Auch wen man sich sagt, dass man wegen der placement tests nicht augeregt sein muss, weil lediglich getestet wird wie gut man Japanisch kann und es keinerlei Bewertung gibt, bekommt man morgens trotzdem feuchte Hände und ein flaues Gefühl im Magen. Wieder einmal waren alle Auslandsstudenten viel zu früh im Prüfungsraum, weshalb jeder 20 Minuten hibbelig auf seinem Stuhl saß und versuchte seine Aufregung mir billigen Witzen zu kaschieren. Dann wurden pünktlich die Bögen verteilt und wir hatten zwei Stunden Zeit die Aufgaben zu lösen. Für gewöhnlich überspringe ich immer jene Aufgaben, bei denen ich mir nicht sicher bin, um mit einem guten Gefühl in die Klausur zu starten. Doch nachdem ich alles übersprungen hatte, was ich nicht konnte, war ich bereits mit dem Test durch. Das war mein erster Schock und vollkommen aufgeregt habe ich alles noch einmal durchgeschaut. Und dann war ich mir sicher: Dieser Test war schlichtweg zu schwer. Und da half es auch nicht, dass der Koreaner, der neben mir saß, ununterbrochen schrieb und offensichtlich nicht einmal nachdenken musste. Also habe ich versucht das Beste draus zu machen und begann mit dem Grammatik-Teil (erstes Drittel). Hier musste man Konjunktionen für Sätze wählen, wie beispielsweise:
Ich esse, ( ) ich hunger habe.
a) als b) weil c) um d) dann
Das ist eigentlich nicht so schwer. Allerdings kannte ich die Satzkonjunktionen, die zur Auswahl gestellt waren meist nicht. Somit habe ich oft einfach irgendetwas gewählt. Anschließend kam der Leseverständnis-Teil (zweites Drittel). Hier bekam man einen Text und musste Fragen beantworten. Den Text hatte ich zwar fast komplett verstanden, nur leider konnte ich mit den Fragen oft herzlich wenig anfangen. Meistens bezogen sich die Fragen auch nicht auf das Textverständnis, sondern auf einzelne Worte, die meist gar nicht so relevant waren, so wie:
Wir brauchen eine Welt, in der die Freiheit des Individuums gewahrt wird und die Würde des Menschen über alle Maßen unantastbar ist, damit auch kleine Mädchen aus China mit ihren (unverständliches Wort) Kuscheltieren spielen können.
Frage: Was bedeutet das Wort vor Kuscheltier?
a) flauschig b) knuddelig c) überaus süß d) frisch gewaschen
Folglich half das Textverständnis meist nicht weiter und so habe ich auch hier oftmals irgendetwas ausgewählt. Letztlich kam noch der Schreib-Teil, in dem wir zu einem Thema einen einseitigen Text verfassen mussten. Irgendwie habe ich das hinbekommen und dann nach zwei Stunden schließlich meinen Test abgegeben. Verständlicherweise war ich ziemlich geknickt, da ich wußte, dass dieser Test nicht gut gelaufen war. Im Gespräch mit anderen hat sich aber herausgestellt, dass jeder enorme Probleme mit diesem Test hatte, die meisten sogar noch mehr Probleme als ich. Da war ich froh, dass es nicht nur mir so schwer vorkam.
In der Mensa entschied ich mich diesmal nach meinem Abenteuer mit den glitschigen kalten Nudeln von vor zwei Tagen für die sichere Variante: ein einfacher Salat. Der war dann auch so ungefährlich wie er klingt und ist ziemlich günstig im Vergleich zu den sonstigen Ausgaben, die man hier in Japan für Gemüse und Obst hat. Im Anschluss begann dann die mehrstündige Campustour durch die gesamte Universität. Angeführt wurden wir von einer Japanerin, die extra langsam und extra einfach sprach, damit jeder mitkommen konnte. So wiederholte sie jeden Satz meist noch zweimal auf Japanisch und dann noch dreimal auf Englisch, was zwar einigen half, die Führung aber unglaublich in die Länge zog. Für die Erklärung der Bibliothek übernahm dann ein junger Japaner, der kaum Englisch konnte und vollkommen verunsichert und mit zittriger Stimme ein paar Worte zusammenstammelte. Da er so mitleiderregend war, nickte ich ihm immer zu, nachdem er einen Satz zuende gestammelt hatte, so dass er gegen Ende der Führung meist nur noch in meine Richtung sprach und immer wartete, bis ich nickte. Insgesamt war unsere Gruppe der Hingucker auf dem Campus. Überall wo wir vorbeikamen tuschelten und kicherten die Studenten oder die Belegschaft. Ich erinnere mich daran, dass ich nun wußte wie sich eine japanische Reisegruppe in Deutschland fühlen muss, wenn immer alle auf sie glotzen und sich über die "Japaner mit ihren Fotoapparaten" lustig machen. Gegen Ende wurde dann ein Vortrag über die Nutzung des Internets an der Universität gehalten. Allerdings schien es ein vorgefertigter Vortrag für japanische Erstsemesterstudenten zu sein, weshalb niemand etwas verstand. Die Referentin flog nur so in feinstem Japanisch durch die Blätter ihres Manuskriptes und wechselte von einer vollbeschrifteten Folie zur Nächsten. Wir bekamen zwar noch ein Heft, in dem alles zusammengefasst wurde, allerdings war auch dieses auf Japanisch und nur verständlich, wenn man viel Zeit in eine Übersetzung investieren würde. Aber immerhin bekamen wir endlich unsere Zugangsdaten für die Uninetzwerk, sodass endlich jeder in der Lage war über die Unicomputer ins Internet zu gehen.
Bild1: Ein wunderschöner Garten vor dem Verwaltungsgebäude.
Bild2: Um 180°gedreht. Ich fand die sauber geschnittenen Büsche sehr beeindruckend.
Bild3: Die ist ein Teil des normalen Campus. Hier läuft durch, wenn man ineinanderes Gebäude geht oder kann sich einfach zumLernen oder Essen hinsetzen.
Zuletzt versammelten sich wieder alle, um die Ergebnisse des placement tests zu erhalten. Insgesamt gab es vier Kurse: Einen Kurs für totale Beginner, einen Kurs für Fortgeschrittene, einen Kurs für Profis und einen Kurs für Überflieger. Grundsätzlich kann man sagen, dass fast alle Deutsche in den fortgeschrittenen Kurs (darunter auch ich) und fast alle Chinesen in den Kurs für Profis kamen. Der Kurs für Überflieger wurde nur zwei Personen angeboten, die meines Wissens aber ablehnten und in den Profikurs gingen. Nach einem Blick in meine neuen Bücher und Unterlagen, finde ich den Kurs bisher noch zu einfach, aber vielleicht dauert es einfach noch ein paar Wochen oder Monate, bis ich allmählich gefordert werde. Ich muss einfach abwarten wie sich der Unterricht gestaltet und welche Erwartungen an uns gestellt werden.
Nach dem Kurs bin ich dann für meine letzte Stunde noch ins Internet gegangen und habe endlich diesen Blog eröffnet und einige eMails geschrieben. Während ich noch am Schreiben war, ertönte plötzlich Glockenmusik, um das Schließen der Bibliothek zu verkünden. Eine sehr gewöhnungsbedürftige Methode. Abends war ich dann wie gewohnt auf der Suche nach einem günstigen Abendessen und habe mutig ein paar gefüllte Teigtaschen ausgewählt. Beim Essen zu Hause hat sich herausgetstellt, dass sie aber nur mit Reis gefüllt, aber dennoch sehr lecker sind.
5 Kommentare:
Ich glaube ich hätte einen ganz schönen Schweißausbruch gekriegt, wenn ich so einen Test bekommen hätte...vor allem wenn der Sitznachbar auch noch ununterbrochen schreibt!
Ich habe das Gefühl, der Test war vom Schwierigkeitsgrad so konzipiert, dass sie die Profis von den Überfliegern trennen konnten. (Die ja dann doch in einen Kurs gekommen sind). Und alle, die nicht mit dem Test zurechtkommen, aber dennoch schon was können steckt man in den Fortgeschrittenenkurs.
Aber da bist du bestimmt gut aufgehoben, auch wenn das jetzt für dich erstmal leicht ist, aber die müssen ja zunächst alle Kursteilnehmer auf ein Niveau bringen. Sicherlich ist das Tempo hier auch so schnell, dass ihr deine jetzigen Unterlagen ziemlich schnell durchhaben werdet.
So, die nächsten zweieinhalb Wochen bin ich auf Teneriffa. Bin gespannt, was es alles neues gibt, bis ich zurückkomme.
Bis dann, mach es gut!
Ich hab Angst T_T
Aber danke, dass du deinen Alltag mit mir teilst ^^
Pass gut auf dich auf und lass es dir gut gehen!
Liebe Grüße
Ninja~
Du hast recht Helene, am störendsten war wirklich der Koreaner, der ununterbrochen geschrieben hat. Das hat mich wirklich irritiert.
Ich wünsche dir viel Spass in Teneriffa und werde deine Kommentare wirklich vermissen. Dafür hast du danach die geballte Ladung Japan. :)
Und ich bin gespannt was Ninja bald zu berichten hat. Würde mich interessieren wie dein Einstufungstest läuft, ist ja nicht mehr so lange hin. Ich freue mich auf dich!
Hallo Bruderherz!!!!
Wollte mich auch mal melden und wissen wie es dir geht?
Bei mir ist alles so wie immer nur das du nicht mehr da bist!!!
Hoffe mama gibt dir meine email adresse. Wollte dir immer mal ein paar Fotos aus good old Germany schicken. Ich fühle mich irgendwie schon ganz schön alt, jetzt bin ich schon 25. Die Zeit geht zu schnell um!
Meld dich mal, würde mich echt freuen!!!!
Gaaaannnnnzzzz Liiiieeeebbbbbeee Grüße dein Bruderherz
Hallo Bruderherz :)
Ich freue mich, dass du den Weg auf mein Japantagebuch gefunden hast. Es ist immer ganz toll, wenn ich etwas aus Deutschland höre. Jetzt habe ich auch endlich deine eMailadresse, da kann ich dir auch persönlich etwas schreiben.
Und in ein paar Monaten bin ich auch schon 23...
Kommentar veröffentlichen