth und ich gingen stattdessen zur Bühne und hörten uns die letzte Band des Tages an. Und dort vor der Bühne traf ich auf einen Marburger Studenten aus einem höheren Semester. Erst als er mir auf die Schulter klopfte, bemerkte ich, dass direkt neben mir stand. Und obwohl wir uns jahrelang nur vom Sehen gekannt hatten, kamen wir ins Gespräch und er erzählte mir von neuesten Entwicklungen des Marburger Japanzentrums, an dem ich noch immer studiere. Darüber hinaus gab er mir Ratschläge für Japan, mein Studium und bot mir seine Unterstützung an, falls ich jemals Hilfe brauchen sollte im Bezug auf Japan. Nach einiger Zeit traf auch América ein, meine befreundete Kommilitonin aus Marburg, mit der ich bereits in Akihabara gewesen war. Obwohl sie eigentlich krank war, hatte sie es sich nicht nehmen lassen trotz der eisigen Kälte auf das Festival zu gehen und mich zu treffen. Und nachdem die Band ihren Auftritt beendet hatte und das Festival für diesen Tag beendet war, standen Ninja, Elisabeth, América und ich noch eine Weile auf dem dunklen Platz, scherzten, redeten und machten Fotos, bis wir schließlich gemeinsam zum Wohnheim zurückkehrten. Gegen neun Uhr brachen wir wieder zum Bahnhof Tobitakyu auf, von welchem ich dann ohne größere Vorkommnisse meine gewohnt Route bis nach Soka zurückfuhr.


Bild15: Die drei Begleiterinnen an meinem Tag in Tama an der Gaidai-Universität: Elisabeth (links), América (Mitte) und Ninja (rechts).



Bild16: Kommilitonen und Freunde: América und ich.



Bild17: Es ist immer wieder unglaublich, dass wir drei nach dem stressigen Bewerbungsprozess und all den vielen Mühen nun endlich alle gemeinsam in Japan sind: Ninja, América und ich. Es sind Momente wie diese, die man in seinem Herzen für die Ewigkeit einschließt.

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