Freitag, 27. März 2009

Rückzieher

Als ich heute aufstand und meine E-Mails überprüfte, fand ich eine Benachrichtigung von dem Reiseunternehmen vor, mit dem ich per Nachtbus nach Kyoto fahren wollte. Es wurden nochmals alle Angaben meiner Reservierung vom Vortag aufgelistet und darauf hingewiesen rechtzeitig das Geld zu überweisen. Hätte ich auf ein deutsches Konto überweisen sollen, wäre dies gar kein Problem gewesen, doch auf ein japanisches Konto? Das hatte ich noch nie gemacht. Die Hürde war nicht, dass man alles auf japanisch ausfüllen sollte, sondern dass man nicht von einem westlichen Konto Geld auf ein japanisches Konto übertragen konnte. Darum half mir mein deutsches Vorwissen zum Onlinebanking überhaupt nicht. Und da ich vormittags niemanden erreichte, der mir hätte helfen können, machte ich mir vorerst keine größeren Gedanken um die Überweisung, notierte nur die Kontodaten und lief zur Mittagszeit in Richtung Post, um einen Brief aufzugeben.
Was ich mindestens schon einmal gemacht habe, bereitet mir keine Schwierigkeiten mehr, weshalb ich den Brief zügig und ohne Schwierigkeiten überreichte und bezahlte. Ich musste ein wenig lächeln als ich an meine Aufregung beim Verschicken meiner ersten Postkarte aus Japan dachte, denn eigentlich war es recht simpel. Doch schon bald verging mir mein Lächeln wieder. Als ich nämlich die angrenzende Bank betrat, um spontan zu versuchen das Geld für die Busfahrt zu überweisen, wurde mir wieder einmal bewusst, wie hilflos ich in unbekannten Situationen doch war. Und so stand ich für einen Moment orientierungslos in der Eingangshalle und dachte über meinen nächsten Schritt nach. Doch da blickte mich schon die Frau vom Serviceschalter nett lächelnd an und ich wußte genau, dass sie auf mich zukäme, wenn ich nicht sofort zielstrebig auf irgendetwas zulaufen würde. Also nickte ich kurz, lächelte und lief schnurstracks zu den Bankautomaten. Ich hatte keine Angst vor den Bankangestellten, ganz im Gegenteil: Die Damen an den Serviceschaltern waren äußerst nett und hilfsbereit und immer darum besorgt, dass der Kunde zufrieden war. Mein Problem war nur, dass mir das komplette Vokabular fehlte, um verständlich zu erklären, dass ich gerne Geld überweisen würde, dass ich nicht auf dem Konto, dafür aber in meinem Portemonnaie mit mir herum trug. Und da solch eine Situation meist damit endete, dass die nette Dame am Serviceschalter hilflos schaute und nichts verstand und ich peinlich berührt vor mich hinstammeln würde, wußte ich, dass ich eine Begegnung mit dem Servicepersonal besser umgehen würde, ehe ich mir nicht einen passenden Satz zurechtgelegt hatte. Somit stand ich dann vor dem Bankautomaten und hoffte von dort aus überweisen zu können. Doch da mir das Vokabular zum Sprechen fehlte, konnte ich selbstverständlich mit den Schriftzeichen auf dem Touchscreen auch nichts anfangen. Und so trottete ich geknickt wieder aus der Bank, ohne das Geld überwiesen zu haben.
Auf dem Rückweg lief ich über den Unicampus, als jemand meinen Namen rief. Ich blickte mich um und sah Tak geradewegs auf mich zulaufen. Und da er gerade auf dem Weg zum Bahnhof war, was ihn an meinem Wohnheim vorbei führte, liefen wir ein Stück des Weges gemeinsam durch Soka und tauschten uns über die letzten Wochen aus. Ich erzählte von meinen Plänen nach Kyoto zu gehen und dem damit verbundenen Stress, während er erzählte, dass er gerade dabei wäre einen Job in Japan zu suchen, denn sein neues Liebesglück mit Nobuko hatten ihn letztlich dazu bewogen in Japan zu bleiben und nicht nach Großbritannien zu gehen, wie er es vor knapp einem halben Jahr noch geplant hatte. Und so war er, genau wie Ayano und Nobuko, zur Zeit mit einer enorm stressigen Arbeitssuche beschäftigt, die seine Freizeit auffraß. Ein wenig bedauerte ich seine Entscheidung gegen Großbritannien, schließlich hätte er mich auf diese Weise ganz einfach in Deutschland besuchen kommen können, doch es war seine Entscheidung und immerhin hatte ich somit ein halbes Jahr mehr Zeit etwas mit ihm in Japan zu unternehmen. Vor dem Wohnheim verabschiedeten wir uns und Tak wünschte mir einen schönen Aufenthalt in Kyoto, ehe er in Richtung Bahnhof aufbrach. Und als ich ich die Treppen nach oben stieg, hoffte ich die Bankangelegenheiten bald erledigt zu haben, denn dann würde meinem Ausflug nach Kyoto endlich nichts mehr im Wege stehen.

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