Montag, 22. September 2008

Dokkyo-Ouvertüre

Tag 5 in Japan. Allmählich beginnt der Ernst des Lebens, denn heute starten die Einführungsveranstaltungen an der Dokkyo-Universität. Glücklicherweise bin ich endlich in meinem neuen Tagesrhythmus angekommen, weshalb ich keine Schwierigkeiten habe, rechtzeitig aufzustehen, mich fertig zu machen und die 10 Minuten Fußweg zur Dokkyo zu laufen. Um 10.30 soll eine generelle Einführung am International Center beginnen, doch da bereits um 10.20 jeder Auslandsstudent erschienen ist, beginnt die Einführung bereits früher. Und dann sitzen in dem Präsentationsraum rund 20 Studierende in einem großen U und schweigen sich gegenseitig an. Die junge Referentin begrüßt uns zunächst noch mit schlechtem Englisch, schwenkt allerdings schon bald ins Japanische um. Auch wenn ich bemerke, dass viele Studierende bereits nach kurzer Zeit resigniert weghören, komme ich eigentlich ganz gut mit und kann meist verstehen, was uns erzählt wird. Am wichtigsten ist die Studierendenkarte, die uns Zutritt zur Bibliothek ermöglicht und Vorraussetzung für allerlei Bürokratiekram ist. Zudem müssen alle irgendwelche Papiere unterschreiben und einen Bogen über verschiedene Krankheiten ausfüllen. Dann bekommen alle ein Röhrchen für eine Urinuntersuchung, das wir beim morgigen medical check abgeben müssen. Nachdem wir noch das New Exchange Student Orientation Handbook 2008 durchgegangen sind, das jeder erhalten hat, werden wir in die Mittagspause entlassen und testen zum ersten Mal die Mensa. Das System funktioniert wie folgt: Hinter einer Glasscheibe sind alle Gerichte zu sehen, die zur Verfügung stehen. Das sind etwas 25 Speisen wie „kleiner Salat“, „großer Curryreis“ oder „Udon mit Gemüse - medium“. Dann merkt man sich den Namen des Gerichts, kauft sich an einem Automaten eine Marke dafür und löst diese an der Mensatheke ein. Dann wartet man kurz bis die Bedienung das Gericht serviert, holt sich noch gratis Wasser oder kalten Tee, Stäbchen oder Besteck und sucht sich einen Platz. Ich habe mich für Udon mit Gemüse entschieden, das sind dicke, lange Nudeln in Soja-Fisch-Brühe mit Gemüsematsch oben drauf. Allerdings hat es nicht gerade lecker geschmeckt, vielleicht weil es kalt serviert wurde, vielleicht auch weil als Bonus noch ein weißes, schleimiges Häufchen auf meinen Udon lag, das wie Kaviar aussah. Zumindest habe ich mich über eine halbe Stunde mit meinen Stäbchen an meinen glitschigen, kalten Udon abgemüht und versucht um das weiße Häufchen herum zu essen. Das Essen hat mir somit nicht zugesagt. Michael aus Bremen ließ mit dem Kommentar „Boah, das stopft ja ganz schön.“ seine Udon fast unangetastet stehen und verschwand auf der Toilette. Yosuke hat munter alles in sich hinein geschaufelt.
Bild1: Der Weg von der Dokkyo-Universität.

Mittags sollten sich alle Studierenden treffen, um gemeinsam die Registrierungskarte für Ausländer in der Stadthalle zu beantragen, die komischerweise alien registration card heißt. Danach muss noch jeder dem national health insurance program beitreten. Allerdings waren viele wohl vorher bei der Stadthalle, weshalb sich nur eine handvoll Studenten im International Center einfanden. Angeführt von einer Japanerin und einem Koreaner, sind wir dann Richtung Bahnhof zur Stadthalle gelaufen. Unterwegs habe ich mich mit zwei Mädchen angefreundet, die in der Wohnung über mir wohnen: Katherina und Lee. Katharina studiert in Duisburg, ist allerdings nicht sehr gut im Japanischen. Sie ist ein wenig freakig, gibt ihr Geld fast nur für Videospiele und Manga aus, prahlt damit, dass sie nicht kochen kann, ist aber ansonsten sehr nett. Sie sagt, dass sie verheiratet ist, aber seitdem sie hier ist konnte sie ihrem Mann noch keine eMail schreiben konnte, weil sie ebenfalls keinen Internetzugang hat. Lee ist ursprünglich aus Laos, ist aber in den USA aufgewachsen und hat keinen Bezug mehr zu ihren asiatischen Wurzeln. Sie ist sehr ruhig, was vor allem daran liegt, dass sie kein Wort Japanisch kann und erst hier beginnen wird zu lernen. Sie hat zu Hause viele Geschwister und Cousinen, auf die sie ständig aufpassen muss, weshalb sie nicht wirklich viele Freizeitbeschäftigungen hat. Nun will sie in ihrem Auslandsjahr eine Fremde Sprache und Kultur kennen lernen. Da Lee weder Japanisch noch Deutsch kann, hat es sich ergeben, dass wir zu dritt immer auf Englisch reden, damit Lee nicht ausgeschlossen wird. Ich habe bereits gewitzelt, dass ich in dem Jahr in Japan somit nicht nur mein Japanisch, sondern auch mein Englisch verbessern werde. Für die Registrierungskarte in der Stadthalle mussten wir dann alle ein Formblatt ausfüllen, was bei mir erstaunlich gut ging, da mein Leseverständnis doch ziemlich gut ist. Es war sogar amüsant zu sehen, wie die Japanerin verdutzt geschaut hat, nachdem ich meine Adresse säuberlich in Kanji eingetragen habe und erstaunt „Aaah!“ und „Oooh!“ von sich gab. Bei allen Gesprächen mit Amtspersonen, saß meist eine Japanerin neben uns und regelte alles für uns. Jetzt dauert es noch drei Wochen, dann kann ich die Karte abholen. Vorläufig habe ich einen DIN A3 Zettel erhalten, mit dem ich mich ausweisen kann. Das musste ich auch gleich an einem anderen Schalter um ins national health insurance program einzutreten. Das heißt, dass man eine gewisse Summe zahlt und dann bei allen Arztbesuchen 60-70% Rabatt erhält. Wir waren alle verpflichtet in dieses Programm einzutreten, obwohl fast jeder eine Auslands-Reiseversicherung besitzt.
Im Anschluss waren wir im größten Kaufhaus von Soka, das sich ganz in der Nähe des Bahnhofs befindet. Es ist eigentlich nichts anderes als unser Karstadt, nur ein wenig größer. Einige haben sich nach Übersetzungscomputern umgeschaut, die etwa so groß sind wie eine Milkaschokolade. Hier nennt man sie denshi jisho, „elektronische Wörterbücher“, und fast jeder besitzt eines. Ich habe überlegt, ob ich auch eines benötige, aber ich habe bereits ein sehr gutes Lexikon auf meinem Laptop und rund 150 Euro aufwärts kann man auch nicht mal eben aus dem Ärmel schütteln. Vor allem, da es kaum gute Übersetzungscomputer für Deutsch-Japanisch gibt. Und ich glaube einige unterschätzen die Fehler, die sich einschleichen, wenn man über zwei Ecken übersetzt. Da ich nicht wirklich dem halbstündigen Dialog zwischen der Verkäuferin und der Japanerin folgen wollte (und dem daran anschließenden Übersetzungen für alle Studierende), habe ich mich mit dem Koreaner unterhalten. Er studiert bereits seit einem Semester an der Dokkyo und lernt seit über fünf Jahren Japanisch. Er spricht sehr gut und hat ausgezeichnetes Hörverstehen, dafür ist er im Englischen nicht so gut. Erstaunlicherweise war er fast so groß wie ich, was für Asiaten ja eher untypisch ist. Er war ziemlich lustig, weshalb ich oft lachen konnte. Er wohnt in der Wohnung neben mir ich habe ihn seit dem Ausflug aber nur einmal flüchtig getroffen.
Auf dem Rückweg bin ich mit Katharina in einem Laden für Videospiele vorbeigekommen. Sie hat einen Nintendo DS und ist stetig auf der Suche nach Schnäppchen. Aus Jux hätten wir uns fast ein Spiel zum Deutsch lernen gekauft. Populär sind hier in Japan die Wii, der DS, Playstation 3 und Playstation Portable, dafür bekommt man hier überall Spiele. Auf dem Weg zu Shimizu Mansion, meinem Wohnheim, habe ich dann einen kleinen Anhänger eines Charakters aus meiner Lieblingsserie gefunden. Offensichtlich war er abgefallen, also habe ich ihn mitgenommen, ordentlich gewaschen und bei mir auf den Schreibtisch gesetzt. Seitdem bewacht der kleine Zoro mein Zimmer. Abends als ich im Bett lag, habe ich mir das erste Mal gedacht: „Es ist schon ein gewisser Alltag eingekehrt.“. Und das meine ich im positiven Sinne.

Bild2: Der kleine Zoro,den ich auf dem Heimweg gefunden habe. Abgelichtet auf dem Boden vor der Balkontür.

Bild3: Mein Schreibtisch, der von der kleinen Zorofigur bewacht wird. Kannst du den kleinen Zoro finden?

6 Kommentare:

H. hat gesagt…

Na das klappt ja alles wunderbar. Und wie ich sehe, kommst du mit dem Japanischen sehr gut zurecht. Schön, dass du jetzt schon so viele Kontakte geknüpft hast und wie praktisch, dass die auch alle im gleichen Wohnheim wohnen. So ist man doch nie alleine.

Ich habe das ganze Bild abgesucht und keinen kleinen Zorro entdeckt...ich bräuchte da einen kleinen Tipp.

David Kraft hat gesagt…

ACHTUNG! AUFLÖSUNG! ACHTUNG!

Oberhalb des Papieres, direkt neben der Cornflakes-Packung.

Anonym hat gesagt…

um den zu finden barucht man aber wirklich ne Lupe. Ich hab 10 min das Bild angestarrt, danach konnte mein Kopf nicht mehr leisten, das Bild um 90° zu drehen.

Vielleicht gibts ja auch mal ne kleine Rain, dann hast du nicht nur einen Beschützer, sondern auch noch ne Heilerin ;)

Anonym hat gesagt…

Ich habe extra nach Raine für dich in Akihabara gesucht, aber die gab es nicht. Entweder ist sie nicht beliebt, oder sie ist ZU beliebt. Hier gibt es nur massenweise Sheena, Colette und Zelos.
Und Tear und Guy sind hier voll beliebt.

michi hat gesagt…

ich muss zugeben, ich hab ihn auch nicht gefunden (hab mit h. zusammen gesucht).
hey, "denshi jisho" hab ich schon verstanden. vlt. haett ich "elektrisch" auch schon als kanji erkannt. dafuer kannte ich weiter unten hana nicht. ich zieh meinen (schon etwas in mitleidenschaft gezogenen) hut vor dominic ;)

Anonym hat gesagt…

Tja, wenn du längere Zeit in Japan bist, hast du sehr viel Zeit irgendwo irgendwas zu entdecken. Möglicherweise habe ich deswegen gedacht, dass jeder auch den Zoro entdeckt. Tja, in Deutschland trainiert man das Entdecken wohl nicht so, obwohl das bei einigen Kanji doch bei dir und Dominic schon gut klappt...