Dass ich nicht viel von meinem Mitbewohner Yosuke schreibe, heißt nicht, dass wir uns nicht gut verstehen. Eigentlich verstehen wir und nämlich ziemlich gut. Zugegebenermaßen unternehmen wir nichts zusammen, gehen nicht aus, schauen uns keine Sehenswürdigkeiten an und sind während der Vorlesungszeit nicht einmal gemeinsam zur Universität gelaufen, dennoch gehen wir uns auch nicht bewusst aus dem Weg. Manchmal gibt es Tage, da läuft man einfach immer aneinander vorbei, da weiß man, dass noch jemand anderes in der Wohnung ist, aber man stört den anderen nicht und bleibt auch selbst ungestört ("Der unsichtbare Mitbewohner"). Dann gibt es aber auch Tage an denen Yosuke und ich uns jedes Mal über den Weg laufen, wenn wir in die Küche gehen. Dann unterhalten wir uns über seltsame Rechnungen, die wir per Post bekommen haben, die Dinge, die wir unter der Woche erlebt haben, darüber wer die nächste Box mit Waschmittel holen muss oder zeigen uns Fotos von Sehenswürdigkeiten, bei denen wir waren. Wir kochen nicht gemeinsam, wünschen uns aber immer einen guten Appetit, wir gehen nicht zusammen weg, verabschieden und grüßen den anderen aber immer, wir erzählen uns nichts über unser Privatleben, diskutieren aber über unser Studium und Berufsaussichten, wir lernen nicht zusammen, schicken uns aber Links von Internetseiten zu, die sich zum Lernen anbieten. Als Freund würde ich Yosuke nicht beschreiben, aber sicher auch nicht als Fremden. Und so ist er jemand, den ich recht treffend mit "Mitbewohner" umschreiben würde. Und damit meine ich nicht jene Art von Mitbewohner, die sich so verkriecht und abschottet, so dass es ein Fremder ist, aber auch nicht jenen Mitbewohner, mit dem man seine Probleme bespricht, abends gemeinsam Filme schaut oder zusammen Freunde einlädt. Nein, er ist einfach nur ein ganz normaler Mitbewohner, mit dem man manchmal abends in der Küche steht und sich unterhält, den man ans Fenster ruft, wenn es einen schönen Sonnenuntergang gibt, mit dem man gemeinsam über einem verstopften Abfluss grübelt, dem man ein paar Süßigkeiten aus Deutschland gibt, wenn man mal wieder ein Paket erhalten hat und den man mal um Rat fragt, wenn man Hilfe braucht.
Nach meinem anstrengenden Tagesausflug am Wochenende war ich am Montag, Tag 150 in Japan, immer noch vollkommen erschöpft und hatte Muskelkater in Rücken und Beinen, weshalb ich den Tag recht bequem in Jogginghose und T-Shirt in der Wohnung verbrachte und keine Fuß vor die Tür setzte. Was macht man an solchen Tagen? Nun, man lernt, sitzt am Computer, kocht und schreibt für das Blog. Zumindest tat ich dies bis Yosuke und ich beschlossen gegeneinander Autorennen zu fahren. Wie? Ganz einfach: Da Yosuke seinen eigenen Nintendo DS hatte, konnten wir seine tragbaren Spielekonsolen mit meinem Nintendo DS, den ich mir zu Weihnachten gekauft hatte ("NintendoMania"), verlinken und gegeneinander Mario Kart für den Nintendo DS spielen. Und so standen wir fast eine Stunde lang in der Tür von Yosukes Zimmer und fuhren mit unseren kunterbunten Karts durch tropische Dschungel, über Inselketten, durch Geisterhäuser durch Hafenstädte. Und obwohl Yosuke das Spiel schon seit Monaten hatte und ich das erste Mal spielte, lieferten wir uns oftmals ein spannendes Kopf-an-Kopf-Rennen um den ersten Platz. Letztlich gewann Yosuke unser kleines Tunier, doch darauf kam es am Ende gar nicht an, denn in Erinnerung geblieben sind mir keine Bestzeiten, keine erreichten Punkte und kein Platz auf dem Siegertreppchen, sondern ein amüsanter Nachmittag mit meinem Mitbewohner Yosuke.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen