"Wie ist denn das Wetter in Japan?"
Würde ich jedes Mal einen Euro bekommen, wenn mir jemand diese Frage stellt, müsste ich mir keine Gedanken mehr, um meine finanzielle Absicherung machen. Es ist eine von jenen Fragen, die gerne dann auftaucht, wenn ein Gespräch nicht recht in Gang kommt oder man nicht genau weiß, worüber man sprechen soll. Wirklich interessiert am Wetter sind wahrscheinlich die Wenigsten, denn was kann man schon groß erzählen? "Es ist sonnig.", "Es ist sehr schwül.", "Ach, es regnet den ganzen Tag.", "Es ist ziemlich bewölkt, fängt wohl bald an zu tröpfeln.". Und so konnte auch ich meistens nur die typischen, uninteressanten Antworten geben, die zu keinem weiteren Gespräch führten. Zumindest bis vor kurzem, denn endlich gibt es etwas über das Wetter in Japan zu berichten, das den deutschen Zuhörer fasziniert: Die Regenzeit hat begonnen.
Unter der Regenzeit habe ich mir immer etwas wie einen Monsun vorgestellt: Ein wochenlanger, nie endender Regen. Also ein wenig wie das Wetter in London. Doch die Regenzeit, wie ich sie hier in Japan erlebe, ist anders. Es beginnt schon damit, dass es während der Regenzeit nicht immer regnet. Eigentlich regnet es nur etwa zwei oder drei Tage die Woche, bevorzugt am Wochenende, was dazu führt, dass ich am Wochenende, wenn ich einmal nicht lernen muss und Zeit hätte etwas zu unternehmen, in meinem Zimmer hänge und die Stunden zähle. Unter der Woche herrschen sommerliche Temperaturen und ein strahlend blauer Himmel läd zum Spazieren ein, doch dann hat man natürlich Unterricht und ist erschöpft vom Pauken. Ob das wohl Zufall ist?
Film1: So sehen seit Wochen fast alle meine Wochenenden aus: Regen in Soka. Den ganzen Tag lang.
Bild1: Regenzeit in Japan. Oder sollte ich besser sagen: Wochenendregenzeit.
Bild2: Dass es diesig ist und man nicht sehr weit sehen kann, ist offensichtlich. Aber wenn man genauer hinblickt, sieht man auch die zahlreichen Pfützen und den aufgeschwemmten Boden nahe der Felder und Gärten.
Wer nun denkt, dass die Regenzeit ein wenig wie regnerischer Herbst in Deutschland ist, hat weit gefehlt, denn es gibt eine gravierenden Unterschied: Die Schwüle. Sie kam schleichend, doch nun ist sie überall. Rund um die Uhr hat man klebrige Hände: Beim Schreiben, beim Tippen, bei allem. In Deutschland hat man Vergleichbares kurz vor einem Wolkenbruch im Sommer, doch anders als in Deutschland kühlt es hier in Japan nach dem Regen nicht ab. Die Schwüle bleibt, wird sogar noch drückender und geradezu unerträglich, wenn es regnet. Dann sitzt man in seinem Zimmer, schwitzt und klebt überall und würde sich am liebsten alle zwei Stunden duschen. Ich habe mir angewöhnt in meinem Zimmer zu sitzen und die Klimaanlage auf "Trocknen" zu stellen, dann habe ich wenigstens in meinem Zimmer eine kühle und halbwegs trockene Oase. Doch wenn ich auch nur aus meinem Zimmer trete und in die Küche gehe, ist es als würde man durch einen Nieselregen laufen.
So ungemütlich es auch klingt, so schlimm finde ich die Regenzeit letztlich nicht. Ich kann nicht genau sagen woran es liegt, aber das Wetter macht mir kaum zu schaffen, ich genieße es sogar. Manchmal öffne ich während des Regens die Balkontür und schalte die Klimaanlage ab. Dann sitze ich für einige Stunden in der Schwüle und der Wärme, werde klebrig und schwitzig, merke aber wenigstens, dass ich in Japan bin. Und es wäre ja auch schade, wenn man solch ein Naturschauspiel, das man in Deutschland gar nicht kennt, einfach nur ignorieren würde.
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