Der Freitag ist immer ein sehr schöner Tag. Denn man hat nur vormittags bei Frau Takeda Unterricht, der lustigen, älteren Dame. Irgendwie schafft sie es nicht nur verständliche und anschauliche Erklärungen zu geben, sondern auch den gesamten Unterricht locker und lustig zu gestalten. So ist es stets wie eine Belohnung, wenn man nach einer harten Woche in ihrem Unterricht sitzt, Spass hat und dabei auch noch eine Menge lernt. Der Höhepunkt war diesmal ihre Erklärung des Wörtchens "nante". Hatte sich Tage zuvor noch eine Lehrerin den Mund fusselig geredet, um uns zu erklären in welcher Art Satz man dieses Wort zu benutzen hat, so schaffte es Frau Takeda in einem einzigen, sowohl lustigen als auch einprägsamen Beispiel: Sie ging zum Fenster, sagte "Auf Wiedersehen" und sprang symbolisch heraus. Dann machte sie ein ganz verwundertes Gesicht und sagte "Huch? Frau Takeda ist ja aus dem Fenster gesprungen 'nante'.". Seitdem war jedem klar, dass man das kleine Wörtchen "nante" an Sätze anhägt, die Verwunderung oder Unglaube ausdrücken. Gegen Ende half sie uns noch bei der Vorbereitung für den Test am kommenden Montag und schenkte dann jedem zur Motivationssteigerung eine Süßigkeit.
Nach dem Unterricht ging ich mit Katharina und Lee in die Mensa und wir redeten über Weihnachten und Silvester. Ein wenig einsam könne es schon werden, wenn wir an Heiligabend alleine in einem leeren Haus sitzen, gab ich zu bedenken und Lee stimmte mir zu. Hier in Japan ist Weihnachten ja eher wie unser Silvester: Man geht aus, trifft sich mit Freunden, trinkt etwas, betrinkt sich etwas und wird lauter, je später der Abend wird. So sehr wir auch in die japanische Kultur eintauchen wollten, an Weihnachten durch die Bars zu ziehen war uns dann doch zu radikal. Eine Alternative haben wir bislang noch nicht gefunden, aber es sind ja schließlich noch über zwei Monate Zeit sich über die Gestaltung der Festtage den Kopf zu zerbrechen. Stattdessen habe ich mit Lee etwas anderes geplant: Da wir beide etwas von Japan sehen wollen, haben wir uns entschlossen nach dem Ende der Vorlesungszeit eine Reise nach Kyoto zu unternehmen und auf dem Rückweg noch die eine oder andere Sehenswürdigkeit zu betrachten. Zwar haben wir noch keine festen Daten oder Orte, aber das Gerüst steht bereits. So bin ich nun ganz glücklich jemanden gefunden zu haben, der auch Vorfreude auf ein zweiwöchiges Kulturprogramm verspürt.
Am Nachmittag habe ich in der Mensa wieder Ayano getroffen. Sie war fleißig am Lernen und wir haben gleich ein Treffen für die kommende Woche vereinbart. Dabei ist mir einmal mehr aufgefallen, dass in Japan "ja" nicht immer "ja" bedeuten muss. So habe ich Ayano gefragt, ob sie am Dienstag Zeit hätte, woraufhin sie nickte und schnell "hai, hai" erwiderte, was soviel wie "ja, ja" bedeutet. Da ich aber bereits wußte, dass ein "hai" nicht immer nur ein "ja" ist, hakte ich nochmals nach und fragte, ob wir uns denn am Dienstag treffen könnten. Und siehe da: Am Dienstag war es nicht so gut, da hatte sie viel zu tun, aber der Donnerstag würde ihr passen. Die Erklärung für dieses Missverständnis ist allerdings nicht wirklich schwer. Denn das japanische "hai" zeigt nämlich eher an, dass man dem Gegenüber zuhört, als dass man ihm beipflichtet. So hat Ayano nur höflich zeigen wollen, dass sie meinen Worten lauscht und nicht anderweitig beschäftigt ist. Ein wenig stolz war ich dann schon, dass ich diese typische Ausländerfall so elegant umschifft hatte.
Den Abend verbrachte ich dann mit meiner Präsentation. Hatte ich in den Tagen zuvor bereits ein grobes Layout erarbeitet, so tippte ich nun alles, was ich Kopf hatte, in meinen Laptop. Dabei war es immer sehr demotivierend zu sehen, wie ein ganzer Absatz deutschen Texts auf vier magere Zeilen japanische Schriftzeichen zusammenschrumpfte. Da wurde mir einmal mehr bewußt in welch komprimierter Form man Wissen durch Schriftzeichen darstellen kann. Aufgelockert wurde mein Lernen durch mein Abendessen. Denn ich war mutig und hatte mir einen panierten Fisch gekauft, schließlich wollte ich kulinarisch ein wenig mehr erleben, als nur die immergleichen Sushi. Ein wenig Überwindung kostete es mich dann aber doch einfach so ins Ungewisse zu beißen. Letztlich war der Fisch aber sehr lecker, auch wenn mich die Fischflosse, die dekorativ an einem Ende heraushing, störte. Bis spät in die Nacht habe ich an meiner Präsentation gesessen und mich mit einem billigen Kaffeegetränk wach gehalten. Letztlich habe ich aber gerade einmal rund ein Drittel geschafft. Als ich mich dann schlafen legte, kreisten noch eine Zeit lang Schriftzeichen, Übersetzungsprogramme und Formulierungen in meinem Kopf herum, bis ich schließlich einschlief.
Bild1: Der Fisch war sehr lecker, auch wenn ich immer auf die Flosse starren musste, wenn ich zugebissen habe.
3 Kommentare:
Wann ist denn Vorlesungsende (also Kyôto)?
Naja ich glaub nicht dass Weihnachten so einsam wird. Euer ganzes Wohnheim muesste doch eigentlich voll mit Leuten sein, die das selbe Problem haben wie ihr. Und wenn die euch stilmaessig (Besaeufnis etc.) nicht zusagen seid ihr doch immernoch zu dritt. Man kann zwar auch zusammen allein sein, aber ihr habts ja in der Hand das besser zu machen. Wenn erstmal in den Kaufhaeusern die Weihnachtsstimmung losgeht... (weisst du ob das zumindest so aehnlich wie bei uns ist?)
Vorlesungsende müsste für mich irgendwann gegen Mitte Januar sein, allerdings hat Lee noch bis März Unterricht. Ich weiß somit noch nicht genau, wann es nach Kyoto geht.
Und wegen Weihnachten werde ich mich wohl einfach überraschen lassen. Vielleicht lassen Weihnachtslieder und Schnee ein heimatliches Gefühl entstehen, vielleicht ist der Weihnachtsschmück auch nur kitschig und befremdlich. Im Dezember werde ich sicher mehr dazu sagen können. Und vielleicht habe ich dann auch konkrete Pläne zur Umsetzung der Festtage...
Hi~
Hm, Kyoto? Wie weit seid ihr denn mit der Planung/Kostenvoranschlag? Würde eigentlich gerne mitkommen. Und mal was ganz anderes:
wo hebst du mit deiner dkb-Karte Geld ab?
Liebste Grüße aus Tama
n.i.n.j.a.
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