Montag, 22. September 2008

Waschen für Anfänger – Fotos für Profis

Da ich weder Internet noch Telefon in meiner Wohnung habe, hielt ich es am vierten Tag für angebracht ein Lebenszeichen an die Außenwelt zu senden. Und da ich von meiner Ankunft in Narita noch eine Telefonkarte hatte, habe ich meinen Ausflug ins Bahnhofsviertel dazu genutzt, um eine Telefonzelle zu finden. Vorher musste ich allerdings noch Passbilder für das national health insurance program machen, dem jeder beitreten muss, der sich längere Zeit in Japan aufhält. Einer von den vielen Passbildautomaten ist schnell gefunden und auch die Bedienung ist sehr verständlich: Man setzt sich hinein, wählt sein Format aus und muss schließlich sein Gesicht richtig platzieren. Das macht man indem man es auf die Höhe der gegenüberliegenden Kamera bringt und nett lächelt. Und hier treten bereits zwei Probleme auf: Erstens das Lächeln, aber das Problem kennt jeder. Viel störender ist es das Gesicht auf die richtige Höhe zu bringen, da der Passbildautomat leider für Japaner geeicht wurde, die zugegebenermaßen doch um einiges kleiner sind als der durchschnittliche Europäer. Also habe ich mich in die Kabine gequetscht und versucht so weit nach unten zu rutschen, bis mein Gesicht auf Höhe der Kamera liegt. Das ging aber nicht, weil meine Knie nach kurzer Zeit an der gegenüberliegenden Wand anschlugen und jedes weitere Absinken unterbanden. Nachdem ich dann erfolglos versucht hatte mich sowohl diagonal, als auch in Stufenform in die Kabine zu pressen, ging auch noch der Countdown los, da ich seit zwei Minuten keine Taste gedrückt hatte. Irgendwie habe ich es dann doch geschafft, aber genau so sahen die Fotos dann auch aus.
Das Telefonieren klappte dann viel besser. Es dauerte zwar einige Anläufe bis ich mich wieder an die genaue Handhabung erinnern konnte, aber dafür kann ich nun auch alle Sätze verstehen, die die automatische Computerstimme sagt, wenn man einen Fehler gemacht hat. Insgesamt war ich nur etwa 15 Minuten in der Telefonzelle, doch die Viertelstunde und die drückende Hitze auf diesem kleinen Raum haben ausgereicht, um mich klatschnass wieder ins Freie treten zu lassen. Auf dem Rückweg bin ich dann an einer Pachinko-Spielhalle vorbeigelaufen. Pachinko ist ein Spiel ähnlich unseren Flipperautomaten, nur mit viel mehr Kugeln auf einmal. Es ist mir im Gedächtnis hängen geblieben wie es nur ein unterschwelliges Brummen gabe, als die Türen noch geschlossen waren. Doch in just in dem Moment, in dem ein Passant in die Spielhalle treten wollte und sich die Schiebetüren öffneten, drang ein ohrenbetäubender Lärm von hunderten von Pachinkoautomaten gleichzeitig ins Freie. Und so schnell der Lärm kam, wurde er auch wieder auf das unterschwellige Summen heruntergeschraubt, als die Türen sich wieder schlossen. Ich frage mich, wie man es für mehrere Stunden in solch einer Spielhalle aushalten kann.
Wie ich oben bereits angedeutet habe, muss man hier in Japan eigentlich alle Wäschestücke im Sommer täglich wechseln. Außer Hosen kann man kein Kleidungsstück für länger als 1 ½ Tage tragen. Manchmal muss man sich sogar mittags schon umziehen, weil das T-Shirt bereits im Laufe des Vormittags beim Einkaufen durchgeschwitzt ist. Innerhalb weniger Tage hat sich in meinem Zimmer somit ein ansehnlicher Haufen an Wäsche angesammelt, der dazu einlud die Waschmaschine auszutesten, die in der Wohnküche steht. Zwar hätte ich mich mit dem Wörterbuch vor die Knöpfe und Anzeigen setzen können, um zu verstehen, was ich einstellen kann, aber ich habe schon zur Genüge die Erfahrung gemacht, dass eine wörtliche Übersetzung meist sinnlos ist. So konnte ich beispielsweise beim Reiskochen mit dem Reiskocher immer zwischen den Stufen „weißer Reis“, „schneller Reis“ und „Badewasser“ wählen. Wem’s hilft. Folglich habe ich mich für die einfache Methode entschieden und einfach das gemacht, was Yosuke gemacht hat: Alle Wäsche rein, Waschmittel drüber und anschalten. Zunächst war ich noch überrascht wie leise die Waschmaschinen in Japan sind, dann ist mir nach drei Minuten aufgefallen, dass ich das Wasser für die Waschmaschine gar nicht aufgedreht hatte. Aber die Wäsche ist letztlich sauber geworden, was will man mehr?
Am Nachmittag klingelte es an der Tür. Zu meiner Überraschung stand dort Viktor, ein Kommilitone aus Marburg, der das Semester vor mir an der Dokkyo-Universität war. Nach den Vorlesungen war er für mehrere Wochen quer durch Japan gereist und zuletzt in Okinawa, dem Südzipfel Japans, gewesen. Während wir uns unterhalten haben, ist uns bewusst geworden, dass wir uns wahrscheinlich das letzte Mal gesehen haben, da Viktor bereits seinen Bachelor gemacht haben wird, bis ich wieder in Deutschland bin. Erst da ist mir aufgefallen, dass ich viele meiner Kommilitonen, mit denen ich in Marburg begonnen habe zu studieren im Laufe meines Studiums nicht mehr sehen werde. Zum Abschied hat Viktor mir eine Plane geschenkt, die ihm immer gute Dienste geleistet haben soll: Als Regenschutz, als Sonnenschutz. Die Plane liegt bei mir auf dem Schrank, aber ich bin mir bis jetzt unsicher, ob er die Plane ernsthaft für ein nützliches Utensil hält, oder ob er nur seinen Müll bei mir abladen wollte.Abends habe ich wieder Reis gegessen, diesmal mit Furikake. Furikake ist ein Pulver in einer bestimmten Geschmacksrichtung, das man über den Reis streut. Es erschien mir eine recht kostengünstige Methode zu sein, um nicht nur weißen Reis zu essen, Es gab 5 Geschmacksrichtungen: Ei, Lachs, Pflaume, Bonito (ein Fisch) und Gemüse. Ich habe Ei und Lachs probiert, musste aber beide unter einem Berg Chilisauce ertränken, weil sie so widerlich geschmeckt haben. Die restlichen Beutel, die ich noch habe, habe ich Yosuke zur freien Verfügung gestellt. Wer sich fragt wie ich den Abend verbringe, dem sei gesagt, dass ich nach dem Hobby-Übersetzen immer noch eine Folge Supernatural schaue, eine US-Mysteryserie, die ich irgendwann einmal aus dem Internet heruntergeladen, aber nie gesehen habe. Jetzt profitiere ich davon, auch wenn ich mir abends manchmal vor Angst fast in die Hose mache.

6 Kommentare:

H. hat gesagt…

Hihi, das kann ich mir ja lebhaft vorstellen, wie du dich in den Fotoautomaten quetschst. Also das Foto würde ich ja schon gerne sehen ;-)

Anonym hat gesagt…

Ich werde alle Beweismittel vernichten ;)

Anonym hat gesagt…

Ganz prima gemacht mit deiner Wäsche, solange am Ende nicht alles auf Puppengröße schrumpft.

Wenn du willst kann ich dir nen Pack Fondor oder Gemüsebrühe zuschicken, damit du was besseres über den Reis streuen kannst.

Schade, dass du die Bilder aus der Sradinenbüchse vernichten willst, ich hätte die zugerne mal gesehen

Anonym hat gesagt…

Bisher hat das Waschen immer geklappt. Einmal habe ich sogar meinen Haustürschlüssel mitgewaschen.

Und Fondor oder Gemüsebrühr könnte ich echt gebrauchen. Es sind wirklich diese kleinen Dingem die man vermisst. So kann ich mir hier total günstig Eier braten, aber es gibt kein Brot oder keine Kartoffeln, die ich dazu essen kann...

Und die Bilder aus der Sardinenbüchse schweige ich einfach tot.

michi hat gesagt…

Oi Kaeptn,

bin die letzten Tage nicht ganz hinterhergekommen mit lesen. Aber ich hols jetzt nach.
"...die zugegebenermaßen doch um einiges kleiner sind als der durchschnittliche Europäer." Du meinst wohl "... als der durchschnittliche David.", ne? Sind ja nicht alle hier so gross.
Oja, an die Pachinko-Hallen erinner ich mich auch (mit Grauen). Du musst da mal reingehen (aber nicht zu lang). Das ist eigentlich ganz witzig. Mir ist damals ein Security-Kerl hinterhergelaufen, weil er mich komisch fand. Hat sich aber nicht getraut mir zu nahe zu kommen weil ich groesser war. Du floesst bestimmt noch mehr Respekt ein ;)

Wenn du es irgendwann mal schaffst dich da an das Essen zu gewoehnen, hast du bestimmt, wenn du wieder hier bist, Ekel vor dem komischen Kram dens hier gibt. ;)

Anonym hat gesagt…

Ach, ich glaube ich freue mich wieder auf mein deutsches Essen. Es gibt zwar viel leckeres hier in Japan, aber ich vermisse doch mein ganz normales Brot und die gute alte Kartoffel. Obwohl ein Leben ohne Billigsushi zum Abendessen doch sehr hart sein muss...