Heute war Nikolaus, aber davon habe ich gar nichts mitbekommen, denn natürlich hat kaum ein Japaner je vom Nikolaustag gehört. Nicht einmal Lee aus den USA konnte mit meiner Erklärung zu Nikolaus etwas anfangen und somit ging der Tag vorüber, ohne dass irgendjemand dem Datum besondere Aufmerksamkeit schenkte. Viel wichtiger war heute Katharinas Geburtstag, weshalb ich am Morgen eine Brotdose mit deutschen Süßigkeiten und Plätzchen füllte, eine Geburtstagskarte, die ich am Vortag gekauft hatte, beschriftete und am Nachmittag an ihre Tür klopfte und meine Geschenke übergab, während ich ein kleines Ständchen sang. Gemeinsam saßen wir dann für eine Weile in ihrem Zimmer, redeten und tauschten Süßigkeiten aus. Da wir uns aber ohnehin am Abend mit Tak, Nobuko und Lee zum Ausgehen verabredet hatten, trennten sich unsere Wege wieder und ich regelte für Katharina die Uhrzeit für das Treffen. Leider hatte Nobuko keine Zeit und so liefen Katharina, Lee und ich am Abend zu dritt zum Bahnhof von Soka, um Tak in Empfang zu nehmen und Essen zu gehen.
Ein wenig tat Tak mir leid, da er von Katharina an diesem Abend weniger als Gast, sondern vielmehr als Organisator gesehen wurde. Denn kaum hatte er ihr gratuliert und sein Geschenk übergeben, wies sie ihn an ein Restaurant zu suchen, wo wir alle essen sollten. "Aber ich bin doch nur ein Gast", drückte Tak sein Unbehagen aus, was Katharina nur mit einem Lachen und dem Kommentar "Aber du bist der Japaner." kommentierte. Und so musste Tak vorangehen und für Katharina ein Restaurant suchen. Da sie aber keinerlei Vorstellung davon hatte, wo sie essen wollte, lief Tak missmutig zu diversen Restaurants und Lokalen und musste für sie die Speisekarten übersetzen. Nachdem wir fast eine halbe Stunde in der Gegend um den Bahnhof auf und ab gelaufen waren, merkte ich wie Tak allmählich ziemlich ungehalten wurde und mit knappen, harten Worten die nächsten ausgestellte Speisekarte vorlas. Und während Katharina und Lee endlos diskutierten in welches der drei beworbenen Lokale sie gehen sollten, zog ich Tak ein wenig aus der Schusslinie der beiden, verwickelte ihn in ein freundschaftliches Gespräch und heiterte ihn ein wenig auf, schließlich wußte ich, dass er im Stress steckte und darauf gehofft hatte ein wenig entspannen zu können. Als Lee und Katharina nach über drei Minuten immer noch nicht wussten wohin sie gehen sollten und Tak bereits ungeduldig das Gewicht von einem Fuss auf den anderen verlagerte, übernahm ich und drängte Katharina freundlich aber bestimmt dazu sich doch endlich zu entscheiden. Nachdem ich ihr klar gemacht hatte, dass ohnehin 95% aller Gerichte neu für sie waren und es somit sinnlos war sich nun den Kopf zu zerbrechen wo es wohl leckerer sein könnte, entschied sie sich schließlich für eines der Lokale.
Als wir ins Restaurant gingen, verschanzten sich Lee und Katharina sogleich hinter Tak und mir und wiesen Tak, der bereits merklich angespannt war, an alles zu regeln. Nachdem wir Platz genommen hatten und begannen die Speisekarte zu mustern, sah ich das Desaster schon auf mich zukommen, als Katharina verständnislos auf die nichtssagenden Schriftzeichen neben den Abbildungen blickte. Bevor sie Tak die Karte zum Übersetzen und Erklären reichen konnte, ermunterte ich alle dazu doch einfach nach den Bildern zu gehen und wild durcheinander zu bestellen, da ohnehin jeder alles probieren würde. Glücklicherweise wurde so der ganze Auswahlprozess radikal beschleunigt und als die Bedienung nach unseren Bestellungen fragte, zählte Tak alles auf, was wir ausprobieren wollten. Ein wenig irritiert darüber wie schamlos Katharina Tak als Dolmetscher ausnutzte, ohne sich auch nur ein einziges Mal zu bedanken, war ich schon. Somit widmete ich meine Aufmerksamkeit Tak und versuchte ihn dazu zu bringen sich ein wenig zu entspannen, um den Abend doch noch genießen zu können. Und als dann endlich das Essen kam und wir uns alle begannen angeregt zu unterhalten, lockerte sich auch das gespannte Verhältnis zwischen Katharina und Tak. Und auch Lee, die bei Zusammentreffen mit anderen meist Probleme hat Anschluss zu finden, amüsierte sich herzlich. Am meisten Spass hatten aber Tak und ich, da wir uns den ganzen Abend über zum Lachen brachten. Irgendwann klagte Tak sogar über Schmerzen in den Backen, weil er beim Lachen die ganze Zeit seine Mundwinkel nach oben zog, woraufhin ich ihm zwei Gläser reichte, mit denen er seine Backen kühlte (was wiederum alle anderen zum Lachen anregte).
Bild1: Katharina, Tak und ich sitzen bei Vorspeise und Getränk in dem Lokal, das Katharina ausgesucht hat.
Bild2: Die Vorspeise, die man in japanischen Lokalen immer erhält. In diesem Fall marinierten Bambus.
Bild3: Eine Auswahl unserer Speisen. Man sieht wieder den gebratenen Fisch (oben), Pommes Frites (rechts), extrascharfe Röllchen (links unten), frittierte Hähnchenfilets (links oben) und Hähnchenröllchen mit Käse (Mitte und ganz unten links in der Ecke)
Bild4: Ein Blick auf die Speisen aus einer anderen Perspektive. Im Vordergrund sieht man den gebratenen Fisch, rechts die frittierten Hähnchenfilets.
Bild5: Ein Bild von den scharfen Röllchen. Die Schriftzeichen in der roten Blase bedeuten "mehr als", "sehr, sehr" und "scharf". Und in der Tat waren diese Röllchen mehr als nur scharf. Tak und ich bekamen beide Schluckauf und tranken unser gesamtes Glas leer. Nur Lee aß die Röllchen als hätten sie gar keine Schärfe.
Bild6: Tak und ich albern mit dem Tabascofläschchen herum.
Bild7: Tak hat zuviel gelacht und kühlt seine Backen mit leeren Gläsern, in denen nur noch Eiswürfel sind.
Als wir nachbestellten, wies ich Tak an sich zurückzulehnen und übernahm selbst die Bestellung. Auch das Bezahlen am Ende des Abends nahm ich auf meine Schultern, weil Katharina sich immer noch nicht in der Rolle des Gastgebers eingefunden hatte. Zwar lief nicht alles reibungslos und gelegentlich musste Tak ein wenig nachbessern, aber er war doch sichtlich erleichtert zu sehen, dass er sich nicht alleine um alles zu kümmern hatte. Und auch wenn es rückblickend ein wunderschöner Abend war, an dem wir viel Neues erlebt haben und viel Spass hatten, so bleibt doch immer ein bitterer Nachgeschmack, wenn ich daran denke wie Katharina die Rolle des Gastgebers an diesem Abend ohne ein Wort des Dankes Tak und letztlich auch mir aufgezwungen hat. Wäre es nicht ihr Geburtstag gewesen hätte ich sie vermutlich auf dem Rückweg oder am nächsten Tag darauf hingewiesen. So wünsche ich ihr aber, dass sie einen wunderschönen und entspannenden Geburtstag in Japan, abseits ihrer Familie, ihres Ehemannes und ihrer Freunde, erlebt hat, den sie lange Zeit in positiver Erinnerung behalten wird.
Bild8: Lee, Tak und Katharina.
Bild9: Katharina, Tak und ich kurz bevor Tak zum Zug musste und Katharina, Lee und ich zum Wohnheim aufgebrochen sind.
2 Kommentare:
Da hatte Tak ja Glück, dass wenigstens du sensibel genug warst, zu erkennen, was er für einem Druck ausgesetzt war. Wahrscheinlich fühlt sich Katharina einfach noch zu unsicher, um so etwas selbst zu regeln und wollte einfach sicherstellen, dass das ein schöner Abend wird, indem sie den "Fachmann" alle wichtigen Sachen organisieren lässt.
Ja, aber dadurch dass sie es nicht selbst in die Hand genommen hat ist es ja für Tak kein schöner Abend geworden, hmm.
Ich habe gerade vorhin mit Lee über den Abend gesprochen und sie meinte erst, dass ihr das gar nicht aufgefallen wäre mit Tak. Als ich dann ein wenig erzählte, meinte sie allerdings, dass es rückblickend doch ein wenig unverschämt von Katha gewesen wäre und sie doch alt genug sei, um bei ihrem Geburtstag alles selbst in die Zügel zu nehmen.
Wenn man sich noch einmal den Beitrag zu Taks Geburtstag durchliest, wird klar was ich meine: Er hat sich um alles gekümmert und so viel wert darauf gelegt, dass sich alle wohl fühlen. Schau wie gut er sich um mich und die anderen gekümmert hat. Und erst als alle glücklich waren, war auch er glücklich. Deswegen fand ich es ein wenig schade, dass Katharina kaum etwas gemacht hat, nicht einmal ein Danke oder eine Entschuldigung.
Natürlich fühlt sie sich unsicher, aber ich habe schließlich an dem Abend auch in den sauren Apfel gebissen und selbst etwas gemacht, auch wenn es nicht perfekt war. Da hätte sie sich eine Scheibe abschneiden sollen.
Aber naja, jetzt kann man sowieso nichts mehr ändern und am Ende zählt doch, dass jeder einen guten Abend hatte, gleich ob es jetzt am Anfang angespannt war oder nicht.
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