Montag, 23. Februar 2009

Der nächtliche Besucher

Es war am späten Abend meines 146. Tages in Japan, als ich in meinem Zimmer saß und gerade damit beschäftigt war das Computerspiel, das ich zu Weihnachten von meinen Freunden geschenkt bekommen hatte, zu beenden. Es muss schon so spät gewesen sein, dass es sogar fast schon ganz früh am 147. Tag in Japan war, als es an der Wohnungstür klingelte. Für einen Moment horchte ich auf und überlegt, ob ich die Tür öffnen sollte, aber dann widmete ich mich wieder dem spannenden Finale meines Computerspiel, schließlich erwartete ich niemanden und gegen Mitternacht kam für gewöhnlich niemand spontan zu Besuch. Vielleicht erwartete Yosuke noch einen nächtlichen Besuch, was zugegebenermaßen nichts vollkommen Neues wäre. Und tatsächlich ging Yosuke zur Tür und begann dort mit jemandem zu reden. Doch schon nach kurzer Zeit klopfte es an meine Tür und Yosuke fragte vorsichtig nach, ob ich noch wach sei. Ich bejahte, woraufhin Yosuke mich darauf hinwies, dass ich Besuch hätte. Ich stutzte, runzelte die Stirn und begann darüber nachzugrübeln, wer wohl um Mitternacht noch vorbeikommen würde. Ich pausierte mein Computerspiel, schlurfte zu meiner Schiebetür und erschrak, als mir nach dem Öffnen jemand direkt gegenüberstand: Es war Tak.
Dass Tak so spät vorbeikam, überraschte mich sehr. Ich hätte eher angenommen, dass Katharina vorbeikäme, um mich zu bitten am nächsten Tag etwas für sie in Soka zu erledigen, während sie tagsüber im Praktikum war. Aber vor mir stand nun plötzlich Tak. Natürlich bat ich ihn herein und fragte erst einmal nach, was er zu so später Stunde denn hier mache, woraufhin er zu erzählen begann, dass er noch gemeinsam mit Nobuko ausgegangen war und es ein wenig später geworden war, weshalb er seinen letzten Zug verpasst hatte. Und bevor er beginnen konnte herumzudrucksen, ob er möglicherweise die Nacht hier verbringen könnte, kam ich ihm zuvor und bot ihm an für diese Nacht in Yosuke und meiner Wohnung zu schlafen. Sichtlich erleichtert, dass ich ihn nicht vor die Tür setzte, legte er dann erst einmal seine Tasche und Jacke ab, und wir begannen uns zu unterhalten. Recht schnell erzählte er mir ein wenig verlegen, dass er nun mit Nobuko zusammen wäre, was ich bereits seit einigen Monaten erwartet hatte ("Die Frau an seiner Seite"). Diese eigentlich freudige Nachricht warf allerdings einige Probleme auf, an denen Tak derzeit knabbert, maßgeblich die Entscheidung, ob er im April nun tatsächlich für zwei Jahre nach Großbritannien gehen sollte, wie er es monatelang geplant hatte, oder ob er für Nobuko hier in Japan bleiben sollte. Eine Weile lang diskutierten wir, wägten ab und stellten uns mögliche Szenarien vor, zu einer wirklichen Lösung seines Dilemmas kamen wir allerdings nicht. Also widmeten wir uns etwas anderem: Übers Internet sprachen wir mit Ayano und verbrachten so einen Stunde zu dritt. Dann war es auch bereits fast zwei Uhr und jeder war ziemlich müde. Also beendeten wir das Gespräch mit Ayano und ich rollte auf dem Boden einen Futon aus, gab Tak ein Kissen und eine Decke und dann war Schlafenszeit. Eine kurze Zeit lang redeten wir noch im Dunkeln, so wie ich es noch aus Schulzeiten kannte, wenn man bei Freunden übernachtete, dann schliefen wir ein.
Um sieben Uhr waren wir bereits wach, weil die Sonne ins Zimmer strahlte und einen warmen, frühlingshaften Tag versprach. Ein wenig verschlafen zog Tak die Vorhänge zu, um noch ein wenig länger zu schlafen, ich allerdings war wach und bekam kein Auge mehr zu. Also lag ich für die nächste Stunde dösend in meinem Bett und ließ meine Gedanken kreisen. Dann stand schließlich auch Tak auf und begann sich fertig zu machen. Bis zum Mittag musste er in der Universität noch einen Bericht fertig schreiben, weshalb er keine Zeit verstreichen ließ, meine Einladung zum Frühstück dankend abschlug und um Viertel vor Neun bereits das Haus verlief und zur Universität eilte. Und so saß ich morgens da und überlegte erst einmal was ich nun machen sollte. Nachdem ich mich fertig gemacht hatte, setzte ich mich ein wenig unschlüssig in mein Zimmer, schaute in die warme Sonne und beschloss dort weiterzumachen, wo ich vor Taks nächtlichem Besuch aufgehört hatte: Ich klappte den Computer auf und verbrachte die nächste Stunde damit das Computerspiel, das ich zu Weihnachten von meinen Freunden erhalten hatte, zu beenden. Und nachdem ich dies gemacht hatte, wurde ich noch einmal richtig müde und fiel für die nächsten eineinhalb Stunden noch einmal in einen tiefen Schlaf.

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