Donnerstag, 2. April 2009

Dunkle Wolken

Würde mich jemand zu meinem ersten Eindruck von Kyoto befragen, so würde ich wohl mit den Schultern zucken und ein wenig herumstammeln. Denn als ich mit meinem Gepäck in der Nähe des Bahnhofs stand und mich umschaute, gab es so gar nichts Interessantes anzusehen. Es war nicht hässlich oder heruntergekommen, es gab aber auch nichts, was ins Auge gefallen wäre. Alles was ich sah, waren ein paar hohe Gebäude, eine sehr breite Straße, auf der noch nicht so viel los war, ein paar Grünstreifen und einen großen Parkplatz vor dem Bahnhof. Ich erinnerte mich an den Ausdruck "Kyoto, die Kulturhauptstadt Tokyos" aus meiner Vorlesung zur japanischen Geographie, doch davon war nicht wirklich etwas zu sehen. Zumindest nicht in diesem Teil Kyotos. Nur zu gerne hätte ich meinen ersten Eindruck in ein paar Bildern festgehalten, doch bereits in Tokyo war mir aufgefallen, das meine Kamera weder in der Tüte mit dem Proviant war, noch in meinem Rucksack, weshalb mir bereits dämmerte, dass ich trotz meiner sorgfältigen Vorbereitungen meine Kamera in Soka vergessen hatte.
Es war sechs Uhr morgens, als wir uns entschlossen erst einmal zum Bahnhof zu gehen, um zu sehen, wie wir zu unserer Unterkunft kämen. Ninja hatte zwar in Stichpunkten die Angaben notiert, die uns im Vorhinein als Wegbeschreibung mitgeliefert worden waren, doch irgendwie kamen wir damit nicht klar. Und so liefen wir erst einmal mit unserem Gepäck im Schlepptau am Bahnhof herum. Was genau wir suchten, wußte ich gar nicht genau, Dominic auch nicht, also drängten wir Ninja einfach den nächsten Bahnbeamten um Rat zu fragen. Das tat sie dann auch, mit dem Ergebnis, das wir zur Information weitergeleitet wurden, die glücklicherweise genau in dem Moment öffnete, als wir ankamen. Kurzerhand nahm ich mir Ninjas Zettel und stellte mich vor den Mitarbeiter: "Wir suchen einen Ort namens 'XXX', könnten sie uns dabei weiterhelfen?". Mit gebrochenem Englisch antwortete der Mann, was mich überraschte, weil ich extra in sauberem Japanisch gefragt hatte. Nichtsdestotrotz redete ich für den Rest des Gesprächs auf Japanisch, was ein wenig merkwürdig war, da der Bahnbeamte an der Information kontinuierlich mit seinem schlechten Englisch antwortete, was ich noch weitaus schlechter verstand, als normales Japanisch. Nach einigen Minuten japanisch-englischer Konversation, hielt ich schließlich triumphierend einen Zettel in der Hand, auf dem der Beamte unsere Unterkunft markiert hatte, und so konnten wir uns endlich auf den Weg machen.
Irgendwie hatte ich es ja bereits erwartet: Als wir uns dem Hotel näherten, wurden Ninja und Dominic kontinuierlich langsamer, was dazu führte, dass ich irgendwann ganz vorne lief und somit wieder in die Rolle des Organisators gedrängt wurde. "Was soll's.", dachte ich mir und betrat das Gebäude durch die Schiebetür und stellte mich an die Rezeption zu einem alten Herren, der mich auf Japanisch begrüßte. Wie sich herausstellte, war es noch zu früh zum Einchecken, weshalb wir lediglich den Großteil unseres Gepäcks abluden und uns verabschiedeten. "Wir können erst Nachmittags einchecken.", teilte ich den anderen vor dem Gebäude mit, "Was machen wir also bis dahin?". Ich blickte in zwei müde, missgelaunte Gesichter, die nicht sehr unternehmungslustig aussahen, was nach einer fast schlaflosen Busfahrt verständlich war. Da sich aber niemand wirklich um eine Planung für den Tag kümmern wollte, warf ich einen Blick auf den Stadtplan, den uns der ältere Mann netterweise gegeben hatte, und entschied ein wenig in der Umgebung umherzulaufen, um sich Kyoto anzusehen, schließlich war es zwar frisch, aber doch einigermaßen sonnig. Und so schlenderten wir knapp eineinhalb Stunden durch das südliche Kyoto und sammelten weitere Eindrücke. Hin und wieder borgte ich mir Dominics Kamera, um ein paar Bilder zu machen.


Bild1: Ein Blick auf die fünfstöckige Pagode des Touji, was nichts anderes als Osttempel heißt. Laut meinem Reiseführer ist dies die höchste Pagode Japans und gilt als Wahrzeichen Kyotos. Ich muss eingestehen, dass ich noch nie etwas von dieser Pagode, geschweige denn vom Osttempel gehört habe.


Bild2: Ein Blick in irgendeine Straße im Südviertel Tokyos. Es ist noch immer früh am Morgen und so trafen wir viele Schüler auf dem Weg zur Schule.


Wenn ich ehrlich bin, fand ich Kyoto nicht sehr schön. Viel zu viel Industrie war überall zu sehen und ganz anders als in Tokyo und Soka lag sehr viel Müll herum. Vielleicht lässt sich dies damit erklären, dass wir in einem Bereich unterwegs waren, der normalerweise nicht auf den typischen Touristenrouten verzeichnet ist, dennoch war ich zu diesem Zeitpunkt ziemlich enttäuscht. Und leider wurde Kyoto nicht hübscher, als wir nach einiger Zeit in den Südosten wanderten, um uns ein Tempelviertel anzuschauen, ganz im Gegenteil: Der Müll nahm regelrecht Überhand. Und so liefen wir an verdreckten Straßen entlang, über verdreckte Bäche, vorbei an riesigen Industrieanlagen, bis wir schließlich den halbausgetrockneten Fluss Tokyos überquert hatten und uns im Südosten der Stadt in einem ruhigen, weitläufigen Viertel mit vielerlei Tempeln befanden. Hier wurde die Umgebung dann endlich schöner, wenn auch am Himmel und zwischen Dominic, Ninja und mir dunkle Wolken aufzogen.


Bild3: Verdreckte Bäche und Nebenarme des Flusses in Kyoto. Kein schöner Anblick.


Bild4: Aus der Kulisse Kyotos ragen keine Tempelanlagen oder Schreine hervor, nein, es sind riesige Industrieanlagen, die Kyotos Kulisse im Südviertel prägen.


Bild5: Eine Karte, die einen Übersicht über das verwinkelte Tempelviertel gibt. Jedes rote Häuschen symbolisiert einen buddhistischen Tempel.


Im Nachhinein weiß ich gar nicht mehr genau woran es lag, aber irgendwann begannen wir drei uns in die Haare zu bekommen. Ich lief gerade einige Meter vor den anderen und schaute mir die, im Vergleich zum Südviertel, wunderschönen Häuser und Gärten an, als ich plötzlich angehalten wurde, um den Streit auszudiskutieren. "Welchen Streit?", fragte ich verwundert nach, als mir gleich vorgeworfen wurde, dass ich vor den anderen weglaufen würde. "Also eigentlich habe ich mir nur die schöne Umgebung angeschaut und die Atmosphäre genossen. Tut mir leid, wenn ich dabei zu weit nach vorne gelaufen bin, dann gehe ich einfach noch ein wenig langsamer.", antwortete ich ziemlich perplex und versuchte die Situation möglichst behutsam aufzulösen. "Darum geht es nicht. Sag doch einfach warum du sauer bist.", kam es zurück, woraufhin ich noch verwirrter blickte, und nur "Ich bin doch gar nicht sauer. Ich habe mir wirklich nur die Umgebung angeschaut. Ich dachte dazu wären wir hier ins Tempelviertel gekommen. Die Umgebung anschauen.". Und so schaukelte sich die Diskussion nach oben und jeder behauptete selbst keine schlechte Laune zu haben, was aber angesichts unseres Streits nicht ganz stimmen konnte. Irgendwann hatte ich das Gefühl, dass wir uns im Kreis drehten und ich auf alles was ich sagte, nur noch patzige Antworten bekam, weshalb ich vorschlug doch lieber weiterzugehen, da sich die schlechte Atmosphäre sicher bald von alleine legen würde, doch das wollte auch niemand. Und so saßen wir schließlich zu dritt schweigend auf einer Mauer und taten nichts, was ich ziemlich bedauerte, da ich mir so gerne etwas angeschaut hätte. "Vielleicht ist es besser, wenn wir uns für eine Weile trennen und später treffen, dann kann jeder bis dahin machen, was er möchte.", schlug ich vor. "Vielleicht ist es besser nicht so aufeinander zu hängen, schließlich sind wir alle ziemlich müde und gereizt.". Was als gut gemeinter Lösungsvorschlag gedacht war, entfachte die Glut von Neuem, weshalb wir wieder begannen zu streiten. Und so saßen wir letztlich wieder schweigend da und taten nichts. Und einmal mehr wünschte ich mir irgendetwas anzusehen und die Zeit hier nicht so sinnlos zu vertrödeln.
Vorerst gelöst würde die Situation von außen, denn unerwartet kam ein älteres japanisches Ehepaar auf uns zu und sprach uns an. Woher wir kämen, was wir hier in Japan machen würden und ob wir schon beim nahegelegenen Tempel gewesen wären. Und so unterhielt ich mich eine Weile lang mit den beiden älteren Leuten, die ganz begeistert davon waren Deutsche in Kyoto zu treffen. Doch so interessant das Gespräch auch war, so unangenehm wurde es mir, als die Frau plötzlich begann uns auf den ihrer Meinung nach ruhmreichsten Deutschen anzusprechen: Hitler. Ich wußte erst gar nicht, wie ich darauf reagieren sollte und wählte einen recht simplen Ausweg aus der peinlichen Situation, indem ich einfach das Thema auf den nahliegenden Tempel lenkte. Mein Ablenkungsmanöver klappte und die Frau begann uns begeistert vom Toufuku-Tempel zu erzählen. Ich versuchte überaus interessiert zu wirken und entschuldigte mich so schnell wie möglich mit der Erklärung, dass ich mir nun unbedingt den Toufuku-Tempel anschauen wolle. Und mit diesen Worten schnappte ich mir Dominic und Ninja und zog sie auf das Gelände des Toufuku-Tempels, während das alte Ehepaar noch eine Weile am Eingang stand und uns glücklich zuwinkte. Eine Weile liefen wir über das Tempelgelände und schauten uns einiges an, dann verloren Ninja und Dominic das Interesse und setzten sich irgendwo auf den Boden. Also nahm ich den Fotoapparat, den mir Dominic einige Zeit zuvor gegeben hatte, und erkundete das Tempelgelände auf eigene Faust. Und endlich konnte ich auch nach Belieben Bilder machen.


Bild6: Ein Blick auf die große Haupthalle, des Toufuku-Tempels. Aufgrund der vielen Bäume und Nebengebäude war es gar nicht so leicht, ein guten Foto zu schießen.


Bild7: Ein Bild von der hübschen Gartenanlage mit ihren zahlreichen Steinlaternen. Zu oft macht man nur Bilder von den Hauptgebäuden und vergisst das gesamte Drumherum zu dokumentieren, das seien Beitrag zum Flair der Tempelanlage beisteuert.


Bild8: Im Vordergrund sieht man wieder den Haupttempel und kann diesmal besser erahnen welche Ausmaße dieser hatte. Glücklicherweise hatte sich der Himmel für eine kurze Zeit ein wenig aufgelockert.


Bild9: Ein einfacher Gang, der vom Haupttempel zu einigen Nebengebäuden führte, weckte mein Interesse.


Bild10: Ein Blick auf eines der vielen Nebengebäude, im Vordergrund ein überdachte Gang, wie jener aus dem vorherigen Foto. Manchmal wünsche ich mir, dass ich in der Vorlesung zur japanischen Religions- und Geistesgeschichte etwas besser aufgepasst hätte, um die vielen Nebengebäude ihren Funktionen zuordnen zu können. 


Bild11: Ein weiteres Nebengebäude mit einem japanischen Vorgarten, wie man ihn noch bei vielen Sehenswürdigkeiten zu Gesicht bekommen wird.


Bild12: Eine der vielen Schnitzereien, die sich über den Türen, Toren und in den Giebeln japanischer Tempel und Schreine befinden. In diesem Fall ein Vogel, vermutlich ein Fasan.


Bild13: In Japan nimmt man die Trennung zwischen Buddhismus und Shintoismus nicht so ernst. Darum kann es durchaus vorkommen, dass man mitten auf dem Tempelgelände (buddhistisch) einen Schrein (shintoistisch) findet, wie eben hier beim Toufuku-Tempel.


Bild14: Das Torii, das kleine Tor das man in diesem kleinen Altar für Opfergaben sieht, ist ein typisch shintoistisches Symbol. Bei all den Tempeln und Schreinen in Kyoto war man sich manchmal gar nicht mehr sicher, ob man sich gerade einen Tempel oder Schrein anschaute, weshalb es immer hilfreich war am Eingang des Geländes nachzusehen, ob ein solches Torii zu sehen war, dann hatte man nämlich die Gewissheit sich gerade einen Schrein anzusehen.


Bild15: Dominic und Ninja saßen auf einigen Steinen vor einem Baum, während ich das Tempelgelände erkundete und Fotos schoss.


Nachdem wir das Gelände des Toufuku-Tempels verlassen hatten, liefen wir auf der Suche nach einem Supermarkt durch eine angrenzende Wohngegend. Beim Betrachten der zahlreichen Häuser in den verwinkelten Gässchen, konnte ich mit meiner Begeisterung Dominic anstecken und so lockerte sich die Atmosphäre nach dem angespannten Morgen doch allmählich auf. Nachdem wir von dem etwas höhergelegenen Tempelviertel in die Stadt heruntergelaufen waren, dauerte es nicht lange, bis wir einen Supermarkt fanden, in dem sich jeder ein Sushiset zum Essen kaufte, schließlich hatten wir abgesehen vom Inhalt der Tüte mit dem Reiseproviant noch kein Frühstück gehabt. Als wir uns dann setzten, um zu Essen, begann es schließlich zu tröpfeln, nachdem schon den ganzen Tag über die dunklen Wolken am Himmel bedrohlich hin und her gezogen waren. Zu unserem Glück war es nur ein kurzer Regenschauer, der ebenso schnell vorbei war, wie er angefangen hatte, weshalb wir direkt im Anschluss an unsere Essenspause wieder aufbrechen konnten, ohne durch den Regen laufen zu müssen. Wir verließen das Tempelgebiet und liefen vom Südosten Kyotos entlang einiger Einkaufsstraßen nach Norden, bis wir schließlich in einem kleinen Schreingelände wieder eine Pause machten. Während ich Dominic den Unterschied zwischen Tempeln und Schreinen erklärte, zog sich der Himmel aber bereits wieder mit Wolken zu und so machten wir uns auf den Weg zum Bahnhof von Kyoto, an dem wir am Morgen angekommen waren. Leider kamen wir wieder einmal in einen Regenschauer und standen für einige Zeit in einem Wohngebiet nahe der Gleise unter dem Vordach einer Garage, bis der Regenschauer vorüber war. Vor allem Ninja hatte keine Lust mehr Kyoto noch weiter zu erkunden, weshalb wir versuchten entlang der Bahnschienen zurück zum Bahnhof zu finden, was allerdings wenig erfolgreich war. Und so irrten wir eine ganze Weile lang durch eine Mischeung aus Wohn- und Gewerbegebiet, bis wir wieder an jener Brücke ankamen, an der wir am Morgen den halbausgetrockneten Fluss ins östliche Kyoto überquert hatten. Erleichtert folgten wir unserem eigenen Weg zurück bis zu unserer Unterkunft, um nun, gegen ein Uhr Mittags, ein weiteres Mal zu versuchen einzuchecken.


Bild16: Der kleine Schrein, an dem wir eine Pause einlegten. Ich habe ihn auf keiner Karte verzeichnet gefunden und weiß nicht einmal, ob er einen Namen hatte.


Bild17: Schreine in Japan stehen oft im Zusammenhang mit einem Heiligtum, in dem gemäß dem shintoistischen Glauben eine oder mehrere Gottheiten wohnen. Dies können Steine, Berge, Gebäude, ein Stück Land, ganze Wälder oder, wie in diesem Fall auch nur ein einzelner Baum sein. Markiert werden diese Heiligtümer oder heiligen Bereiche oft durch ein Seil mit zackigen Papierstreifen dran, wie man es am Stamm dieses Baumes erkennen kann.


Bild18: Dominic und ich sitzen auf einer Bank auf dem Schreingelände.


Als wir wieder an der Rezeption unserer Unterkunft ankamen, saß dort wieder der ältere Mann und begrüßte uns herzlich. Auf meine Frage, ob wir nun einchecken könnten, warf er einen Blick auf die Uhr und bejaht schließlich. Glücklich füllte ich die nötigen Papiere für uns drei aus und regelte alles auf Japanisch, was anstand. Nur die Kosten für die Übernachtung mussten Dominic und Ninja noch übernehmen, doch leider hatten sie das Geld nicht parat. Also fragte ich möglichst höflich nach, ob wir auch noch am nächsten Tag bezahlen könnten, woraufhin der Mann freundlich nickte. Während Dominic und Ninja mit ihrem Gepäck in einem engen Fahrstuhl in den dritten Stock zu unserem Zimmer fuhren, stand ich noch eine Weile unten und unterhielt mich mit dem Besitzer der Unterkunft. Neugierig fragte er nach, wo ich Japanisch gelernt habe, und lauschte interessiert, als ich ihm ein wenig von meinem Studium und Aufenthalt in Japan erzählte. Als ich dann schließlich auch in den Aufzug stieg, schaute der Mann mir lächelnd hinterher und lobte mich für mein gutes Japanisch. Mein Herz machte einen Sprung und ich konnte gar nicht mehr aufhören mich zu bedanken und zu verneigen, so glücklich war ich für dieses Lob.
In unserem kleinen Zimmer angekommen, duschten wir alle nacheinander, bevor sich Dominic und Ninja erschöpft schlafen legten. Ich konnte nicht schlafen, schließlich war ich gar nicht müde. Warum war ich so fit, fragte ich mich, während die anderen wie Steine auf ihren Futons lagen. Vielleicht war es einfach die Begeisterung über all das Neue, das mich wach hielt, genauso wie ich an meinem ersten Tag in Japan voller Tatendrang steckte, obwohl ich im Flugzeug gar nicht geschlafen hatte ("So ist Soka"). Und so blätterte ich durch meinen Reiseführer und schaute auf die Stadtpläne, die wie vom Besitzer unserer Unterkunft erhalten hatten, während sie anderen für knapp zwei Stunden schliefen.
Als die anderen am Nachmittag wieder wach wurden, begann ich unsere Abendunternehmung zu planen, woraufhin Ninja äußerte gerne nach Gion zu gehen, ein traditionelles Viertel in Kyoto, das für sein besonderes Flair zur Abendzeit bekannt ist. Eine gute Idee, stimmte ich Ninja zu, während Dominic so gar keine Lust hatte noch einmal nach draußen zu gehen. Erst als ich ihm erzählte, dass wir am Nationalmuseum Kyotos vorbeilaufen würden, in welches er schon immer einmal gehen wollte, erklärte auch er sich bereit noch einmal durch Kyoto zu laufen. Also verließen wir unsere Unterkunft am späten Nachmittag und liefen mit unserer Karte in der Hand quer durch Kyoto in Richtung des Viertels Gion, das sich im Osten befand. Nach über einer halben Stunde Fußmarsch kamen wir dort an, wo laut Stadtplan eines der traditionellsten Viertel Kyotos sein sollte, doch wirklich beeindruckend fand es niemand. Ja, es hingen Laternen an den Überdachungen der Straßen und die Häuser waren ziemlich traditionell, doch die Fluten von Menschen  und die zahlreichen Stände und Läden machten das "besondere Flair", von dem ich so oft im Bezug auf Gion gehört hatte, vollkommen zunichte. Und so liefen wir recht schnell durch die vollen Straßen, vorbei an den bunten Lichtern und den unzähligen Läden, bis wir uns in einer ruhigen Nebenstraße vor einem Supermarkt wiederfanden. Dort kauften wir für den Abend ein und liefen schließlich mit unseren Einkaufstaschen beladen zurück durch Kyoto zu unserem Wohnheim. Und als wir so in der Dunkelheit den kürzesten Weg zum Bahnhof nahmen, abseits der Touristenwege und überfüllten Straßen, kamen wir durch ruhige Straßen in denen sich ein Lokal ans nächste reihte, ohne dass es irgendwie hektisch gewirkt hätte. Damen in traditioneller Kleidung nickten uns von den Eingängen aus zu und luden uns ein Platz zu nehmen, was wir freundlich ablehnten. Und so hatten wir doch noch das Gefühl ein wenig von jenem Flair zu erleben, der im Reiseführer so ausführlich beschrieben wurde.


Bild19: Das Nationalmuseum von Kyoto, auf das sich Dominic so sehr gefreut hatte, war wegen Umbauarbeiten leider geschlossen. Als Erinnerung haben wir dennoch ein paar Bilder gemacht.

Bild20: Das Viertel Gion, das für sein "besonderes Flair" bekannt ist. Hiervon haben wir aber an diesem Abend, in dieser Straße nichts gemerkt.


Bild21: Abseits des Lärms und der Touristen, kamen wir dann doch noch in eine Gegend, die genau so war, wie wir uns Gion ausgemalt hatten. Statt überfüllter Straßen, gab es ruhige, besinnliche Gassen, statt schriller Läden und Stände, gab es ruhige Lokale, an denen man von netten Damen begrüßt wurde und anstelle der gewöhnlichen Straßenbeleuchtung war der Weg von jenen Laternen gesäumt, die auf dem Foto zu sehen sind.


Bild22: Ein Blick in einen kleinen Weg der zum Eingang eines Lokals führt. Auf dem Foto sieht es natürlich überhaupt nicht wie in der Realität aus. Man muss sich vorstellen, dass dieser kleine gepflasterte Weg in ein sanftes Licht getaucht und von Pflanzen gesäumt war. Wunderschön.


Den Abend verbrachten wir auf unserem Zimmer, aßen gemeinsam an einem kleinen Tisch und genossen ein entspanntes Beisammensein, nach all dem Streit an diesem Tag. Ohne größere Planung für den kommenden Tag legten wir uns kurze Zeit darauf auf unsere Futons und schliefen ein. Und schlafen konnte nach der langen Anreise und einem anstrengenden ersten Tag jeder von uns. Bevor ich jedoch einschlief, lies ich den Tag noch einmal Revue passieren und bedauerte ein wenig nur so wenig erlebt zu haben, schließlich hatten wir in den knapp zehn Stunden, die wir in Kyoto unterwegs gewesen waren, doch recht wenig gesehen. Das wird morgen bestimmt ganz anders, dachte ich mir und hoffte auf einen spannenden, ereignisreichen zweiten Tag in Kyoto, bevor ich schließlich einschlief.

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