Nach meiner ereignisreichen Zeit zwischen den Jahren und zu Beginn des neuen Jahres, wachte ich eines Morgens auf und stellte erschrocken fest, dass meine Abschlussprüfungen für das Unisemester, nicht einmal mehr eine Woche entfernt war. Ich war so beschäftigt mit den Weihnachtsfeiertagen und dem Jahreswechsel gewesen, dass ich kaum bemerkt hatte, wie schnell die Zeit verflogen war. Und so verbrachte ich die kommenden Tage weitgehend ereignislos in meiner Wohnung und lernte.
Schön chronologisch blätterte ich durch mein Lernbuch und wiederholte Lektion für Lektion, schrieb mir Schriftzeichen heraus, die ich nicht sicher beherrschte, machte mir Notizen zu grammatischen Formen, die ich schon wieder vergessen hatte, und wiederholte die Texte, die wir im Kurs in den letzten Wochen so intensiv bearbeitet hatten. Und zu allem machte ich mir dann eigene kleine Minitests, mit denen ich mich kurz vor der Abschlussprüfung selbst noch einmal überprüfen wollte. Letzten Endes saß ich also inmitten eines Haufens von Blättern, Büchern und Stiften, aus dem irgendwo mein Laptop hervorragte. Mein Lernplan wäre ohne Probleme aufgegangen, da ich bis zur Semesterabschlussprüfung mehr als genug Zeit gehabt hätte alle zwanzig Lektionen des vergangenen Semesters zu wiederholen, doch leider gab es ein winziges Problem, das meine ganze Planung durcheinander brachte: Bereits zwei Tage vor der Abschlussprüfung fand der letzte Minitest statt, in dem noch einmal die letzten zwei Lektionen des Buches abgefragt wurden. Uns dieser Test führte dazu, dass ich vor einer Entscheidung stand: Entweder ich zog das Lernen der beiden letzten Lektionen vor, was eigentlich ein wenig unsinnig war, da alle Lektionen aufeinander aufbauten, oder ich musste die Wiederholung des Lernstoffs um zwei Tage stauchen, damit ich mit dem gesamten Buch bereits vor dem Minitest fertig sein würde. Letztlich entschied ich mich für die zweite Möglichkeit und hetzte somit in etwa vier Tagen durch den Lernstoff eines gesamten Semesters. Glücklicherweise hatte ich bereits unter dem Semester immer eifrig mitgearbeitet und auch schon kurz nach den Weihnachtsfeiertagen die ersten Lektionen des Buches wiederholt, weshalb es sich dann doch recht gut bewerkstelligen ließ.
Da wegen der Feiertage zu Beginn des Jahres die Läden geschlossen hatten, war ich dazu gezwungen am ersten Werktag im neuen Jahr einen gesamten Nachmittag nur mit einkaufen zu verbringen und quer durch Soka zu allen mir bekannten Supermärkten zu rennen, um meine Vorräte aufzustocken und ein paar Fertiggerichte für die kommenden Tage zu hamstern. Als ich wieder im Wohnheim angekommen war und gewohnheitsmäßig meinen Briefkasten überprüfte, war ich überrascht, dass tatsächlich einmal ein Brief für mich darin zu finden war. In der Regel war mein Briefkaste nämlich immer nur mit Werbeblättchen gefüllt, die einem geradezu entgegenquollen, wenn man den Briefkasten zwei Tage nicht geleert hatte. Der Brief war von meiner Großtante aus Deutschland und freute mich so sehr, dass er seitdem seinen festen Platz in meiner kleinen Freiluftvitrine oberhalb meines Schreibtisches gefunden hat.
Bild1: Ein Brief von meiner Großtante aus Deutschland.
Einen Tag bevor die Uni wieder startete und mein Minitest stattfand, hörte ich abends Geräusche an der Wohnungstür. War ich erst für einen kurzen Moment verwundert, wer sich dort wohl zu schaffen machen würde, wurde mir selbst klar, dass es niemand anderes als Yosuke sein konnte, der wieder zurückkehrte, nachdem er über die Feiertage eine Freundin in Kyoto besucht hatte. Da natürlich auch er ab morgen wieder Unterricht hatte, hätte es mir eigentlich klar sein sollen, dass er spätestens an diesem Abend hätte zurückkommen müssen. Obwohl ich mich schon ein wenig daran gewöhnt hatte die Wohnung nur für mich allein zu haben, freute ich mich, dass Yosuke wieder da war und endlich wieder ein wenig Leben in der Wohnung herrschte. Und so begrüßte ich ihn herzlich und wir unterhielten uns eine Weile lang darüber wie wir die Feiertage verbracht hatten, bevor ich mich wieder in mein Zimmer zurückzog, um mich auf den Test am nächsten Tag vorzubereiten.
Später am Abend wurde ich von Tak kontaktiert, der ebenso wie ich mit Unikram beschäftigt war, da der Abgabetermin seiner letzten Arbeiten bevorstand. Nachdem wir uns darüber ausgetauscht hatten, wie wir den Jahreswechsel verbracht hatten, lud er mich, Katharina und Lee zu Nobukos Geburtstagsfeier am Ende der Woche ein. Freudig sagte ich ihm zu, schließlich schien mir ein entspannter Abend mit Freunden nach den anstehenden Klausuren genau das Richtige zu sein. Und als ich dann spät abends im Bett lag, nachdem ich noch einmal alles für den morgigen Tag wiederholt hatte, dachte ich daran, wie es sich wohl anfühlen würde auf Nobukos Geburtstag zu sitzen, da zu jenem Zeitpunkt die stetig näherrollende Semesterabschlussklausur endlich der Vergangenheit angehören würde.
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