Donnerstag, 29. Januar 2009

Von Kaiserhäusern und Kunstgalerien

Es ist Tag 112 in Japan und gemeinsam mit Katharina und Lee bin ich heute nach Tokyo gefahren, um im kaiserlichen Palastgarten spazieren zu gehen. Dieser ist nämlich nur genau zwei Tage im Jahr für die breite Öffentlichkeit zugänglich, am ersten und am zweiten Januar, weshalb wir uns die Möglichkeit nicht nehmen ließen, einmal über heiligen Boden zu wandeln und vielleicht sogar einen Blick auf den Kaiserpalast zu werfen.
Da wir nicht genau wussten, wann der kaiserliche Palastgarten geöffnet hatte und ob man möglicherweise lange Zeit anstehen musste, fuhren wir sicherheitshalber schon vormittags gegen elf Uhr in Soka los, um auf jeden Fall ausreichend Zeit zur Verfügung zu haben und nicht vor verschlossenen Toren zu stehen. Der Kaiserpalast befindet sich in Tokyo, was zunächst einmal ziemlich nichtsagend klingt, da Tokyo riesengroß ist. Wie sich herausstellte hieß, allerdings der Bahnhof, an dem wir aussteigen mussten "Tokyo", was zu einigen Verwirrungen im Vorfeld führte:

David: Wo müssen wir hinfahren?
Katharina: Nach Tokyo.
David: Ja, aber wo?
Katharina: Ja, nach "Tokyo".
David: Ja. Aber WO?

Nachdem wir einige Male umgestiegen waren, erreichten wir schließlich den Bahnhof "Tokyo" und überlegten in welche Richtung wir wohl laufen müssten, um zum Kaiserpalast zu gelangen. Da aber fast alle Menschen um uns herum in die gleiche Richtung strömten, ließen wir uns einfach mitreißen und erreichten nach rund zehn Minuten den riesigen Wassergraben, der das Palastgelände umkreist. Der Masse an Menschen folgend, liefen wir gemächlich die Straße entlang, die über den Graben und durch ein kleines Wäldchen führte, und bekamen von einigen Freiwilligen Japanflaggen in die Hand gedrückt, mit denen wir etwas unglücklich wedelnd weiterliefen. Nach einigen Minuten lichtete sich das Wäldchen und wir erreichten einen gigantischen Schotterplatz, auf dem vereinzelt Polizisten standen und neugierig alle Passanten mussterten. War es mir anfangs etwas unangenehm von allen Seiten betrachtet zu werden, gewöhnte ich mich doch recht schnell an die vielen Sicherheitskräfte, deren Anzahl mit dem Voranschreiten stetig zunahm. Der breite Weg, dem wir folgten, wurde durch die näherrückenden Abgrenzungen zu beiden Seiten allmählich geschmälert, bis schließlich die gesamte Menschenmasse zu einer sich gemächlich voranschiebenden Wurst zusammengepresst wurde, die sich nur bei zwei Kontrollen nochmals auffächerte. Bei der ersten Kontrollstation wurden Gepäckstücke untersucht, während bei der zweiten Kontrollstation der Körper nach möglichen Waffen abgetastet wurde. Im Vergleich zur ruppigen Körperkontrolle am Frankfurter Flughafen, war das Abtasten aber keineswegs unangenehm, weshalb ich alles über mich ergehen ließ und schließlich weiterging, während sich der Kontrolleur für die Unannehmlichkeiten entschuldigte.


Bild1: Viele Menschen laufen über das weite Schotterfeld vor dem Kaiserpalast.


Bild2: Katharina und Lee laufen mit ihren Japanflaggen in der Masse mit.


Nach der zweiten Kontrolle erreichten wir drei schließlich das Eingangstor des Palastgartens, an dem zwei Torwachen standen und natürlich Unmengen von Polizisten und kaiserlichen Gardisten nach dem Rechten sahen. Und so durchschritten Katharina, Lee und ich das Tor und liefen ein wenig durch die kaiserliche Gärten. Hatte ich anfangs gedacht, dass der Tag wie ein Spaziergang über die Landesgartenschau ausfallen würde, war ich nun doch ein wenig enttäuscht, da man eigentlich nur mit den restlichen Menschen vorangeschoben wurde und höchstens ein paar Bilder im Vorbeigehen knipsen konnte. Blieb nämlich jemand zu lange an einer Stelle stehen, um ein schönes Motiv in Ruhe zu fotografieren, kamen sofort Bedienstete angelaufen und baten den Betreffenden doch bitte weiterzugehen, um das Voranschreiten der anderen nicht zu behindern. Glücklicherweise schien die Sonne weshalb der Großteil meiner Fotos, die ich im Vorbeigehen schoss, gelang. Nachdem wir ein kurzes Stück gelaufen waren, standen auf einer erhöhten Brücke, von der aus wir einerseits einen Blick auf den Kaiserpalast, andererseits auf die Menschenmassen, die noch hinter uns waren, werfen konnten. Die Bediensteten hatten alle Hände voll zu tun, da überall Japaner stehen blieben, um das Panorama zu fotografieren.


Bild3: Hinter einer kleinen Brücke befand sich das Tor, das wir durchschritten, um in den Palastgarten zu kommen.


Bild4: Von der kleinen Brücke vor dem Eingangstor aus konnte man einen Blick auf die zweite Brücke werfen, über die wir einige Minuten später laufen würden. Dahinter sieht man bereits den Kaiserpalast.


Bild5: Ein etwas verwackeltes Bild von einem der Torwächter in seiner schicken Uniform.


Bild6: Ein Blick zurück auf die Menschenmassen, die direkt hinter uns liefen. Man sieht im Hintergrund das Eingangstor, durch welches wir den Palastgarten betreten haben.


Bild7: Ein Blick auf den Kaiserpalast. Davor einer der unzähligen Sicherheitsbeamten, die zu diesem Zeitpunkt bereits alle fünf Meter neben den Absperrungen standen.


Bild8: Die zweite Brücke.


Bild9: Ein Bild von den kunstvollen Laternen im kaiserlichen Palastgarten.


Bild10: Von der zweiten Brücke aus konnte man einen Blick auf Tokyo werfen. Viele Leute blieben stehen, um mit ihren Kameras und Fotohandys Bilder zu schießen.


Bild11: Warf man einen Blick nach unten, konnte man die Menschenschlange sehen, die gerade dabei war das erste Tor zu passieren.


Nachdem wir durch das zweite Tor am Ende der Brücke geschritten waren, erreichten wir wieder einen großen Platz direkt vor dem kaiserlichen Palast, auf dem sich haufenweise Polizisten und Uniformierte tummelten. Gemeinsam mit den anderen Menschen sammelten wir uns auf dem großen Platz und allmählich dämmerte mir, dass wir nicht nur einen Blick auf den Kaiserpalast und den kaiserlichen Palastgarten werfen würden, sondern vermutlich auf den Tenno (die korrekte Bezeichnung für den japanischen Kaiser) selbst. Und tatsächlich: Nach knapp einer Viertelstunde betrat die japanische Kaiserfamilie unter tobendem Applaus aller Anwesenden einen verglasten Balkon des Palastes. Wie wild knipste ich Bilder mit meiner Kamera, so überrascht war ich plötzlich die höchste Person Japans in dreißig Meter Entfernung von mir stehen zu sehen. Und dann begann der Kaiser mit seiner Neujahrsansprache, der alle andächtig lauschten. Obwohl der Tenno klar und deutlich redete, verstand ich nicht alles, dennoch zeichnete ich alles mit meiner Kamera auf, um mir seine etwa einminütige Ansprache zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal in Ruhe anhören zu können. Nachdem der Tenno verstummte, jubelte die Menge erneut und wedelte mit ihren Japanflaggen. Winkend und lächelnd stand die Kaiserfamilie noch für eine Weile auf dem Balkon, bevor sie sich in das Hauptgebäude zurückzog. Und selbst als sich die Menschenmenge schon längst aufgelöst hatte und alle durch den kaiserlichen Palastgarten zurück zum Schotterplatz liefen, redete ich noch begeistert von diesem Erlebnis und konnte gar nicht glauben, dass ich soeben wahrhaftig den Tenno gesehen hatte.


Bild12: Ein Blick auf den Flügel des Kaiserpalastes, vor dem sich die Menschen versammelten.


Bild13: Überall waren Uniformierte präsent, die alles koordinierten. Trotz der Gegenwart dieser zahlreichen Ordnungskräfte fühlte ich mich nicht eingeschüchtert oder bedrängt.



Film1: Ein Blick auf die Menschenmenge vor dem Kaiserpalast.


Bild14: Die Kaiserfamilie zeigt sich dem Publikum.



Film2: Der Tenno hält seine Neujahrsansprache, die an das japanische Volk gerichtet ist.


Bild15: Nach der Rede winken die Mitglieder des japanischen Kaiserhaus noch eine Weile lang in die Menge, während alle Anwesenden mit ihren Japanflaggen wedeln.


Bild16: Ein Blick in die jubelnde Menge. Ein wenig neidisch bin ich schon gewesen, dass Japan ein Kaiserhaus hat, dem man zujubeln kann.


Als wir auf einem breiten Weg den Hügel vom Kaiserpalast hinabliefen, kamen wir an eine Gabelung, an der wir uns entscheiden konnten entweder sofort zum Schotterplatz zu laufen oder eine kleinen Rundgang durch den kaiserlichen Palastgarten zu unternehmen. Selbstverständlich nutzten wir die Gelegenheit durch den zugegebenermaßen recht unspektakulären Garten zu laufen. Ich fotografierte alles, was mit vor die Kamera kam, wenn ich mir auch nie sicher war, ob ich gerade ein bedeutendes japanisches Gebäude, oder vielleicht einfach nur eine schön aussehende Gartenhütte fotografierte. Und so verließen wir nach knapp einer Viertelstunde die kaiserlichen Palastgärten und standen irgendwo mitten in Tokyo.


Bild17: Die Menschenmassen, die vom Kaiserpalast kamen, teilten sich in zwei Gruppen auf. Im Hintergrund sieht man ein Gebäude in traditionell japanischer Architektur, das zum Palastgelände gehört, vor der Kulisse Tokyos.


Bild18: Ein Blick hinauf zum Kaiserpalast, da ich einfach zu fasziniert war von den Menschenmassen.


Bild19: Katharina und Lee vor der Kulisse eines großen Gebäudes, das bestimmt sehr wichtig war. Zumindest war es abgesperrt und von einer Vielzahl von Sicherheitsbeamten umgeben.


Bild20: Lee und ich auf dem Gelände des Kaiserpalastes. Eigentlich wollten wie ein Bild von den zahlreichen Uniformierten im Hintergrund machen.


Bild21: Vielleicht ein Gartenpavillon? Ich weiß es nicht.


Bild22: Gemeinsam mit vielen anderen Interessierten liefen wir im Sonnenschein durch die kaiserlichen Palastgärten.


Bild23: Ein Blick in eine Seitenstraße, die nicht zugänglich war.


Bild24: Die Gärten waren auf der rechten Seite gesäumt von einem großen Wall, neben dem ein Kanal verlief, der im Moment aber trocken lag.


Bild25: Auf dem Palastgelände gibt es sogar einen kleinen See.


Da Katharina, Lee und ich erst einmal nicht wissen, wo wir hingehen sollten, folgten wir der Menschenmenge und erreichten eine große Parkanlage in unmittelbarer Nähe des Palastgeländes. Da das Wetter schön war und wir auf keinen Fall bereits zurück nach Soka fahren wollten, unternahmen wir einen ausgedehnten Spaziergang durch den weitläufigen Marukou-Park.


Bild26: Impressionen aus dem Marukou-Park, in dessen Mitte sich ein kleiner See befand.


Bild27: Ein Blick vom Rand des Marukou-Parkes aus auf Tokyo.


Bild28: Da wir abseits der Hautwege über die kleineren Schleichwege liefen, hatte unser Spaziergang manchmal Züge einer Trekkingtour durch die Wildnis.


Bild29: Obwohl es Anfang Januar war, ließ es sich in den warmen Sonnenstrahlen wohl gut dösen, wie dieser Japaner beweist.


Bild30: Das kennt man bereits aus Soka: Alte Steine mit Einkerbungen am Wegesrand.



Film3: Badende Raben im Marukou-Park. Natürlich haben sie kaum gebadet, als ich erst einmal die Kamera auf sie gerichtet hatte.


Nachdem wir den Marukou-Park verlassen hatten, orientierten wir uns an einer Übersichtskarte darüber, wie wir zum naheliegensten Bahnhof gelangen würden. Nachdem wir eine recht bequeme Route über eine Promenade entlang eines Kanals gefunden hatten, liefen wir im Sonnenschein durch Tokyo, bis unser Blick auf ein großes Gebäude zu unserer Linken fiel. Es war das japanische Nationalmuseum für moderne Kunst, welches ausgerechnet heute freien Eintritt hatte. Nachdem wir ein paar zufriedene Blicke ausgetauscht hatten, liefen wir auf das Gebäude zu, wurden am Eingang nett empfangen und eingeladen uns die Ausstellung im fünften und vierten Stockwerk anzuschauen. Und so verbrachten wir fast zwei Stunden im Nationalmuseum und betrachteten Skulpturen, Zeichnungen, Fotographien und Gemälde aus der japanischen Moderne. Bedauerlicherweise durfte man im Museum nicht fotografieren, weshalb ich keine Erinnerungsfotos von einigen durchaus interessanten Kunstobjekten machen konnte. Nach den fast zwei Stunden waren wir so erschöpft, dass wir uns in einen ruhigen Gang setzten und uns einige digitalisierte Entspannungsbilder ansahen. Wie kann man sich das vorstellen? Nun, es ist eigentlich wie ein Landschaftsgemälde, das sich ein wenig bewegt, da sich beispielsweise Blätter oder Blüten im Vordergrund leicht im Wind wiegen, Autos im Hintergrund vorbeifahren oder sich die Wasseroberfläche eines Sees bewegt. Um all dies ein wenig anschaulicher zu gestalten habe ich trotz des Verbotes heimlich Aufnahmen von einigen digitalisierten Bildern gemacht. Nachdem wir das Museum beim Einsetzen der Dämmerung verlassen hatten, liefen wir zum nächsten Bahnhof und fuhren nach einem langen aber aufregenden Tag zurück nach Soka.


Bild31: Das japanische Nationalmuseum für Moderne Kunst.



Film4: Ein digitalisiertes Bild von Lichtern einer Stadtkulisse, die sich im Wasser spiegeln.



Film5: Ein digitalisiertes Bild von Blättern, die sich vor der Ansicht des Fuji leicht im Wind wiegen, sowie Seerosen, die ruhig auf einem See schaukeln.


Bild32: Nach einem langen Tag kommen Lee, Katharina und ich in der Haltestelle Ootemachi an und fahren erschöpft aber glücklich zurück nach Soka.

2 Kommentare:

H. hat gesagt…

Unglaublich, wieviele Menschen bei so einem Ereignis zusammenkommen können.
Hast du dir die Rede des Kaisers inzwischen mal übersetzt?
Übrigens finde ich das Bild Nr 26 mit dem kleinen See und Bild Nr 27 mit den Bäumen als Rahmen und dem glitzernden Wasser sehr schön. Falls du mal planst einen Kalender über Japan rauszubringen, müssen diese Bilder unbedingt drauf ;-)

Anonym hat gesagt…

Nein, die Rede des Tenno habe ich leider noch nicht übersetzt. Er spricht aber wirklich sehr deutlich und sauber artikuliert, da dürfte es nicht zu schwer werden.
Und ein Kalender ist noch nicht geplant, aber vielleicht lasse ich am Ende meines Japanjahres von meinen Lesern die TOP12 wählen und mache dann einen Kalender daraus, den jeder geschenkt bekommt...mmmh... : )
Siehst aus als hättest du da etwas ins Rollen gebracht.