Eine Sache muss man über Sehenswürdigkeiten in Tokyo wissen: Sie öffnen früh, schließen aber auch wieder früh. Vor allem in der Wintersaison, wozu Mitte März gehört, sind die Öffnungszeiten noch einmal eine weitere Stunde verkürzt, weshalb fast alle Tempel, Schreine und Museen um vier Uhr nachmittags geschlossen werden. Was wäre also eine logische Schlussfolgerung, wenn man sich als Tourist viel anschauen möchte? Genau, dass man früh aufsteht. Und genau deshalb habe ich nicht verstanden, warum Dominic und Ninja den Morgen vertrödelten, denn letztlich gingen wir erst um zwölf Uhr los, vier Stunden bevor alles schon wieder schließen würde. Und so saß ich den gesamten Vormittag herum und überlegte wie ich die Zeit nutzen könnte, bis die anderen endlich gehen wollten. Also las ich im Reiseführer, plante eine Route und kaufte an der Rezeption schon einmal drei Tagestickets für den Bus, ansonsten saß ich aber recht tatenlos da und wartete.
Zuerst wollten wir heute mit dem Bus in den Nordosten Kyotos fahren, um uns den Ginkaku-Tempel anzusehen, den man im Deutschen auch gerne als Silbernen Pavillion bezeichnet. Von verschiedenen Seiten hatte ich gehört, dass der Tempel an sich gar nicht so schön sein solle, dafür der weitläufige Garten um so mehr. Heute wollte ich mir davon gerne ein eigenes Bild machen. Ein wenig aufgeregt war ich schon, als ich das erste Mal mit einem Bus in Kyoto fuhr, schließlich war es meine erste Busfahrt in Japan und es funktionierte alles ein wenig anders als in Deutschland. Glücklicherweise hatte ich von dem älteren Herren an der Rezeption unserer Unterkunft einen Busplan erhalten, auf dem nicht nur das gesamte Liniennetz Kyotos verzeichnet war, sondern auch eine gute Erklärung zur Benutzung der Busse. So steigt man an Haltestellen stets in den hinteren Teil des Busses ein und bezahlt erst beim Aussteigen, wozu man nach vorne zum Fahrer durchläuft und an einem Automaten sein Geld einwirft oder sein Ticket einsteckt. Aufmerksam las ich mir die detailgetreuen, bebilderten Erläuterungen durch und fühlte mich sicher, als ich kurze Zeit später beim Aussteigen das erste Mal mein Tagesticket in den Automaten steckte. Und natürlich funktionierte alles einwandfrei und ich verlies den Bus ohne Komplikationen.
Bild1: Ein Foto von den vielen Bussen, die an jeder zweiten Ecke Tokyos halten. Wie oben erklärt, sieht man die Fahrgäste vorne aussteigen.
Endlich standen wir nur noch wenige hundert Meter vom Silbernen Pavillion entfernt und alles was uns noch davon trennte, war eine Einkaufsstraße. Doch man kann es sich ja schon fast denken: Während ich am liebsten den Pfad zum Tempel zügig nach oben gelaufen wäre, um endlich an der eigentlichen Sehenswürdigkeit anzukommen, bummelten Ninja und Dominic zwischen den Läden umher. Und damit meine ich nicht das gemächliche Laufen mit gelegentlichem Stehenbleiben und Anschauen, nein, ich meine jene Art von Bummeln, die aus einigen hundert Metern Einkaufsstraße ein mehr als halbstündiges Unterfangen macht. "Lass mich das doch anschauen, ich finde das interessant.", entgegnete mir Dominic berechtigt, als ich ihn bat doch ein wenig schneller zu gehen, woraufhin ich versuchte zu erklären: "Das verstehe ich ja auch, aber du musst mir vertrauen, wenn ich sage, dass es diese Einkaufsstraßen vor jedem Tempel und Schrein in Japan gibt. Und fast überall wird das Gleiche angeboten. Darum lass uns lieber zuerst ein paar Sehenswürdigkeiten ansehen und später, wenn die Sehenswürdigkeiten geschlossen haben, durch die Einkaufsstraßen bummeln.". Natürlich fielen meine Vorschläge auf taube Ohren und so schlenderte ich die Einkaufsstraße zum Eingang des Tempels empor und wartete dort auf Ninja und Dominic, während ich mir die Gegend und die vielen Touristen ansah.
Bild2: Die Einkaufsstraße vor dem Silbernen Pavillion, in der Ninja und Dominic sich aufhielten, während ich vor dem Eingang des Tempels wartete.
Bild3: Ein Foto für meine Mutter und alle Katzenfans: Ein Laden, der sich Postkarten mit Katzenmotiven widmete.
Bild4: Der Eingangsbereich des Silbernen Pavillions, vor dem ich wartete.
Bild5: Eine Übersichtskarte über das Gelände des Silbernen Pavillions. Der Eingang aus dem vorherigen Bild befindet sich auf dieser Karte ganz unten links. Wie man bereits sehen kann, hat der Tempel eine weitläufige Gartenanlage.
Nachdem wir uns alle am Eingang des Tempels eingefunden hatten, bezahlten wir unsere Eintrittsgebühr und betraten endlich das Gelände des Silbernen Pavillions. Bedauerlicherweise fanden gerade zu diesem Zeitpunkt Renovierungsarbeiten am Haupttempel statt, weshalb dieser mit Planen und einem Gerüst umgeben war. Doch der wunderschöne Garten machte alles wieder wett. Und so kann ich als Fazit meines Besuchs sagen, dass das, was man vom Tempel sehen konnte nett, der Garten hingegen überaus beeindruckend war. Aber genug der Worte, ich lasse lieber die Bilder für sich sprechen:
Bild6: Das sah man häufig am Silbernen Pavillion: Den moosbedeckten Boden und den hellen Kies. Dieser Bereich ist noch im Innenhof des Tempels, gehört also noch nicht zum weitläufigen Garten. Vieles durfte man nicht betreten und so wurde man meist auf schmalen Pfaden am Rand der Innenhöfe entlanggeführt. Links im Bild sieht man übrigens das Eingangstor, an dem wir unsere Tickets kaufen mussten.
Bild7: Ich fand es immer schön, wie die Bäume auf kleinen Moosinseln auf dem gehakten weißen Kies schwammen. Es ist der gleiche Innenhof, wie im Bild zuvor, aber aus einer anderen Perspektive.
Bild8: Der große Innenhof ging fließend in den umliegenden Garten über. Augenfang war ein riesiges erhöhtes Feld aus weißem Kies, in das Muster geharkt waren. Ich habe mich die ganze Zeit über gefragt, wie die Erschaffer dies wohl gemacht hatten, ohne irgendwelche Fußabdrücke oder Mulden zu hinterlassen. Im Hintergrund sieht man einige Nebengebäude des Haupttempels.
Bild9: Ein Blick auf einen Ausläufer des Tempelkomplexes, der bis an einen großen Teich heranreichte. Überall im Park waren übrigens Gärtner unterwegs, die vorsichtig den Garten in stand hielten und stellenweise mit Pinzetten Unkraut zwischen dem Moos aus dem Boden zogen. Wer also denkt, dass japanische Gärten von alleine so wachsen würden, irrt sich. Es steckt eine Menge Arbeit dahinter.
Bild10: Über eine kleine Brücke überquerten wir den großen Teich und erreichte den hinteren Teil des Gartens. Sehr schön fand ich die moosbewachsenen Hänge im Hintergrund, die sich über dutzende von Metern erstreckten. Als eine nette Idee empfand ich auch die Bambusgeländer entlang des Weges. Man kann sagen, dass alles stimmig zusammenpasste: Die Pflanzen, der Boden, die Wege, die Brücken, der Teich und sogar die Geländer. Es war wirklich ein Erlebnis durch diesen Garten zu laufen.
Bild11: Es war ein Paradigma: Egal wo man stand und wie man sich dreht, überall sah man Kulissen, die sich für ein perfektes Foto eigneten. Dennoch konnte man nicht in Bildern festhalten wie beeindruckend einige der Ansichten waren.
Bild12: Ein Blick vom höchsten Punkt des Gartens auf das Tempelgelände und Kyoto. Man sieht auch den Haupttempel, der gerade renoviert wird.
Bild13: Ein Steinbach zog sich durch den Garten, was nicht hieß, dass es nicht auch richtige Bäche gegeben hätte.
Bild14: Ein letzter Blick auf den Moosteppich, der fast das gesamte Tempelgelände überspannte, bevor wir den Silbernen Pavillion verließen. Es gäbe noch so viel mehr Bilder, die ich gerne zeigen würde, aber das würde leider den Rahmen dieses Blogs sprengen.
Nachdem wir den Tempel verlassen hatten, machten wir uns zum zweiten Tempel auf, den wir besuchen wollten. Sofort? Nein, Ninja und Dominic schlenderten die Einkaufsstraße wieder herunter, obwohl ich eigentlich dachte, dass sie bereits auf dem Hinweg alles gesehen hatten. Also trödelte ich hinterher. Als wir dann schließlich zur Bushaltestelle kamen, fuhren wir zum Kiyomizu-Tempel, der nicht so weit entfernt lag. Leider befand sich die Bushaltestelle am Fuss eines Hügels, und die Tempelanlagen ganz oben. Und so liefen wir zunächst einmal den steilen Weg zum Tempel nach oben, der, man ahnt es bereits, wieder von Geschäften und Ständen gesäumt war. Und wieder einmal schlenderte ich durch die Einkaufsstraße und wartete oben vor dem Tempel auf Ninja und Dominic. Dominic kam sogar schon bald und gab zu, dass es doch genau das Gleiche war, wie erst vor dem Silbernen Pavillion, doch Ninja lies sich Zeit. Und so wartete ich diesmal gemeinsam mit Dominic vor dem Eingang der Tempelanlage, bis Ninja kommen würde. Als sie dann da war, war es bereits nach drei Uhr und so lohnte es sich kaum noch Geld zu bezahlen, um in den Kiyomizu-Tempel zu gehen. Zudem war der Akku von Dominics Kamera fast leer, weshalb wir uns nur die äußeren Tempelanlagen anschauten, für die man kein Geld bezahlen musste, um danach schnell zum Wohnheim zu gehen, den Akku aufzuladen und sich dann vor der Dämmerung noch irgendetwas anzuschauen. Doch nachdem wir uns die äußeren Anlagen des Kiyomizu-Tempels angeschaut hatten und unser Akku aufgebraucht war, bestand Ninja darauf noch zu einem anderen Tempel zu fahren. Und weil sie sich nicht davon abbringen ließ, fuhren Dominic und ich mit, obwohl es für uns ziemlich sinnlos war, da wir nicht einmal Bilder machen konnten.
Bild15: Beim Aufstieg zum Kiyomizu-Tempel habe ich dieses Bild in einer Seitengasse aufgenommen. Zwar sind wir hier nicht nach heraufgekommen und haben auch keine Treppen benutzt dennoch kann man sich ein Bild vom steilen Aufstieg machen. Zudem sieht man Kyoto einmal von einer anderen Seite, als noch am Vortag, denn in der Nähe der Touristenattraktionen, insbesondere entlang der Einkaufsstraßen, sieht Kyoto wirklich schön aus. Ich denke man sieht auch die enormen Unterschiede zu den Großtstadtgebieten in Tokyo.
Bild16: Ein Blick über Kyoto vom Eingang des Kiyomizu-Tempels aus fotografiert. Man sieht sehr deutlich die überfüllte Einkaufsstraße, in der Ninja und Dominic wieder einmal an jedem zweiten Geschäft hängen blieben.
Bild17: Links ein großes Eingangstor zum Kiyomizu-Tempel, das nicht mit einem torii zu verwechseln ist, die man vor shintoistischen Schreinen findet. Rechts ein Tempelgebäude und dahinter eine Pagode, die zum großen Komplex des Kiyomizu-Tempels gehören.
Bild18: Während wir warteten, machten Dominic und ich schon einmal ein paar Bilder, wie beispielsweise diese Aufnahme vor einem blühenden Pflaumenbaum.
Bild19: Ein Blick auf einige der äußeren Gebäude des Kiyomizu-Tempels, für deren Besichtigung man kein Geld bezahlen musste. Bisher waren Gebäude innerhalb eines Tempelkomplexes immer in einem ähnlichen Farb- und Baustil gehalten, doch hier lernte ich, dass es auch anders ging: Im Vordergrund sieht man einige knallrote Gebäude, die mitunter bunt dekoriert sind, im Hintergrund den Eingang zu den inneren Tempelanlagen, zu denen wir leider nicht mehr gegangen sind. Diese Gebäude waren eher in dunkleren Tönen gehalten.
Bild20: Im Vordergrund eine Tempelhalle, dahinter die Pagode, die man bereits aus einiger Entfernung sehen konnte.
Bild21: Durch ein Tor, das an einem Abhang stand, habe ich diese Aufnahme von Kyoto gemacht. Man kann gut erkennen, dass Kyoto auf mehreren Seiten von Bergketten umgeben ist, was erklärt, warum man ständig nach oben laufen muss, wenn man die Tempel am Stadtrand besucht.
Bild22: Auch dieses aus Holz gefertigte Gebäude gehörte zum Tempelkomplex. Ein hübscher, kleiner Pavillion.
Bild23: Beim Spaziergang um den Kiyomizu-Tempel, entdeckten wir einen ganzen Hang voller Steinstatuen mit bunten Lätzchen. Leider eines der letzten Fotos von diesem Tag.
Als wir schließlich wieder in unserer Unterkunft ankamen, war es bereits zu spät, um noch einmal wegzugehen. Und so ärgerte ich mich wieder einmal darüber den Tag fast verschenkt zu haben, denn letztendlich hatte ich nur den Silbernen Pavillion komplett genießen können. Es gab so viel, das ich in Kyoto gerne besuchen würde, doch wenn es in diesem Tempo weiterginge, befürchtete ich, kaum etwas zu sehen. Also versuchte ich für den nächsten Tag ein möglichst stabiles Zeitgerüst zu erstellen, um nicht noch einen Tag zu verschenken. Um acht Uhr wollte ich gerne das Zimmer verlassen und mit dem Bus bis neun Uhr an einer Sehenswürdigkeit anzukommen. Ninja bekam davon allerdings nichts mehr mit, sie verschwand am Abend, um auf die Feier einer Freundin zu gehen, die in Kyoto studierte. Zwischen neun und zehn Uhr wollte sie wieder da sein, um für den morgigen Tag fit zu sein, um halb elf war sie immer noch nicht da und so löschte ich das Licht, um schlafen zu gehen.
3 Kommentare:
Wow, die Gebäude der Tempelkomplexe sehen schon beeindruckend aus. Besonders toll finde ich die Pagode. Wie aus einer anderen Welt.
In Dublin waren wir auch in einem tollen Garten. Eigentlich war der beeindruckende Teil nur ganz klein, er lag etwas tiefer als der Rest, man konnte also von oben schön draufblicken, aber auch herunterlaufen. Das Stück war total liebevoll eingerichtet, mit kleinen Bächen und Brücken, einem kleinen Pavillon und schönen Bäumen, die gerade am Blühen waren. Natürlich waren alle Touristen damit beschäftigt, sich vor den tollen Kulissen von ihrem Partner fotografieren zu lassen :-).
Ob ihr wohl am nächsten Tag pünktlich um 8 Uhr gestartet seid? Ich bezweifel es ja ;-).
Ich glaube das "Sich von anderen vor den Sehenswürdigkeiten oder Gärten fotografieren lassen"-Syndrom kennt jeder von uns. Das habe ich in Kyoto auch oft gesehen und hin und wieder musste auch ich mal für Gruppenbilder von anderen den Auslöser drücken. Dabei muss ich zugeben, dass ich mich ja nur ungern auf Fotos sehe und lieber eine schöne Aufnahme ohne Personen drauf habe.
Die Sehenswürdigkeiten waren übrigens echt beeindruckend, obwohl ich zugeben muss, dass ich mittlerweile so viele Tempel und Schreine gesehen habe, dass für mich die Pagoden und Tempelhallen gar nicht mehr so magisch und fremd sind. Darum freut es mich immer wieder von Neuem, wenn jemand sich noch einmal freudig darüber auslässt, weil mir dann erst wieder bewusst wird, was für unglaubliche Dinge ich gesehen habe.
Hallo.
Ich mochte mit Ihrer Website david-in-soka.blogspot.com Links tauschen
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