Dienstag, 16. Dezember 2008

Advent, Advent

Seit ich in Japan bin, werde ich immer und immer wieder über mein Land gefragt: Über Sitten und Bräuche, über Personen, über die Sprache, über wirtschaftliche, gesellschaftliche und politische Strukturen und über Esskultur. Vor allem in der Weihnachtszeit werde ich oft zu Weihnachten in Deutschland befragt. Und dann erzähle ich immer von den selbstgemachten deutschen Plätzchen, von Weihnachtsmärkten, von Leuten, die ihr gesamtes Haus in Lichterketten einkleiden, Kirchenbesuchen an Heiligabend und Familienzusammenkünften. Dann lauschen sowohl Japaner, als auch US-Amerikaner oder Kanadier meinen Worten und vergleichen das deutsche Weihnachtsfest mit dem, was sie aus ihrem eigenen Land kennen. Insbesondere hier in Japan kennt man den christlichen Hintergrund von Weihnachten nicht und ist immer wieder erstaunt, wenn ich von Familienzusammenkünften und der Adventszeit rede, ist doch hier Weihnachten ein Tag, an dem Päarchen gemeinsam ausgehen, und jene, die keinen Partner haben, sich betrinken. Am Ähnlichsten von meinen ausländischen Freuden feiert Lee aus den USA ihr Weihnachtsfest, doch selbst sie ist erstaunt über einige unserer deutschen Traditionen. Zum Beispiel die Adventszeit.
In Deutschland aufgewachsen dachte ich immer es wäre, zumindest in christlich geprägten Ländern, gebräuchlich eine weihnachtliche Zeit vor den eigentlichen Festtagen zu haben, doch niemand hier hat jemals von "Advent" gehört. Und so erkläre ich jedem um mich herum, dass es in Deutschland den Brauch gibt vier Adventswochenenden zu feiern, die eine Art Countdown zu den Weihnachtsfeiertagen darstellen. Dass man einen Kranz hat und jedes Wochenende eine Kerze mehr anzündet und vielleicht Plätzchen und Süßigkeiten isst. Lee schaut dann immer ganz interessiert und fragte gerne nach, weil sie die Idee sehr schön findet. Letztlich habe ich mich aber darauf eingestellt die Adventswochenenden alleine in meiner Wohnung zu verbringen und nostalgisch vor ein paar Kerzen sitzend ein paar Plätzchen zu essen und eine Tasse Tee zu trinken. Um so erfreuter war ich den zweiten Advent, meinen 86. Tag in Japan, in Zweisamkeit zu zelebrieren.
Es begann damit, dass ich Yosuke am Morgen in der Küche traf und er mir anbot gemeinsam eine Tasse Kaffee zu trinken, schließlich sei ja zweiter Advent. Freudig nahm ich an und steuerte sogleich einen Weihnachtskuchen aus dem Paket meiner Mutter bei. Und beim Licht von zwei Kerzen, saßen wir vormittags am Tisch, tranken Kaffee und aßen Kuchen.


Bild1: Mein Adventsmahl mit Yosuke: Kaffee und Kuchen bei Kerzenschein.
 

Als ich am Abend dann in meinem Zimmer saß, kam auch Lee vorbei, um mit mir Fotos auszutauschen, die wir beide in den letzten Wochen gemacht hatten. Als sie die zwei Kerzen auf dem Küchentisch stehen sah, fragte sie sogleich nach, ob heute einer jener "Adventstage" sei und ich stimmte ihr lachend zu. Während wir am Laptop Fotos austauschten, blickte sie mit großen Augen meine Weihnachtsdekoration an und fotografierte sogleich meine Strohsterne und Tannenzweige. Da Advent war, bot ich ihr natürlich ein paar deutsche Plätzchen von meiner Mutter an begeistert griff sie zu. Ihr war vollkommen unbegreiflich, dass wir in Deutschland selbst Plätzchen machen würde, denn in den USA gäbe es zwar auch Plätzchen, allerdings bei weitem nicht so viele verschiedene und in der Regel auch nur maschinell massengefertigt im Angebot des Supermarktes. Gemeinsam setzten wir uns dann beim Schein zweier Kerzen an den Küchentisch, aßen Kuchen und tranken heißen Tee, während wir uns unterhielten. Und so verbrachte ich einen meiner schönsten Adventstage hier in Japan, wo man mit dem Wort Advent eigentlich gar nichts anfangen kann.

4 Kommentare:

H. hat gesagt…

Hallo David,

das finde ich ja sehr überraschend, dass die Adventszeit in anderen Ländern so unbekannt ist. Hätte gedacht, jeder hat so einen Adventskranz...wäre mal interessant zu wissen, ob das ganze jetzt eine europäische Erfindung ist, oder ob es das nur in Deutschland gibt.
Hast du denn auch mal von dem Adventskalender berichtet?

Viele Grüße, Helene

David Kraft hat gesagt…

Lustig, dass du wegen dem Adventskalendar fragst, denn erst vor zwei Tagen habe ich Tak und seiner Freundin Ayano einen Adventskalender gezeigt und gefragt, ob sie so etwas schon einmal gesehen hätten. Da haben sie mich komisch angeschaut und meinten: "Ja, natürlich."
Was sagen denn deine Verwandten aus den USA, wenn du sie nach der Adventszeit fragst? Lee kannte das Konzept ja gar nicht, aber vielleicht ist sie ja eine Ausnahme...

H. hat gesagt…

Ich habe meine Verwandten noch nie danach gefragt, bin ja immer davon ausgegangen, dass es das dort auch gibt. Aber ich werde sie in den Ferien mal danach fragen:-)
Wenn man mal überlegt, habe ich in amerikanischen Filmen oder Serien noch nie einen Adventskranz gesehen.
Das ist ja spannend, wir betreiben quasi gerade Adventsforschung ;-)

David Kraft hat gesagt…

Haha, nachdem du das geschrieben hast, musste ich natürlich mal ein wenig nachforschen und habe herausgefunden, dass es in den USA eigentlich auch eine Adventszeit geben müsste und dort laut wikipedia seit 1930 auch Adventskränze benutzt werden.
Aber es war schon auffällig, dass meist immer auf europäische Länder verwiesen wurde. Vielleicht gibt es zwar Adventskränze, aber eben nicht so weit verbreitet wie bei uns.
Schon spannend unsere Adventsforschung. ;)