Nachdem ich den Mittwoch nach meiner Präsentation größtenteils faul in meinem Zimmer verbracht hatte, machte sich mein schlechtes Gewissen bemerkbar und ich entschloss mich den Donnerstag dem Eröffnen meines japanischen Kontos zu widmen. Allerdings gehören Dinge wie "Das Eröffnen eines eigenen Kontos" zu jenen Dingen, bei denen ich nicht einmal in Deutschland wüsste, wo ich anfangen sollte. Damit ich also nicht vollkommen unvorbereitet in irgendeine japanische Bank gehen musste, tat ich, was in Japan immer hilfreich ist: Man lässt sich von einem Japaner begleiten, der alles regelt und aufpasst, dass man nicht über den Tisch gezogen wird. Und so begab ich mich am Donnerstag, meinem 34. Tag in Japan, mit Lee, Katharina sowie Tomomi und ihrer Freundin Hiro auf den Weg ein Konto zu eröffnen.
Nach einer kurzen Diskussion auf Japanisch, entschieden sich Tomomi und Hiro mit uns zur "Resona"-Bank zu gehen, von der ich zwar noch nie zuvor gehört habe, die aber in Japan recht verbreitet zu sein schien. Es hätte sicher schon Aufsehen erregt, wenn nur eine lärmende Gruppe von jungen Japanern in die Bank gekommen wäre, doch ein ausländischer Riese, der mit vier jungen Mädchen im Schlepptau in die Bank einfiel, zog die Blicke aller Anwesenden auf sich. Gemeinsam liefen wir zur Frau am Hilfeschalter, die versuchte zu lächeln, während sie unsere Gruppe langsam auf sich zurollen sah. Während Katharina, Lee und ich versuchten uns dezent im Hintergrund zu halten, redeten Tomomi und Hiro auf sie ein, bis sie eifrig nickend verschwand und kurze Zeit später mit drei Formularen in der Hand winkend ebenso eifrig nickend wieder angerannt kam. Und so begannen Lee und Katharina mit der Hilfe von Tomomi, sowie ich mit der Hilfe von Hiro die nötigen Formulare auszufüllen. Ging es zu Anfang noch recht schnell voran bei Fragen zu Namen oder zum momentanen Wohnort, so gerieten wir immer mehr ins Stocken, bis wir letztlich an der Frage nach dem Geburtsjahr hängenblieben. In Japan ist ein Geburtsjahr nämlich nicht gleich ein Geburtsjahr. Zwar ist unser westlicher Kalender sehr verbreitet, doch hin und wieder muss man sein Geburtsjahr nach dem traditionell japanischen Kalender angeben, wie in besagtem Dokument. Und diese Datumsangabe hatte es in sich: Sie richtete sich nämlich nach bestimmten Ereignissen, wie beispielsweise der Amtszeit des regierenden Tenno, dem Oberhaupt Japans, historischen Wendepunkten oder ähnlichem. Das Kuriose an dieser Datumsangabe ist, dass nicht einmal die meisten Japaner genau wissen, damit umzugehen. Nachdem Hiro ratlos zu Tomomi gegangen war, Tomomi unsicher eine Dame von Serviceschalter um Hilfe gebeten hatte und diese beschämt zu ihrer Kollegin geschlurft war, standen schließlich 3 Ausländer, zwei junge Japanerinnen, zwei Servicemitarbeiterinnen und einige Schaulustige vor den Dokumenten und rechneten wild durcheinander. Während ich versuchte vergeblich den mathematischen Kapriolen der anderen zu folgen, bemerkte ich eine ältere Dame, die lächelnd in meine Richtung blickte. Ob sie lächelte, weil sie selbst nicht mit der japanischen Datumsangabe umgehen konnte, oder weil sie die Antwort wußte und uns belächelte, weiß ich nicht. Zumindest hatten sich nach einiger Zeit alle teilnehmenden Parteien mit Hilfe eines Taschenrechners auf ein Datum geeinigt und das Formular konnte schließlich, unter ständiger Hilfe der Servicemitarbeiter, zu Ende ausgefüllt werden. Gemeinsam mit Lee, Tomomi, Hiro und Katharina nahm ich auf den Wartebänken vor den Schaltern Platz, hinter denen uns bereits die Bankmitarbeiter misstrauisch beäugelten. Nach kurzer Zeit wurde wir an die Schalter gerufen und ich lief gemeinsam mit Hiro zur zuständigen Bankbeamtin, die uns mit ihrem aufgesetzten Lächeln möglichst herzlich grüßte. Und dann kam mein neuer Namensstempel zum Einsatz: Nach einigen Stempelabdrücken in die dafür vorgesehenen Unterschriftsfelder, musste ich nämlich alle selbst vorgenommen Korrekturen in meinem Formular abstempeln (und das waren nicht wenige). Wie glücklich ich mit meinem eigenen, offiziellen Namensstempel war, konnte ich nicht verbergen und so stempelte ich mit kindlicher Freude immer und immer wieder auf mein Dokument, so dass bereits nach kurzer Zeit auch die Bankbeamtin und Hiro ihr Lächeln nicht länger verbergen konnten und wir alle halb lachend vor dem Dokument saßen. Nachdem ich fast alle Korrekturen mit meinem Stempel bestätigt hatte, fiel der Bankbeamtin dann doch plötzlich auf, dass ich wohl zu viele Fehler gemacht hatte und sie bat mich das gesamte Formular noch ein zweites Mal auszufüllen. Ich fragte mich, warum sie wohl erst nach einigen Minuten auf diese Idee kam, tat aber brav wie mir geheißen ward und schrieb eifrig von Neuem meine Daten in einen der Bögen. Zumindest konnte ich so von Neuem meinen heißgeliebten Namensstempel zum Einsatz bringen. Als die Bankbeamtin dann mit meinem Bogen weglief, wies mich Hiro leise darauf hin, dass ich eigentlich gar nicht befugt wäre meinen Namensstempel selbst zu benutzen und dies eigentlich in den Aufgabenbereich der Bankbeamtin fallen würde. Auf meine Frage warum denn niemand etwas gesagt habe, lächelte sie und meinte, dass ich dies als Ausländer nicht wissen könne und niemand meine offenkundige Freude am Stempeln unterbrechen wollte.
Nach kurzer Zeit kam die Dame wieder und entließ uns mit dem Hinweis, das meine Karte binnen einiger Tage ins Wohnheim geliefert werden sollte. Dankend verabschiedete ich mich von der Bankangestellten und zusammen gingen wir alle noch in das nahgelegene Postamt, um uns wegen dem Versand von Post ins Ausland zu erkundigen. So erfuhr ich, dass der Versand von Post sich rein am Gewicht orientiert und die Größe keinerlei Rolle spielt, zumindest so lange sie keine Maximallänge von 3 Metern überschreitet. Mit diesem Wissen bin ich grübelnd nach Hause gegangen und habe überlegt, welche Weihnachtsgeschenke interessant aber leicht sein könnten...
4 Kommentare:
Hallo David!
Also das mit dem Namensstempeln verstehe ich noch nicht ganz. Es ist zwar eine lustige Erfindung und bestimmt ganz praktisch, weil man sich das lästige Unterschreiben spart, aber wenn man ihn dann gar nicht selbst anwenden soll, hat er ja nicht mehr die Funktion einer eigenen Unterschrift. In deinem Fall hätte ja die Bankbeamtin entschieden, wofür du "unterschreibst".
Mich würde mal interessieren, wie so ein individueller Stempel aussieht. Stempelt man dann einfach nur seinen Namen in ganz normalen Buchstaben oder musstest du bei der ausstellenden Stelle handschriftlich unterschreiben und nach diesem Abbild ist der Stempel gemacht?
Und wenn man im Laden mit Kredit-Karte bezahlt, falls es da so ein System überhaupt gibt, stempelt man dann einfach auf dem Kassenzettel, statt mit einem Kuli zu unterschreiben? Das würde dann bestimmt schneller gehen, denn hier dauert es ja erfahrungsgemäß immer am längsten, wenn jemand mit Kreditkarte bezahlt.
Muss man dann eigentlich verdammt gut auf den Stempel aufpassen? Denn wenn er geklaut wird, hat diese Person ja deine Unterschrift und kann damit allerlei anstellen?
...Fragen über Fragen...
Hallo H.,
Ganz kenne ich mich mit den Namensstempeln auch nicht aus, aber ich habe Hiro ein wenig gefragt und sie meinte, dass die Namensstempel mehr wert sind als eine Unterschrift und dich selbst repräsentieren. Sie werden auch meist nur zu wichtigeren Anlässen gebraucht wie Eröffnen eines Kontos oder so. Zumindest habe ich noch niemanden im Supermarkt etwas Stempeln gesehen. Und es ist einfach nur ein kleiner Stempel in dem dein Name eingraviert ist. Ich werde mal ein Bild von meinem machen, damit du weißt, wovon ich spreche.
Ich habe auch darüber nachgedacht, dass man einen Namensstempel doch total leicht Klauen könnte, aber da er meist in Verbindung mit deinem Ausweis gebraucht wird, ist es doch ziemlich sicher. So gesehen ist eine Unterschrift eigentlich unsicherer, denn jeder Depp könnte irgendwo hingehen und deinen Namen unter irgendeinen Vertrag setzen.
Aber wie bereits im Artikel geschrieben: Normale Unterschriften sind in Japan auch ganz verbreitet, es gibt eben gewisse Anlässe, zu denen ein Namensstempel notwendig ist.
Hey David,
du kannst dir kaum vorstellen wie herzhaft mich deine Beschreibung zum Lachen gebracht hat. Kann mir das genau vorstellen. Vor allem dass dich niemand bei deiner spassigen Aufgabe zu unterbrechen getraut hat... :D
Steht dein Name in Katakana oder ganz normal in lateinischen Buchstaben dadrauf?
Kannst du auch ein aufgeblasenes Schlauchboot per Post verschicken?
Hey Michi,
Ich werde bei Gelegenheit ein Foto von meinem Namensstempel einfügen. Aber soviel sei verraten: Ich konnte selbst entscheiden, ob ich meinen Namen in Katakana oder unseren westlichen Buchstaben dargestellt haben möchte. Ich habe dann spontan westliche Buchstaben genommen, weshalb ich nun immer "KRAFT" stempele.
Und laut Theorie müsste ich ein Schlauchboot verschicken können, solange es die vorgeschriebenen Längen nicht überschreitet. Ich habe Tomomi gefragt, ob denn ein Karton voller aufgeblasener Luftballons günstiger zu versenden sei, als ein Kilo Zucker, und sie bejahte.
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